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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Gregor von Nyssa: Über die Seele und die Auferstehung (p. 12 Migne/p. 83 Spira)

Original:

Gregor von Nyssa (ca. 335/40-394), einer der besten Philosophen unter den griechischen Kirchenvätern, erläutert den Anlass seines Dialogs mit seiner Schwester Makrina
a) Βασίλειος, καὶ κοινὴ πένθους ἀφορμὴ ταῖς Ἐκκλησίαις ἐγένετο, περιῆν δὲ ἔτι τῷ βίῳ ἡ ἀδελφὴ καὶ διδάσκαλος, ἐγὼ μὲν ᾔειν κατὰ σπουδὴν κοινωνήσων ἐκείνῃ τῆς ἐπὶ τῷ ἀδελφῷ συμφορᾶς. Καί μοι περιώδυνος ἦν ἡ ψυχὴ, πρὸς τοιαύτην ζημίαν ὑπεραλγοῦσα, καί τινα τῶν δακρύων κοινωνὸν ἐπεζήτουν τὸν ἶσον ἔχοντά μοι τῆς λύπης ἄχθος.
b) Ὡς δὲ ἐν ὀφθαλμοῖς ἦμεν ἀλλήλων, ἐμοὶ μὲν ἀνεκίνει τὸ πάθος προφανεῖσα τοῖς ὀφθαλμοῖς ἡ διδάσκαλος· καὶ γὰρ ἤδη καὶ αὐτὴ τῇ πρὸς θάνατον ἀῤῥωστίᾳ συνείχετο. Ἡ δὲ κατὰ τοὺς τῆς ἱππικῆς ἐπιστήμονας ἐνδοῦσά μοι πρὸς ὀλίγον παρενεχθῆναι τῇ ῥύμῃ τοῦ πάθους, ἀναστομοῦν ἐπεχείρει μετὰ ταῦτα τῷ λόγῳ, καθάπερ χαλινῷ τινι τῷ ἰδίῳ λογισμῷ τὸ ἀτακτοῦν τῆς ψυχῆς ἀπευθύνουσα, καὶ ἦν αὐτῇ τὸ ἀποστολικὸν λόγιον προφερόμενον, τὸ μὴ δεῖν ἐπὶ τῶν κεκοιμημένων λυπεῖσθαι· μόνων γὰρ τοῦτο τῶν οὐκ ἐχόντων ἐλπίδα τὸ πάθος εἶναι.

Quelle: Gregor von Nyssa: Über die Seele und die Auferstehung /Περὶ ψυχῆς καὶ ἀναστάσεως /De anima et resurrectione (anim. et res.) (p. 12 Migne/p. 83 Spira).
Edition: Gregorius Nyssenus, De anima et resurrectione: Gregorii Nysseni De anima et resurrectione. Edidit A. Spira. Post mortem editoris praefationem accurate composuit E. Mühlenberg (GNO 3, 3), Leiden / Boston 2014.

Auslegung:

Der Text stellt die Einführung zu Gregor von Nyssas Dialog ,Über die Seele und die Auferstehung‘ dar. Der christliche Text steht in der Tradition antiker Trostschriften, und die weibliche Lehrerinnenfigur stellt eine interessante Parallele zu Boethius‘ Trost der Philosophie dar (vgl. Zitat Nummer 302). Die eigene philosophische Perspektive des Textes zeigt sich darin, dass die theoretische Beschreibung der Unsterblichkeit der Seele für Gregor ein philosophisches Problem ist, zumal nicht erkennbar ist, was die Seele nach dem Tode ist. Das Problem ist für ihn dadurch gegenüber dem Platonismus verschärft, dass er als Christ an die Auferstehung der Toten glaubt. Wie aber soll eine unkörperliche Seele, wenn sie den Körper einmal verlassen hat und dieser nur noch ein Leichnam ist, mit ihm auferstehen können? Diese Problem wird durch die Erwähnung der Andersartigkeit der Elemente im Vergleich zur Seele am Ende des Textes kurz angesprochen.

(Basileios der Große (ca. 330-379), Gregors und Makrinas älterer Bruder, und seinerseits einer der bedeutendsten Kirchenväter; Gregors Lehrer in den weltlichen Wissenschaften.)

Themen:

  • Tod und Sterben
  • Auferstehung
  • Christentum und Philosophie
  • Frauen in der Philosophie
  • Kappadokier
  • Seele
  • Trost und Philosophie
  • Unsterblichkeit der Seele

a) Als der unter den Heiligen große Basileios das menschliche Leben zu Gott hin verließ und den Kirchen ein allgemeiner Ansturm der Trauer zustieß, aber die Schwester und Lehrerin noch im Leben zugegen war, da ging ich eifrig zu ihr, um mit ihr zusammen zu sein angesichts des Unglücks, das den Bruder betraf; und schmerzbeladen war mir die Seele, überreich an Leid wegen dieses großen Verlustes, und ich suchte einen Gefährten der Tränen, der dieselbe Last der Trauer trug wie ich.
b) Als wir einander vor Augen standen, da wärmte mir die Lehrerin, als sie vor den Augen erschien, das Leiden auf, denn auch sie wurde schon von der Schwäche zum Tode hingehalten. Sie aber, die mir, auf die Weise der Meister der Reitkunst, eingegeben hatte, ein wenig von der Wucht des Leides fortgetragen zu werden, ging danach daran, dies zu begrenzen, indem sie mit dem Wort, wie mit einem Zügel, durch das eigene Nachdenken das Ungeordnete der Seele wiederherstellte, und von ihr wurde das Apostelwort vorgebracht, man brauche nicht über die Entschlafenen zu trauern, denn dieses Leiden passe nur zu denen, die keine Hoffnung haben.

Übersetzer: N.N.