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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Spinoza, Baruch de: Die Ethik, auf geometrische Weise geordnet I. Definitiones (p. 86f. = 1‒45f.)

Original:

Baruch de Spinoza beginnt das erste Buch seiner Ethik, indem er die vorausgesetzten Definitionen und Axiome angibt
Definitiones.
I. Per causam sui intelligo id, cuius essentia involvit existentiam; sive id, cuius natura non potest concipi, nisi existens. [...]
III. Per substantiam intelligo id, quod in se est, et per se concipitur. [...]
V. Per modum intelligo substantiae affectiones, sive id, quod in alio est, per quod etiam concipitur.
VI. Per Deum intelligo ens absolute infinitum, hoc est substantiam constantem infinitis attributis, quorum unumquodque aeternam, et infinitam essentiam exprimit. [...]
VII. Ea res libera dicitur, quae ex sola suae naturae necessitate existit, et a se sola ad agendum determinatur: Necessaria autem, vel potius coacta, quae ab alio determinatur ad existendum, et operandum certa, ac determinata ratione. [...]

Axiomata.
I. Omnia quae sunt, vel in se, vel in alio sunt.

Quelle: Spinoza, Baruch de: Die Ethik, auf geometrische Weise geordnet /Ethica more geometrico ordinata I. Definitiones (p. 86f. = 1‒45f.).
Edition: Spinoza, Baruch de. Tractatus De Intellectus Emendatione. Ethica/Abhandlung über Die Berichtigung des Verstandes. Ethik. Herausgegeben von K. Blumenstock. 4., unveränd. Aufl. Darmstadt: WBG 1989 (= Opera. lateinisch und deutsch, Band 2).

Auslegung:

Diese Sätze vom Beginn von Spinozas Ethik nach geometrischer Methode sind zunächst einmal aufschlussreich für den methodischen Charakter des Werks: Spinoza beginnt mit einer Reihe von Definitionen von Kernbegriffen und von Axiomen. Aus diesen Grundannahmen heraus, die als Voraussetzung verstanden werden, sollen dann im Folgenden die Lehrsätze des ersten Buches abgeleitet werden. Die weiteren Bücher erhalten dann weitere Definitionen und Axiome. Die von Spinoza genannten Definitionen bereiten ihrerseits sein eigenes Projekt vor: Das gilt etwa für die Definition der Substanz, die nicht nur ein relativ selbständiges Sein, sondern eine absolute Selbsterkennbarkeit beinhaltet, und die Definition von Freiheit als eine aus der (eigenen) Natur resultierenden Notwendigkeit, während anderes von etwas anderem her determiniert wird. Bei der Betonung allgemeiner Notwendigkeit zeigt sich womöglich ein Einfluss Ibn Sīnās (Zitat Nummer 454). Mit der „Ursache seiner selbst“ und der Betonung von Gottes „Unendlichkeit“ werden hingegen scholastische Bestimmungen, aufgenommen, z.B. von Duns Scotus (Zitat Nummer 822). Die Verarbeitung Spinozas ist jedoch höchst originell und systematisch von den abzuleitenden Konsequenzen her durchdacht.

Themen:

  • Freiheit (Vorlesung)
  • Gott und die Welt
  • Substanz
  • Ursachen, Arten von
  • Freiheit
  • Gott
  • Notwendigkeit
  • Unendlichkeit

Definitionen.
I. Unter Ursache seiner selbst verstehe ich das, dessen Sosein die Existenz in sich schließt, oder das, dessen Natur nicht anders als existierend begriffen werden kann. [...]
III. Unter Substanz verstehe ich das, was in sich ist und aus sich begriffen wird. [...]
V. Unter Modus verstehe ich die Affektionen der Substanz, oder das, was in einem andern ist, wodurch man es begreift.
VI. Unter Gott verstehe ich ein absolut unendliches Seiendes, d.h. eine Substanz, die aus unendlichen Attributen besteht, von denen jedes ein ewiges und unveränderliches Sosein ausdrückt. [...]
VII. Dasjenige Ding heißt frei, das aus der bloßen Notwendigkeit seiner Natur da ist und allein von sich zum Handeln bestimmt wird; notwendig aber, oder vielmehr gezwungen, dasjenige, was von einem andern bestimmt wird, auf gewisse und bestimmte Weise zu existieren und zu wirken. [...]

Axiome.
I. Alles was ist, ist entweder in sich oder in einem andern.


Übersetzer: Gebhardt, leicht geändert von Matthias Perkams