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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Ibn Sīnā (Avicenna): Die Seele (Buch der Genesung) V 4 (p. 231f. Rahman)

Original:

Ibn Sῖnā begründet die Unzerstörbarkeit der Seele als solcher
(1) وأقول أيضا إن سببا آخر لا يعدم النفس البتة‘ (...) فنقول إن الأشياء المركبة والأشياء البسيطة التي هي قائمة في المركبة يجوز أن يجتمع فيها فعل أن تبقى وقوة أن تفسد‘ وفي الأشياء البسيطة المفارقة الذات لا يجوز أن يجتمع هذان الأمران‘ (...)
(2) فإن كانت النفس بسيطة مطلقة لم تنقسم إلى مادة وصورة‘ وإن كانت مركبة فلنترك المركب ولننظر في جوهر الذي هو مادته ولنصرف القول إلى نفس مادته ولنتكلم فيها‘ فنقول أن المادة إما أن تنقسم هكذا دائما (...) وهذا محال‘ وإما أن لا يبطل شيء الذي هو الجوهر والسنخ‘ (...) وهو الدي نسميه النفس‘ (...) فبين إذا أن جوهر النفس ليس فيه قوة أن يفسد‘


Quelle: Ibn Sīnā (Avicenna): Die Seele (Buch der Genesung) /An-Nafs (Kitāb-aš-Šifāʾ) V 4 (p. 231f. Rahman).
Edition: Avicenna's De Anima (arabic text). Being the psychological part of Kitāb al-shifāʾ. ed. by Fazlur Rahman, London u. a. 1959.

Auslegung:

Hier folgt nun Ibn Sīnās Beweis für die Unsterblichkeit der Seele, der in Zitat Nummer 996 vorbereitet wurde. Die grundsätzliche Prämisse lautet in [1]: Etwas, was nicht irgendwie zusammengesetzt und schlechthin einfach ist, kann nicht zerstört werden. Für die Seele gilt aber laut [2], wenn man sie unabhängig von ihrer körperlichen Existenz betrachtet: Im Kern ihres Seins als schöpferischer Intellekt ist sie schlechthin einfach (vgl. Zitat Nummer 991 [2]). Das ist die zweite Prämisse, aus der in Verbindung mit der ersten die folgende Konklusion folgt: Die Seele kann nicht zerstört werden. Avicenna zieht diesen Schluss aber erst ganz am Ende von [2], denn vorher diskutiert er noch ein weiteres mögliches Gegenargument zur zweiten Prämisse: Es könnte doch jemand sagen, die Seele sei deswegen nicht einfach, weil sie eine unendlich teilbare Materie habe (da es ja viele Einzelseelen gebe). Ibn Sīnā erwidert: Dieser Punkt betreffe aber nicht die Seelensubstanz an sich, die ganz unkörperlich und sie selbst sei. Das hat er unter anderem schon zu Beginn seiner Schrift für die Seele mit dem Argument vom fliegenden Menschen begründet (Zitat Nummer 456). Daher ist damit unter Ibn Sīnās Prämissen, die meist der neuplatonischen Metaphysik, z.B. der des Proklos, entnommen sind, die Unsterblichkeit der Seele bewiesen.

Themen:

  • Arabisch-islamische Philosophie
  • Mensch und Seele
  • Körper und Seele
  • Psychologie (philosophische)
  • Seele
  • Seelenlehre (Psychologie)
  • Unsterblichkeit der Seele
  • Intellekt (Formen des Intellekts)

[1] Und ich sage auch, dass keine andere Ursache die Seele gänzlich vernichten kann. […] Wir sagen, dass bei zusammengesetzten Sachen und einfachen Sachen, die nicht dauerhaft in der Zusammensetzung bestehen, ein Akt der Fortdauer zusammen mit einer Möglichkeit des Zugrundegehens bestehen kann. Und bei einfachen, in ihrem Wesen abgetrennten Sachen können diese Aspekte nicht zusammen bestehen. […]
[2] Und wenn die Seele schlechthin einfach ist, so dass sie nicht in Materie und Form geteilt werden kann, und wenn sie [mit einem Körper bzw. anderen Seelenvermögen] zusammengesetzt ist, wollen wir das Zusammengesetzte beiseite lassen und die Substanz betrachten, die ihre Materie ist, und wir wollen die Rede lenken auf die ihre Materie selbst und über diese sprechen. Wir sagen also: Diese Materie ist entweder dauerhaft so teilbar […] – und das ist absurd; oder die Sache, welche die Substanz und Wurzel ist, ist unzerstörbar. […] Und das ist, was wir Seele nennen. […] Und dann ist klar, dass es in der Substanz der Seele nicht die Möglichkeit gibt, dass sie zugrunde geht.


Übersetzer: Matthias Perkams