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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Johannes Philoponos : Kommentar zu Aristoteles’ „Über die Seele“ II (p. 289 und 297 Hayduck)

Original:

Johannes Philoponos möchte als Neuplatoniker die seelische Aktivität nicht bloß als Erleiden verstehen und definiert sie daher neu
[1] ἡ αἴσθησις ἐν τῇ τῶν αἰσθητῶν ἀντιλήψει […] ἀλλοιοῦσθαι δοκεῖ· εἰ δὲ ἀλλοιοῦται, καὶ πάσχει· πάθος γὰρ ἡ ἀλλοίωσις· […] οὐχ ὡς αὐτῷ δὲ δοκοῦντα ταῦτα λέγει τὸ τὴν αἴσθησιν ἀλλοιοῦσθαι καὶ πάσχειν […]. Δείξει γὰρ προϊὼν πῶς ἕκαστον τούτων ἐπὶ ψυχῆς λέγεται, ὅτι οὐ κυρίως οὔτε ἀλλοιοῦσθαι οὔτε πάσχειν λέγεται ἡ αἴσθησις. […]
[2] ἔστι τῷ ὄντι τελεία ἐνέργεια ἡ ἀθρόα προβολὴ τῆς ἕξεως ἡ μὴ συμπροϊοῦσα τῇ κινήσει τοῦ χρόνου, ἀλλὰ κατὰ πᾶν μέρος αὐτοῦ ὁμοίως ἔχουσα, οἵα ἐστὶν ἡ τοῦ φωτὸς προβολή· ἅμα γὰρ τῷ φανῆναι τὸ φωτιστικὸν ἀθρόον πᾶν τὸ ἐπιτήδειον καταλάμπεται […]. Τοιαύτη ἐστὶ καὶ ἡ τῆς αἰσθήσεως ἐνέργεια· ἅμα γὰρ τῷ ἀναβλέψαι ἀχρόνως τῶν αἰσθητῶν ἀντιλαμβανόμεθα· ὅθεν οὐδέ φησι κινεῖσθαι τὰς αἰσθήσεις, ἀλλ’ ἐνεργεῖν. […] διὸ καὶ περὶ τῶν θείων εἶπεν ὅτι ἄνευ δυνάμεως ἐνέργειαί εἰσι. […] τὸ μὲν […] πάσχον καὶ κινεῖταί πως· οὐκ ἄνευ γὰρ κινήσεως τὸ πάθος· τὸ κινούμενον δὲ οὐ πάντως καὶ πάσχει· οὐ γὰρ δὴ πάθος καὶ ἡ κατὰ τόπον κίνησις. τὸ γὰρ πάσχειν πρὸς τὸ ποιεῖν λέγεται, ποιεῖν δέ ἐστι τὸ κατὰ ποιότητα μεταβάλλειν.

Quelle: Johannes Philoponos : Kommentar zu Aristoteles’ „Über die Seele“ /In Aristotelis de Anima libros commentaria (in de An.) II (p. 289 und 297 Hayduck).
Edition: Ioannis Philoponi in Aristotelis De anima libros [I-II] commentaria, edidit M. Hayduck (CAG 15), Berlin 1897, 1-445.

Auslegung:

Philoponos gibt hier eine typisch neuplatonische Auslegung von Aristoteles’ Erklärung der Entstehung von Sinneswahrnehmung (Zitat Nummer 967). Das Hauptziel seiner Auslegung besteht darin, Aristoteles’ Behauptung zu entschärfen, die Seele „erleide“ bei der Sinneswahrnehmung etwas durch körperliche Objekte. Diese Idee ist im Neuplatonismus systemwidrig, da hier nur seelische Vermögen Aktivität auf (ontologisch niedriger stehende) körperliche Vermögen ausüben können, und nicht umgekehrt. Daher behauptet Philoponos in Absatz [1], das Erleiden durch äußere Objekte sei gar nicht Aristoteles’ Meinung. In Absatz [2] entwickelt er eine eigene Theorie der Entstehung von Sinneswahrnehmung, der zufolge die Sinneswahrnehmung spontan aktiv werde und Erkenntnisgehalte hervorbringe, sobald in ihrem Umfeld eine entsprechende körperliche Veränderung auftrete – die aber selbst auch kein Erleiden sei, da dieses anders zu definieren sei als eine körperliche Veränderung. So bleibt in den Augen des Neuplatonikers die Übereinstimmung des Aristoteles mit der Wahrheit der Sache gewahrt, ohne dass dessen eigene Theorien dabei ernstgenommen würden.

Themen:

  • Mensch und Seele
  • Körper und Seele
  • Neuplatonismus
  • Seele (nicht rationale)
  • Sinne(swahrnehmung)
  • Erleiden/Affiziert-Werden

[1] Die Sinneswahrnehmung scheint in der Wahrnehmung der Sinnesobjekte verändert zu werden […]. Wenn sie aber verändert wird, erleidet sie auch, denn die Veränderung ist ein Erleiden. […] Aristoteles sagt nicht als seine Ansicht, dass die Sinneswahrnehmung verändert werde und erleide. […] Er wird nämlich zeigen, wenn er darlegt, wie all das über die Seele gesagt wird, dass weder im eigentlichen Sinn gesagt wird, sie verändere sich, noch sie erleide. […]
[2] Die wahrhaft vollendete Aktivität ist das Hervorbringen des Habitus auf einen Schlag, das nicht zusammen mit der Bewegung der Zeit auftritt, sondern sich für jeden Teil gleich verhält. So ist das Hervorbringen des Lichts. Denn gleichzeitig mit dem Erscheinen des Erleuchtenden wird auf einen Schlag jedes Geeignete erleuchtet. […] Das Erleidende […] wird auch irgendwie bewegt, denn das Erleiden geschieht nicht ohne Bewegung. Das Bewegte aber erleidet dabei überhaupt nicht. Denn gewiss ist auch die Ortsbewegung kein Erleiden. Das Erleiden wird nämlich im Verhältnis zum Tun gesagt, das Tun ist aber eine Veränderung der Qualität nach.

Übersetzer: Matthias Perkams