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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Mirandola, Giovanni Pico della: Die Würde des Menschen 131r

Original:

Giovanni Pico della Mirandola beschreibt den Menschen als Bildhauer seiner selbst
[1] Statuit tandem optimus opifex, ut cui dare nihil proprium poterat commune esset quicquid privatum singulis fuerat.
[2] Igitur hominem [...] sic est allocutus: ,Nec certam sedem, nec propriam faciem, nec munus ullum peculiare tibi dedimus, o Adam, ut quam sedem, quam faciem, quae munera tute optaveris, ea pro voto pro tua sententia, habeas et possideas.
[3] Definita ceteris natura intra praescriptas a nobis leges coercetur. Tu, nullis angustiis coercitus, pro tuo arbitrio, in cuius manu te posui, tibi illam praefinies [...], ut tui ipsius quasi arbitrarius honorariusque plastes et fictor in quam malueris tute formam effingas.

Quelle: Mirandola, Giovanni Pico della: Die Würde des Menschen /De dignitate hominis 131r.
Edition: N.N.

Auslegung:

Die Natur des Menschen ist von keinen Beschränkungen eingegrenzt. Der Mensch vermag es sich selbst nach eigener Entscheidung zu gestalten.
- für Pico ruht die Freiheit darin, sich so zu gestalten, wie man will
- Pico spricht nicht direkt von Freiheit, doch ist diese als das ursprünglich menschliche Vermögen zur Selbstgestaltung gut erkennbar
- gemeint ist freilich die ethische Wahl zwischen Gut und Böse, nicht eine strikt individuelle Entfaltung der Persönlichkeit
- Aufgriff antiker und christlicher Motive zeigt sich am platonischen „Handwerker“ (demiurgos) bzw. am christlichen Gott (vgl. Adam) und an der ebenfalls platonischen Charakterisierung des Menschen als nicht festgelegt
- Pico entwickelt gezielt den Eindruck einer Wahrheit, die nicht zuletzt durch Alter und Universalität überzeugt
- also kein eigentlich philosophischer Beweis, sondern ein Universalargument im Sinne Ciceros
- historisch ist die Universalität von Picos Bild allerdings zumindest fraglich, denn de facto sind Picos Quellen häufig pseudepigraphe Träger antiker platonisch-pythagoräischer Ideen
- schon zu Beginn des neuzeitlichen Freiheitsdiskurses zeigt sich ein Gegensatz: Ist die besondere Bedeutung von Freiheit ein universaler oder nur ein „westlicher“ Wert?
- Tatsache ist, dass er im Westen seine bedeutendste Ausprägung gefunden hat

Themen:

  • Mensch
  • Freiheit
  • Mittelalterliche Philosophie

[1] So beschloss der beste Werkmeister, dass der, dem er nichts Eigenes mehr geben konnte, an allem zugleich teilhätte, was den Einzelnen sonst je für sich zugeteilt war.
[2] Also [...] sprach er zu ihm: "Keinen festen Ort haben wir Dir zugewiesen und kein eigenes Aussehen, wir haben Dir keine spezielle Gabe verliehen, damit Du, o Adam, den Ort, das Aussehen, die Gaben, die Du Dir wünschst, nach eigenem Ermessen erhalten und besitzen sollst.
[3] Die bestimmte Natur der übrigen Wesen wird von Gesetzen eingegrenzt, die wir vorgeschrieben haben. Du sollst Deine Natur, von keinen Beschränkungen eingegrenzt, nach Deiner Entscheidung, in deren Hand ich Dich gegeben habe, Dir selbst vorschreiben [...], damit Du Dich, gleichsam als entscheidender und ehrenvoller Bildhauer und Gestalter Deiner selbst, in der Weise bildest, die Du lieber willst."

Übersetzer: H. Reich, geändert von Matthias Perkams