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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Boethius, Anicius Manlius Severinus: Der Trost der Philosophie III Prosa 3. 8

Original:

Die Philosophie erklärt Boethius die unvollkommenen Güter und mahnt ihn, sein Verhältnis zu ihnen zu überdenken
[1] Considera ergo, an per ea, quibus se homines adepturos beatitudinem putant, ad destinatum finem valeant pervenire. [...] Primum igitur te ipsum, qui paulo ante divitiis affluebas, interrogo: Inter illas abundantissimas opes numquamne animum tuum concepta ex qualibet iniuria confudit anxietas? – Atqui, inquam, libero me fuisse animo, quin aliquid semper angerer, reminisci non queo. [...] –
[2] Ex quibus omnibus illud redigere in summam licet, quod haec, quae nec praestare, quod pollicentur, bona possunt nec omnium bonorum perfectione perfecta sunt, ea nec ad beatitudinem quasi quidam calles ferunt nec beatos ipsa perficiunt.

Quelle: Boethius, Anicius Manlius Severinus: Der Trost der Philosophie /Consolatio philosophiae (cons.) III Prosa 3. 8.
Edition: Boethius, De consolatione philosophiae. Opuscula theologica. Edidit C. Moreschini, München 2000.

Auslegung:

Dieser Text stellt die Reaktion auf die Unbeständigkeit des zufälligen Glücks aus Zitat Nummer 772 dar. Die Philosophie erinnert Boethius daran, dass er durch äußere Güter niemals glücklich geworden ist, und ermahnt ihn, sein Bemühen auf das langfristige Glück, die antike Eudaimonie zu richten (vgl. Zitat Nummer 171 aus Aristoteles’ Nikomachischer Ethik), die hier lateinisch als beatitudo übersetzt wird. Dieser an die ewige Seligkeit erinnernde Terminus unterscheidet sich merklich von der Übersetzung als „glückliches Leben“ (vita beata), den wir bei Seneca (Zitat Nummer 232) und auch noch in einem Werktitel des Augustinus finden. In jedem Fall wird Boethius dazu hingeführt, dieses wahre Glück und nicht das vergängliche der Gegenstand der Welt in den Blick zu nehmen.

Themen:

  • Glück
  • Wege des Ich
  • Eudaimonie
  • Fortuna
  • Glückseligkeit
  • Trost und Philosophie

[1] Erwäge nun, ob die Menschen durch das, wodurch sie Glück zu erreichen hoffen, zum festgesetzten Ziel zu gelangen vermögen. [...] Ich frage zuerst dich selbst, der du noch eben in Reichtum schwammst: Hat unter jenem Überfluss von Schätzen deinen Geist niemals Angst getrübt, die aus irgendeinem Unrecht erwuchs? – In der Tat, sagte ich, kann ich mich nicht erinnern, jemals so freien Geistes gewesen zu sein, dass mich nicht irgendeine Sorge geängstigt hätte. [...]
[2] Aus alledem dürfen wir zusammenfassend sagen: Das, was weder die Güter, die es verspricht, beschaffen kann, noch durch die Vereinigung aller Güter vollendet ist, führt weder als Weg zum Glück noch macht es die Menschen glücklich.

Übersetzer: Gothein/Gigon/Gegenschatz, leicht angepasst