Perkams-Zitatenschatz.de

Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Johannes Philoponos : Kommentar zu Aristoteles’ „Über die Seele“ (p. 9, 21-10, 3 und 12, 10-12 Hayduck)

Original:

Johannes Philoponos gibt einen Überblick über den antiken Diskussionsstand zur Frage nach der Abtrennbarkeit aus neuplatonischer Perspektive
[1] καὶ τῶν ἀχώριστον λεγόντων οἱ μὲν ἔλεγον τὸν λόγον εἶναι τῆς κράσεως, οἷον ὅτι, ἐὰν διπλάσιον πῦρ μιχθῇ τῷ ὕδατι […] ἤ τι τοιοῦτον, ποιεῖ τὴν ψυχήν […]· οἱ δὲ αὐτὴν τὴν κρᾶσιν, οἱ δὲ ἐντελέχειαν· ἐντελέχεια δέ ἐστιν ἡ τελειότης καὶ τὸ εἶδος τοῦ ὑποκειμένου. […]
[2] τῶν δὲ χωριστὴν εἰρηκότων οἱ μὲν πᾶσαν ψυχὴν χωριστὴν σώματος εἰρήκασι, καὶ τὴν λογικὴν καὶ τὴν ἄλογον καὶ τὴν φυτική, οἷος ἦν Νουμήνιος πλανηθεὶς ἀπό τινων ῥησειδίων Πλάτωνος εἰπόντος ἐν Φαίδρῳ “πᾶσα ψυχὴ ἀθάνατος”, σαφῶς ἐκεῖ περὶ τῆς ἀνθρωπίνης τὸν λόγον ποιουμένου· […] οἱ δὲ πᾶσαν ἀχώριστον καὶ διὰ τοῦτο θνητήν, ὧν ἐστιν Ἀλέξανδρος ὁ Ἀφροδισιεύς […]
[3] καὶ Πλάτωνι καὶ Ἀριστοτέλει δοκεῖ μήτε πᾶσαν ψυχὴν χωριστὴν σώματος εἶναι μήτε πᾶσαν ἀχώριστον, ἀλλὰ τὴν μὲν λογικὴν χωριστήν, ἀχώριστον δὲ τὴν λοιπήν.

Quelle: Johannes Philoponos : Kommentar zu Aristoteles’ „Über die Seele“ /In Aristotelis de Anima libros commentaria (in de An.) (p. 9, 21-10, 3 und 12, 10-12 Hayduck).
Edition: Ioannis Philoponi in Aristotelis De anima libros [I-II] commentaria, edidit M. Hayduck (CAG 15), Berlin 1897, 1-445.

Auslegung:

Dieser Text aus der Einleitung von Philoponos’ Kommentar zu Aristoteles’ Schrift „Über die Seele“ (De anima), gibt eine schematische Grobübersicht über verschiedene Positionen antiker Philosophen zur Seelenlehre. Derartige Überblicksdarstellungen, die in der modernen Forschung „Doxographien“ (Darstellungen von Meinungen) genannt werden, sind aus der Antike in großer Zahl überliefert. Sie beruhen meistens auf älteren Überblicksdarstellungen von ähnlicher Art, nicht auf eigener Originallektüre der zitierten Texte. Es handelt sich um typische „Handbuchliteratur“, die einzelne Aussagen aus ihrem Originalkontext löst und thematisch neu ordnet. Die genaue Formulierung der Themen hängt dabei mit dem Standpunkt des Verfassers zusammen. Hier wird als wichtigste Frage, die nach der Unkörperlichkeit der Seele präsentiert. Das entspricht dem neuplatonischen Standpunkt von Philoponos’ Lehrer Ammonios, auf dessen Vorlesungen dieser Kommentar basiert: Für die Neuplatoniker war es sowohl wichtig, die platonische Antwort auf das Problem zu verteidigen – in diesem Fall die Unkörperlichkeit der Seele – als auch die These der Einheit der platonischen und aristotelischen Lehre zu diesem Punkt. Daher wird in Punkt [3] die Harmonie von Platon und Aristoteles betont, während Punkt [2] ein mögliches Missverständnis von Platons Phaidros ausschließt.

Themen:

  • Mensch und Seele
  • Aristoteles
  • Feuer
  • Körper
  • Körper und Seele
  • Platon
  • Seele
  • Wasser
  • Doxographie
  • Elemente (die vier Elemente)
  • Mischung (der Elemente)
  • Vegetative Seele (Pflanzen-/Nährseele)
  • Seele (nicht rationale)

[1] Und von denen, die [die Seele] nicht abtrennbar nannten, sagten manche, sie sei das Verhältnis der Mischung [der Elemente], wie zum Beispiel: Wenn doppelt so viel Feuer mit Wasser vermischt wird […] oder etwas derartiges, macht das die Seele. […] Andere aber [sagten, sie sei] die Mischung selbst, andere, eine Entelechie. Entelechie aber ist die Vollendung, das heißt die Form für das Zugrundeliegende.
[2] Von denen, die behaupteten, sie sei abtrennbar, sagten manche, die gesamte Seele sei abtrennbar, die rationale, die nicht rationale und die pflanzliche, zum Beispiel [der Mittelplatoniker] Numenios [2. Jhdt. n. Chr.], durch einige Aussagen Platons getäuscht, der im Phaidros sagt "jede Seele ist unsterblich" [245c], wobei er dort gewiss ein Argument über die menschliche Seele entfaltet. […] Die anderen aber [sagten, jede sei] nicht abtrennbar und deswegen sterblich, wie [der Aristoteliker] Alexander von Aphrodisias [um 200 n. Chr.]. […]
[3] Sowohl Platon als auch Aristoteles scheint es so, dass weder jede Seele vom Körper abtrennbar sei, noch jede nicht abtrennbar, sondern die rationale abtrennbar, die übrige aber nicht abtrennbar.

Übersetzer: Matthias Perkams