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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Proklos : Theologische Elementarlehre Proposition 1

Original:

Proklos erläutert die Struktur des neuplatonischen Kosmos in seiner ,Theologischen Elementarlehre‘, die von Anfang an, in Anlehnung an die euklidische Mathematik, dem Schema von These und Begründung folgt
(1) Πᾶν πλῆθος μετέχει πῃ τοῦ ἑνός.
(a) εἰ γὰρ μηδαμῇ μετέχοι, οὔτε τὸ ὅλον ἓν ἔσται οὔθ’ ἕκαστον τῶν πολλῶν ἐξ ὧν τὸ πλῆθος, ἀλλ’ ἔσται καὶ ἐκείνων ἕκαστον πλῆθος, καὶ τοῦτο εἰς ἄπειρον, καὶ τῶν ἀπείρων τούτων ἕκαστον ἔσται πάλιν πλῆθος ἄπειρον.
(b) μηδενὸς γὰρ ἑνὸς μηδαμῇ μετέχον μήτε καθ’ ὅλον ἑαυτὸ μήτε καθ’ ἕκαστον τῶν ἐν αὐτῷ, πάντῃ ἄπειρον ἔσται καὶ κατὰ πᾶν.
(c) τῶν γὰρ πολλῶν ἕκαστον, ὅπερ ἂν λάβῃς, ἤτοι ἓν ἔσται ἢ οὐχ ἕν· καὶ εἰ οὐχ ἕν, ἤτοι πολλὰ ἢ οὐδέν. ἀλλ’ εἰ μὲν ἕκαστον οὐδέν, καὶ τὸ ἐκ τούτων οὐδέν· εἰ δὲ πολλά, ἐξ ἀπειράκις ἀπείρων ἕκαστον. ταῦτα δὲ ἀδύνατα. […].

Quelle: Proklos : Theologische Elementarlehre /Elementatio theologica (el. theol.) Proposition 1.
Edition: Proclus, ›The Elements of Theology‹. A Revised Text with Translation, Introduction and Commentary by E. R. Dodds, Oxford 1964 = Proklos, ›Theologische Grundlegung‹. Griechisch – Deutsch. Übersetzt und mit einer Einleitung sowie einem durchgängigen erläuternden Kommentar versehen von E.-O. Onnasch / B. Schomakers (Philosophische Bibliothek 562), Hamburg 2015.

Auslegung:

Der vorliegende Text ist die erste Proposition aus der so genannten ,Theologischen Elementarlehre‘ (Στοιχειώσις θεολογική/Stoicheiōsis theologikē) des Neuplatonikers Proklos (412-485). Bei Proklos hat das neuplatonische Denksystem eine noch wesentlich größere Komplexität angenommen als bei Plotin, unter anderem wegen des Ziels, auch die griechische Götterwelt, in Konkurrenz zum Christentum, innerhalb dieses philosophischen Systems zu erklären. Auf diese Komplexität reagiert Proklos unter anderem damit, dass er die Grundbegriffe des neuplatonischen Systems in Form von Ableitungen darstellt, in denen auf jeden Lehrsatz eine Begründung folgt.
Die hier vorliegende erste Proposition behandelt den neuplatonischen Kernbegriff des Einen und soll zeigen, dass jedes Element der wirklich insofern vom Einen abhängig sein bzw. – in platonischer Terminologie – an ihm teilhaben muss, als es nur auf diese Weise selbst ein abgegrenzter Teil der Wirklichkeit, also in bestimmter Weise Eines sein kann. Nachdem die Teile (a) und (b) dies anhand des Begriffs der Teilhabe selbst zeigen, geht Teil (c) von der Differenz von Eins-Sein und Nicht-Eins-Sein aus. Beide Teile argumentieren letztlich damit, dass es absurd ist anzunehmen, etwas sei nicht eines, da es dann nur unendlich Vieles verschiedene gäbe, das in keiner Weise kategorisier- und verstehbar wäre.

Themen:

  • Das Eine
  • Neuplatonismus
  • Platonismus
  • Antike Philosophie II

1. Jede Menge hat irgendwie am Einen teil.
(a) Denn wenn sie auf keine Weise daran teilhätte, wird weder das Ganze eines sein noch irgendetwas von dem Vielen. Vielmehr wird auch jedes Einzelne von diesem eine Menge sein, und dies bis ins Unendliche. Und von diesem Unendlichen wird wiederum jedes Einzelne eine unendliche Menge sein.
(b) Denn was auf keine Weise an irgendeinem Einen teilhat, weder selbst in Bezug auf das Ganze, noch in Bezug auf jedes Einzelne von dem, was in ihm ist, das wird schlichtweg unendlich sein und in jeder Hinsicht.
(c) Denn jedes Einzelne von dem Vielen, was Du auch immer nehmen wirst, wird entweder eines sein oder nicht eines. Und wenn es nicht eines ist, ist es entweder vieles oder nichts. Aber wenn das Einzelne nichts ist, ist auch das daraus Bestehende nichts. Wenn es aber Vieles ist, dann besteht jedes Einzelne aus unendlich vielem Unendlichen. Das ist aber unmöglich.

Übersetzer: Matthias Perkams