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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Abaelard, Peter: Theologia ,Scholarium‘ II, 84f

Original:

Peter Abaelard über die Frage, warum man eigentlich nicht über Gott sprechen kann

Quod etiam omnis hominum locutio ad creaturarum status maxime accommodata sit, ex ea praecipue parte orationis apparet sine qua nulla dicitur constare orationis perfectio, ex ea scilicet quae ,verbum‘ appellatur. Haec quippe dictio temporis est designativa quod incepit a mundo. Unde si huius partis significationem attendamus, oportet per eam cuiusque constructionis sensum infra ambitum temporis coerceri [...]. Unde et cum dicimus deum priorem esse mundo sive exstitisse ante tempora, quis sensus in his verbis verus esse potest [...]? Oportet itaque, cum ad singularem divinitatis naturam quascumque dictiones transferimus, eas inde quandam singularem significationem seu etiam constructionem contrahere atque per hoc quod omnia excedit necessario propriam institutionem excedere.

Quelle: Abaelard, Peter: Theologia ,Scholarium‘ /Theologia ,Scholarium‘ (Tsch.) II, 84f.
Edition: N.N.

Auslegung:

Peter Abaelard (1079-1142) benennt einige Gründe dafür, dass es schwierig ist, Aussagen über Gott zu treffen (VL Gott und die Welt )
- Grundgedanke: Verb ist ein „Zeitwort“, drückt eine Abfolge aus; Gott ist aber ewig bzw. überzeitlich → Verb ungeeignet zur Bezeichnung Gottes
- Weiteres Beispiel neben dem Werk ist „Substanz“
- Substanz grundlegender Begriff der aristotelischen Kategorienlehre, der sich von den Akzidenzien abgrenzt und verschiedene Eigenschaften aufnehmen kann
- Grundsätzliche Kritik bereits des Augustinus: Jede „Substanz“ kann per definitionem Eigenschaften haben, Gott kann das nicht → keine Teilung in Gott, aber Sprache auf Geteiltes angewandt

DIE METHODISCHE GRUNDSCHWIERIGKEIT DER THEOLOGIE ( VL Mittelalterliche Philosophie)
- Möglichkeiten, von Gott zu sprechen: via affirmationis, via negationis, via eminentiae
- Erster Gegenstand philosophischer Theologie: Wie ist es überhaupt möglich, von Gott zu sprechen?
- Problem: Menschliche Sprache nicht geeignet, auf das Objekt Gott angewandt zu werden
→ bereits früh grundsätzliche Erkenntnis im Zusammenhang mit Sprachphilosophie
- Verschiedene Möglichkeiten der Problemlösung sind möglich → positive, negative und übersteigende Rede von Gott

Themen:

  • Glauben
  • Gott
  • Gott und die Welt
  • Mittelalterliche Philosophie

Dass jede Rede von Menschen weitestgehend an die Naturen der Geschöpfe angepasst ist, wird auch besonders anhand desjenigen Teils eines Satzes deutlich, ohne den nicht gesagt werden kann, dass eine Vollständigkeit des Satzes besteht, aus dem nämlich, der ,Verb‘ genannt wird. Denn dieser Ausdruck dient zur Bezeichnung der Zeit, die von der Welt aus begonnen hat. Wenn wir daher die Bedeutung dieses Teils beachten, wird durch ihn notwendig der Sinn einer jeden Wortverbindung in den Bereich der Zeit hineingezwungen [...]. Wenn wir daher sagen, dass Gott früher ist als die Welt oder vor den Zeiten existiert hat, welcher Sinn vom Vorhergehen Gottes und dem Nachfolgen von diesen kann wahrhaft in diesen Worten sein [...]? Es ist daher nötig, wenn wir irgendwelche Ausdrücke auf die einzigartige Natur Gottes übertragen, dass diese eine gewisse einzigartige Bedeutung oder auch Wortverbindung an sich ziehen und durch das, was alles übersteigt, auch notwendig die eigene Einsetzung übersteigen.

Übersetzer: Matthias Perkams