Sokrates (ca. 469-399 v. Chr.) rechtfertigt in einer Verteidigungsrede vor der Gerichtsversammlung der Athener Bürger sein kritisches Fragen als Gehorsam gegenüber einer höheren Autorität als der staatlichen
Ich hätte also Arges getan, ihr Athener [...], wenn ich da, wo der Gott mich hinstellte, wie ich es doch glaubte und annahm, dass ich philosophierend leben solle und in Prüfung meiner selbst und anderer, den Tod oder irgendetwas anderes fürchtend, aus der Ordnung gewichen wäre.
Sokrates begründet die Ablehnung einer Flucht mit einer Berufung auf sein Verhältnis zu den Gesetzen
"Überlege also, o Sokrates", würden die Gesetze vielleicht weiter sagen, "wenn wir dies wahr gesprochen hätten, dass es dann nicht gerecht ist, was du uns jetzt antun willst. Denn wir, die wir dich zur Welt gebracht, auferzogen, unterrichtet und alles in sich Gute, was nur in unserem Vermögen stand, dir und jedem Bürger mitgeteilt haben, wir gestatten zugleich [...] jedem Athener, der will, daß [...] er das Seinige nehmen und fortgehen dürfe, wohin er nur will. [...] Du aber hast weder Lakedaimon vorgezogen noch Kreta [...] noch irgendeinen anderen von den griechischen Staaten. [...] So vorzüglich vor allen Athenern hat dir die Stadt gefallen und wir, die Gesetze, offensichtlich also auch. [...] Und jetzt willst dem Versprochenen nicht treu bleiben? [...] Aber, Sokrates, gehorche uns, deinen Erziehern und achte weder die Kinder noch das Leben noch irgend etwas anderes höher als das Gerechte, damit du, wenn du in die Unterwelt kommst, dies alles den dortigen Herrschern zu deiner Verteidigung anführen kannst." [...] Merke wohl, lieber Freund Kriton, dass ich dies zu hören glaube, wie die, welche das Ohrenklingen habe, die Flöte zu hören glauben.
Über die Bedeutung des Sokrates für die antike Philosophie
Sokrates aber rief als erster die Philosophie vom Himmel herunter, siedelte sie in Städten an, führte sie auch in Häuser ein und zwang sie, nach dem Leben und den Sitten sowie guten und schlechten Dingen zu fragen.
Platon berichtet über seine ersten Erfahrungen mit der Politik
Damals, als ich jung war, ging es mir ebenso wie vielen: Ich glaubte, sobald ich mein eigener Herr wäre, sogleich zur Teilnahme an den öffentlichen Angelegenheiten mich anzuschicken. [...] Es fand nämlich, da unsere Staatsverfassung dem Tadel vieler unterlag, eine Umgestaltung derselben statt, und [...] dreißig bestimmte sie zu unumschränkten Oberherren des ganzen Staats. Nun traf es sich, dass von diesen mir einige verwandt oder bekannt waren; diese forderten mich alsbald auf, an den Staatsgeschäften als etwas mir Zukommendem mich zu beteiligen. [...] Ich glaubte nämlich, sie würden den Staat irgendwie so verwalten, dass sie aus einem Zustand der Ungerechtigkeit zu einer gerechten Lebensweise ihn hinführten [...]. Doch als ich sehen musste, wie diese Männer in kurzer Zeit die vorherige Verfassung noch als Gold erscheinen ließen, unter anderem einen mir befreundeten älteren Mann, den Sokrates, den ich fast unbedenklich für den gerechtesten seiner Zeit erklären möchte, zusammen mit anderen ausschicken, einen Mitbürger gewaltsam zur Hinrichtung zu holen, damit er denn bei ihrem Tun sich beteiligte, ob er wollte oder nicht (doch er gab ihnen kein Gehör und setze sich lieber der äußersten Gefahr aus, als dass er an ihrem frevelhaften Treiben teilnahm); – [...], da erfüllte es mich mit Unwillen, und ich selbst zog mich von dem damaligen schlechten Regimente zurück.
Nach nicht langer Zeit wurden die dreißig gestürzt, und mit ihnen die ganze damalige Verfassung. [...] Unglücklicherweise zogen einige [neue] Gewalthaber wieder unsern schon erwähnten Freund, den Sokrates, vor Gericht und erhoben eine äußerst ruchlose Anklage gegen ihn, die am allerwenigsten für Sokrates angemessen war. Wegen Gottlosigkeit nämlich klagten ihn einige an, andere stimmten ihn für schuldig und ließen ihn hinrichten, ihn, der damals an der verbrecherischen Entführung eines der verbannten Freunde nicht hatte teilnehmen wollen, als es ihnen selbst in der Verbannung schlecht ging. Als ich mir dies nun anschaute: die, die Politik trieben, die Gesetze und Sitten, desto schwieriger kam es mir vor – je mehr ich das durchschaute und zugleich an Alter zunahm –, eine Staat richtig zu verwalten.