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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Johannes Philoponos : Kommentar zu Aristoteles’ „Über die Seele“ p. 12, 34-13, 17

Original:

Philoponos argumentiert für die Unkörperlichkeit der Seele von der Sinneswahrnehmung her
ἡ ἐσχάτη τῶν γνωστικῶν τῆς ψυχῆς δυνάμεων ἡ αἴσθησις […]. εἰ τοίνυν ἡ ἐσχάτη ἀσώματος, πολλῷ μᾶλλον αἱ κρείττους. […] οὐδέν, φησίν, σῶμα ἐν τῷ αὐτῷ χρόνῳ κατὰ τὸ αὐτὸ μόριον τῶν ἐναντίων ἐστὶν ἀντιληπτικόν […]. ἡ δὲ αἴσθησις ἅμα ἐν τῷ αὐτῷ χρόνῳ τῶν ἐναντίων ἀντιλαμβάνεται […]. πῶς οὖν ἀντιλαμβάνεται ἐν τῷ αὐτῷ χρόνῳ τῶν ἐναντίων ἡ ὄψις; πότερον κατὰ τὸ αὐτὸ μόριον ἢ καθ’ ἕτερον μὲν τοῦ μέλανος, καθ’ ἕτερον δὲ τοῦ λευκοῦ; […] δεῖ γὰρ τὸ κρῖνον ἓν καὶ τὸ αὐτὸ εἶναι. […] ἡ δὲ αἴσθησις […] ἀμερῶς ἄρα προσβάλλει, καὶ διὰ τοῦτο […] ἀσώματος.

Quelle: Johannes Philoponos : Kommentar zu Aristoteles’ „Über die Seele“ /In Aristotelis de Anima libros commentaria (in de An.) p. 12, 34-13, 17.
Edition: Edition: Ioannis Philoponi in Aristotelis De anima libros [I-II] commentaria, edidit M. Hayduck (CAG 15), Berlin 1897, 1-445.

Auslegung:

Dieses Argument des Philoponos für die Unkörperlichkeit der Seele (vgl. auch Zitat Nummer 938) beginnt mit einem tanto maius- (umso mehr-)-Formulierung: Wenn sich schon für ein relativ körpernahes Vermögen wie die Sinneswahrnehmung plausibel machen lässt, dass sie nicht körperlich sein kann, dann muss das umso mehr für die Rationalität gelten, die weniger körpernah ist. Das Argument setzt voraus, dass ich bereits auf der Ebene des Einzelsinns unterschiedliche Sinnesobjekte, z.B. Schwarz und Weiß, gleichzeitig erkennen und unterscheiden kann. Diese Unterscheidung muss also, wie schon Aristoteles betont (Zitat Nummer 975), in der Sinneswahrnehmung selbst und nicht in einem anderen Vermögen stattfinden. Des Weiteren geht das Argument davon aus, dass die gleichzeitige Auffassung zweier unterschiedlicher Objekte nicht auf körperliche Weise vonstatten gehen kann, weil beide Objekte dann entweder an zwei verschiedenen Orten oder am selben sein müssten. Im ersten Fall wäre unklar, wie sie verglichen werden könnten, im zweiten würden sie sich gegenseitig beeinflussen. Daher müsste ihr Vergleich auf unkörperliche Weise geschehen. – Es handelt sich wohl um ein, im Vergleich zu Philoponos, deutlich älteres anti-stoisches Argument, das einen Einwand gegen die stoische These formuliert, dass die ganze Wirklichkeit, inklusive der Seele, körperlich sei (Zitat Nummer 157). Die darin aufgeworfene Frage, wie die komplexen Erkenntnisleistungen von Lebewesen zu erklären sind, die nicht den beobachtbaren Regeln der Körperwelt unterfallen, bildet bis heute eine Herausforderung für die Philosophie des Geistes.

Themen:

  • Mensch und Seele
  • Körper
  • Körper und Seele
  • Seele
  • Sinne(swahrnehmung)

Das niedrigste der Erkenntnisvermögen der Seele ist die Sinneswahrnehmung […]. Wenn nun das niedrigste unkörperlich ist, umso mehr die höheren. […] Aristoteles sagt, dass kein Körper gleichzeitig mit dem gleichen Teil Gegensätzliches auffassen kann. […] Die Sinneswahrnehmung fasst aber Gegenteiliges gleichzeitig auf. […] Wie nun fasst das Sehvermögen gleichzeitig Gegenteiliges auf? Mit dem gleichen Teil, oder mit einem anderen das Schwarze, mit einem anderen das Weiße? […] Das Urteilende muss ja nun Eines und dasselbe sein. […] Die Sinneswahrnehmung greift also ohne Teile zu, und ist deswegen […] unkörperlich.

Übersetzer: Matthias Perkams