Lévinas über das Unendliche im Denken
10. In seiner Meditation über die Idee Gottes hat Descartes den außerordentlichen Verlauf eines Denkens, das bis zum Zerbrechen des 'Ich denke' geht, mit einer unvergleichlichen Strenge nachgezeichnet. [...] Als Gedachtes (cogitatum) eines Denkens (cogitation), das sie vom ersten Moment an enthält, überschreitet die Idee Gottes, als Bezeichnung des Nicht-Inhaltes schlechthin [...], jegliche Erfassbarkeit. Ihre "objektive Realität" des Gedachten lässt die "formale Realität" des Denkens zusammenstürzen. [...]
11. Die Aktualität des cogito unterbricht sich so im Gewand der Idee des Unendlichen, durch das Unumfassbare, nicht gedachte, sondern erlittene, das in einem zweiten Moment des Bewusstseins dasjenige trägt, was in einem ersten Moment vorgab, es zu tragen: Nach der Gewissheit des cogito [...] verkündet die dritte Meditation: "in gewisser Weise habe ich in mir die Idee des Unendlichen früher als die des Endlichen, d.h. die Gottes früher als die meiner selbst."