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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Ibn Rušd (Averroes): Großer Kommentar zu Aristoteles‘ De anima III 6 (p. 415, 59-61; 416, 75-78 Crawford)

Original:

Ibn Rušd (Averroes) diskutiert in seinem Großen Kommentar zu De anima das so genannte Denkvermögen
Virtus cogitativa apud Aristotelem [in libro De sensu et sensato] est virtus distinctive individualis, scilicet quod non distinguit aliquid nisi individualiter, non universaliter. […] Licet igitur homo proprie habeat virtutem cogitativam, tamen hoc non facit hanc virtutem esse rationabilem distinctivam; illa enim distinguit intentiones universales, non individuales.

Quelle: Ibn Rušd (Averroes): Großer Kommentar zu Aristoteles‘ De anima III 6 (p. 415, 59-61; 416, 75-78 Crawford).
Edition: Averroes, Commentarium magnum in Aristotelis De anima. Rec. F. Stuart Crawford, Cambridge 1953.

Auslegung:

Ibn Rušd äußert sich hier genauer zu dem menschlichen Vermögen, das auf individuelle Weise das Denken des universalen Intellekts realisiert. Sonst nennt er dies auch „Vorstellung“, was wohl als allgemeinerer Ausdruck zu verstehen ist. Hier spricht er konkreter vom „Denkvermögen“, das laut Ibn Sīnā (Zitat Nummer 981) eine besondere Form des menschlichen Einschätzungsvermögens, des höchsten der inneren Sinne, ist. Auch Ibn Rušd hält daran fest, dass dieses Vermögen der sinnlichen Seele angehört, da er ja den Intellekt, wie Ibn Sīnā, auf strikt universale Vermögen beschränkt. Allerdings ist doch deutlich, dass dieses Denkvermögen im menschlichen Individuum als dessen höchstes eigenes Vermögen eine bedeutende Rolle einnimmt.

Themen:

  • Arabisch-islamische Philosophie
  • Mensch und Seele
  • Einschätzungsvermögen (al-wahm/aestimatio)
  • Psychologie (philosophische)
  • Seele
  • Seelenvermögen
  • Sinne (innere)

Das Denkvermögen ist bei Aristoteles eine individuell unterscheidende Kraft, insofern nämlich, als sie etwas nicht anders als individuell unterscheidet, nicht universell. […] Obwohl der Mensch also streng genommen ein Denkvermögen hat, impliziert das nicht, dass diese Kraft eine rationale Unterscheidungskraft ist. Die nämlich unterscheidet universale, keine individuellen Intentionen.


Übersetzer: Matthias Perkams