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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Ibn Sīnā (Avicenna): Hinweise und Ermahnungen 1.0 und 1.3 (p. 2 und 4 Forget)

Original:

Ibn Sīnā (Avicenna) erklärt den Status und die Grundbegriffe der Logik
(1) المراد المنطق أن تكون عند الانسان آلة قانونية تعصمه مراعاتها عن أن يضل في فكره‘ واعني بالفكر هاهنا ما يكون عند اجماع الانسان أن ينتقل عن أمور حاضرة في ذهنه متصورة او مصدق بها تصديقا علميا او ظنيا او وضعا وتسليما إلى أمور غير حضرة فيها (...)
(2) فالسلوك الطلبي منا في العلوم ونحوها اما أن نتجه الى تصور يستحمل واما أن نتجه الى تصديق يستحمل‘ وقد جرت العادة بأن يسمى الشيء الموصل إلى التصور المطلوب قولا شارحا فمنه حد ومنه رسم ونحوها وأن يسمى الشيء الموصل إلى التصديق المطلوب حجة فمنه قياس ومنه إستقرآء ونحوها.


Quelle: Ibn Sīnā (Avicenna): Hinweise und Ermahnungen /Išārāt w-tanbīhāt 1.0 und 1.3 (p. 2 und 4 Forget).
Edition: N.N.

Auslegung:

In diesem Text erläutert Ibn Sīnā den Status und die Grundbegriffe der Logik, einer Disziplin, auf deren Ausarbeitung er einen großen Teil seines wissenschaftlichen Ouevres verwendet hat. In [1] bezeichnet er die Logik zwar traditionell als „Werkzeug“, aber zugleich auch als „regelsetzend“ oder „normativ“, indem er das griechische Lehnwort des Kanons auf die Logik bezieht. Im Folgenden betont er, ähnlich wie die Stoiker (Zitat Nummer 156), dass die Logik zur weiteren Entwicklung der Gedanken beitragen soll. Dabei strukturiert er das wissenschaftliche Urteil, das von der Logik zu analysieren ist, anhand der Begriffe taṣawwur (Begriff, wörtlich „Vorstellung“) und taṣdīq (Billigung bzw. Zustimmung). Unter diese Termini rechnet er die traditionellen Begriffe der Logik wie „Definition“, „Umschreibung“, „Syllogismus“ oder „Induktion“. Den Unterschied von Begriff und Billigung erklärt er in [2] damit, dass ersterer lediglich das Verständnis eines noch nicht bewerteten bzw. verurteilten Terms bezeichnet, während zweiteres eine Wahrheitsbehauptung einschließt, die auf ein Argument wie einen Syllogismus oder Induktion geschützt ist. – Ihrer wörtlichen Formulierung nach scheinen die Termini taṣawwur und taṣdīq auf die stoische Unterscheidung von „(begreifender) Vorstellung“ und „Zustimmung“ zurückzugehen (vgl. Zitat Nummer 152), doch begegnen sie bei Ibn Sīnā in einer deutlich weiter entwickelten Verwendung. Insgesamt ist seine Logik deutlich aristotelisch geprägt, entwickelt die Gedanken des Aristoteles aber weiter.

Themen:

  • Arabisch-islamische Philosophie
  • Begriff(e)
  • Judentum und Islam
  • Logik
  • Verstand
  • Zustimmung
  • Syllogismus

[1] Das Ziel der Logik besteht darin, dass sie für den Menschen ein regelsetzendes Werkzeug (āla qanūniyya) ist, dessen Berücksichtigung ihn davor bewahrt, in seinem Nachdenken fehlzugehen. Dabei meine ich hier mit Nachdenken das, was bei den meisten Menschen vorliegt, dass man von Dingen, die im Verstand als Begriff präsent sind oder die man – auf die Weise eines wissenschaftlichen, eines meinenden oder eines hypothetischen Billigens und Akzeptierens – billigt, zu Dingen voranschreitet, die nicht in ihm präsent sind. […]
[2] Die Methoden, die in den Wissenschaften und derartigem von uns gefordert sind, bringen etwas entweder auf die Weise hervor, dass sich ein Begriff (taṣawwur) einstellt, oder so, dass sich eine Billigung (taṣdīq) einstellt. Und die Gewohnheit hat sich etabliert, dass etwas, das zum gesuchten Begriff führt, eine erläuternde Aussage genannt wird – dazu gehören eine Definition und eine Umschreibung und derartiges – und dass etwas, das zu der geforderten Billigung führt, Argument genannt wird – und dazu gehört der Syllogismus und Induktion und derartiges.


Übersetzer: Matthias Perkams