Original:
Ibn Sīnā ergänzt den Gemeinsinn und die Formen des Vorstellens weiter und fasst sie zur Gruppe der fünf inneren Sinne zusammen
[1] ثم قد نعلم في طبيعتنا أن نركب المحسوسات بعضها إلى بعض وأن نفصل بعضها عن بعض لا على الصورة التي وجدناها عليها من خارج (...) فيجب أن يكون فينا قوة نفعل ذلك بها‘ ألتي تسمى إذا استعملها العقل مفكرة وإذا استعملتها فوة حيوانية متخيلة‘
[2] ثم إنا نحكم في المحسوسات بمعان لا نحسها إما أن لا تكون في طبائعها محسوسة البتة (...) فمثل العداوة والرداءة والمنافرة التي تدركها الشاة في صورة الذئب وبالجملة المعنى الدي ينفرها عنه‘ والموافقة التي تدركها من صاحبها‘ (...) وهذه أمور تدركها النفس الحيوانية والحس لا يدلها على شيء منها‘ فإذن القوة التي بها تدرك قوة أخرى‘ ولتسم الوهم.
Quelle:
Ibn Sīnā (Avicenna):
Die Seele (Buch der Genesung)
/
An-Nafs (Kitāb-aš-Šifāʾ)
IV 1 (p. 165f. Rahman).
Edition: Avicenna's De Anima (arabic text). Being the psychological part of Kitāb al-shifāʾ. ed. by Fazlur Rahman, London u. a. 1959.
Auslegung:
Dieser Text fasst einige Kernaussagen Ibn Sīnās zu den inneren Sinnen zusammen, die er als eigene Gruppe von Vermögen zwischen den Einzelsinnen und dem Denken ansetzt (vgl. Zitat Nummer 946). In Punkt [1] weist er darauf hin, dass die Annahme solcher Vermögen aufgrund der Komplexität unserer Sinneswahrnehmung nötig ist. Denn wir können durch die Klassifizierung von Sinneseindrücken Wahrnehmungen in komplexer Weise beurteilen und einzelnen Objekten zuweisen; das wird seit Aristoteles (
De anima III 2) dem so genannten Gemeinsinn zugeschrieben. – Weiterhin können wir verschiedene erinnerte Sinneseindrücke zu Vorstellungen neu zusammensetzen (vgl. schon Stephanos in Zitat Nummer 980). Daher muss man das Vorstellungsvermögen als Leitvermögen der Erkenntnis von Tieren ansetzen, während man für ähnliche Leistungen beim Menschen von einer „Denkkraft“ sprechen kann. – Noch bekannter ist Text [2]: Hier spricht Ibn Sīnā von „Intentionen“ und meint damit Elemente der Wahrnehmung, die aufgefasst werden können, obwohl sie eigentlich keine Wahrnehmungsobjekt sind. Sie können also irgendwie wahrgenommen werden, ohne gehört, gesehen, ertastet usw. werden zu können. Gemeint sind, wie Ibn Sīnās Beispiel verdeutlicht, insbesondere Verhältnisse wie Kameradschaft, Freundschaft und Liebe, aber auf Feindschaft und Gefahr. So meint Ibn Sīnā, dass das Schaf das Gefährliche am Wolf erkennen kann, ohne je gelernt zu haben, dass ein Wolf gefährlich ist und ohne dieses Gefährliche eigentlich zu sehen. Derartige instinktgestützten Erkenntnisse weist er der so genannten Einschätzungskraft (
al-wahm) zu, die für ihn das höchste aller sinnlichen Vermögen darstellt (vgl. auch Zitat Nummer 946). – Insgesamt nimmt Ibn Sīnā so fünf innere Sinne an: Gemeinsinn, Erinnerung, Vorstellung, Phantasia, Einschätzen (vgl. Zitat Nummer 985), die die genannten Leistungen entweder erbringen oder sie gedächtnismäßig aufbewahren.
Themen:
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Arabisch-islamische Philosophie
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Mensch und Seele
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Einschätzungsvermögen (al-wahm/aestimatio)
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Phantasia/imaginatio
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Psychologie (philosophische)
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Seele
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Seelenlehre (Psychologie)
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Sinne (innere)
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Sinne(swahrnehmung)
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Tiere (Intelligenz von)