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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Lukrez (Titus Lucretius Carus): Über die Natur der Dinge I 62-79

Original:

Lukrez referiert Epikurs Umgang mit der Religion
Humana ante oculos foede cum vita iaceret
in terris oppressa gravi sub religione
quae caput a caeli regionibus ostendebat
horribili super aspectu mortalibus instans,
primum Graius homo mortalis tollere contra
est oculos ausus primusque obsistere contra,
quem neque fama deum nec fulmina nec minitanti
murmure compressit caelum, sed eo magis acrem
irritat animi virtutem, effringere ut arta
naturae primus portarum claustra cupiret.
ergo vivida vis animi pervicit, et extra
processit longe flammantia moenia mundi
atque omne immensum peragravit mente animoque,
unde refert nobis victor quid possit oriri,
quid nequeat, finita potestas denique cuique
quanam sit ratione atque alte terminus haerens.
quare religio pedibus subiecta vicissim
obteritur, nos exaequat victoria caelo.

Quelle: Lukrez (Titus Lucretius Carus): Über die Natur der Dinge /De rerum natura I 62-79.
Edition: N.N.

Auslegung:

Epikur hält Götter zwar für existent, aber für untätig. Daher wird er hier vom Römer Lukrez als Prototyp des rationalistischen Aufklärers un Befreier von religiöser Furcht dargestellt.
- Reflexion auf die Gestalt des Epikur: erster Widerspruch gegen die Furcht vor den Göttern
- wissenschaftliche Forschung über Seele und Kosmos befreit von drückender Last der Religion
- nicht voll identisch mit dem modernen Wort für Religion; bezeichnet vieles vom Kult der Götter bis zur religiösen, gewissenhaften Scheu
→ Zielpunkt ist in erster Linie nicht die Religion als solche, sondern die mit ihr (zu Recht?) verbundene Furcht
→ Zusammenhang mit der generellen epikuräischen Ablehnung von Furcht und Schmerz
→ vermutlich die berechtigste Stelle, um antiker Philosophie mit Aufklärung zu vergleichen

Themen:

  • Götter
  • Religion
  • Epikur
  • Religionskritik
  • Aufklärung
  • Antike Philosophie II
  • Wege des Ichs

Als das Leben der Menschen darnieder schmählich auf Erden
lag, zusammengeduckt unter lastender Angst vor den Göttern,
welche das Haupt aus des Himmels Gevierten prahlerisch streckte
droben mit schauriger Fratze herab den Sterblichen dräuend,
erst hat ein Grieche gewagt, die sterblichen Augen dagegen
aufzuheben und aufzutreten als erster dagegen;
den nicht das Raunen von Göttern noch Blitze bezwangen noch drohend
donnernd der Himmel; nein, nur umso mehr noch den scharfen
Mut seines Geistes reizte, dass aufzubrechen die dichten
Riegel zum Tor der Natur als erster er glühend begehrte.
Also siegte die Kraft des lebendigen Geistes, und weiter
schritt er hinaus die flammumlohten Mauern des Weltballs,
und das unendliche All durchstreift’ er männlichen Sinnes;
bringt als Sieger darum zurück von dort die Erkenntnis,
was zu entstehen vermag und was nicht, und wie einem jeden
schließlich die Macht ist beschränkt und im Grunde verhaftet der Grenzstein.
Drum liegt die Furcht vor den Göttern unter dem Fuß und zur Rache
wird sie zerstampft, uns hebt der Sieg empor bis zum Himmel.

Übersetzer: K. Büchner