Original:
Spinoza begründet die notwendige Existenz Gottes
Propositio XI. Deus, sive substantia constans infinitis attributis, quorum unumquodque aeternam, et infinitam essentiam exprimit, necessario existit. [...]
Scholium. [...] Hoc tantum notare sufficit, me hic non loqui de rebus quae a causis externis fiunt, sed de solis substantiis, quae (per Prop. 6) a nulla causa externa produci possunt. Res enim, quae a causis externis fiunt [...], quicquid perfectionis, sive realitatis habent, id omne virtuti causae externae debetur. [...] Contra, quicquid substantia perfectionis habet, nulli causae externae debetur. [...] Perfectio igitur rei existentiam non tollit, sed contra ponit; imperfectio autem contra eandem tollit, adeoque de nullius rei existentia certiores esse possumus, quam de existentia Entis absolute infiniti, seu perfecti, hoc est Dei.
Quelle:
Spinoza, Baruch de:
Die Ethik, auf geometrische Weise geordnet
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Ethica more geometrico ordinata
I, Lehrsatz 11 (p. 98f.; 102f. = 7–51; 10–54).
Edition: Spinoza, Baruch de. Tractatus De Intellectus Emendatione. Ethica/Abhandlung über Die Berichtigung des Verstandes. Ethik. Herausgegeben von K. Blumenstock. 4., unveränd. Aufl. Darmstadt: WBG 1989 (= Opera. lateinisch und deutsch, Band 2).
Auslegung:
Hier folgert Spinoza aus den in Zitat Nummer 807 zusammengefassten Prämissen und früheren Lehrsätzen die Notwendigkeit Gottes. Dazu stellt er sowohl auf seinen in Zitat Nummer 807 zitierten Substanzbegriff ab, den er – im Unterschied zur aristotelischen Definition – als reine Selbstkonstitution, ohne äußere Ursachen, versteht. Eine Rolle spielt auch die auf Duns Scotus zurückgehende Annahme, dass Dinge mehr oder weniger viel Realität bzw. Vollkommenheit haben können (vgl. auch Zitat Nummer 805 von Descartes). Diese letztlich auf neuplatonische Seinshierarchien zurückgehende Formulierung wird von Spinoza aber recht klar gefasst, wenn er sie mit dem Gedanken der Existenz oder Nichtexistenz verbindet. Der Gedanke, dass ein Höchstmaß an Vollkommenheit Nicht-Existenz ausschließt, entstammt dabei der Tradition des ontologischen Gottesbeweises bei Anselm von Canterbury (Zitat Nummer 81) und Descartes, wobei die konkrete Formulierung die Unterscheidung von Essenz und Existenz nach Avicenna voraussetzt (Zitat Nummer 86). Damit erweist sich eine vermeintlich strikt logische Ableitung als eine Fundgrube philosophiehistorischer Bezüge, die von Spinoza gekonnt im Sinne seiner eigenen Interesssen zusammengestellt werden.
Themen:
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Existenz
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Gott und die Welt
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Freiheit (Vorlesung)
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Essenz/Existenz
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Kausalität
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Notwendigkeit
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Substanz
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Ursachen, Arten von
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Vollkommenheit