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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Al-Fārābī : Die Prinzipien der Ansichten der Bewohner der vortrefflichen Stadt XV 7. 8 (p. 238 - 242 Walzer)

Original:

Al-Fārābī über den vollkommenen Herrscher
[1] ورئيس المدينة الفاضلة ليس يمكن أن يكون أي إنسان اتّفق، لأن الرئاسة إنما يكون بشئيَن، أحدهما أن يكون بالفطرة والطبع معدّا لها، والثاني بالهيئة والملكة الإراديّة الرئاسيّة التي تحصل لمَن فطر بالطبع معدّاً لها. ...
[2] ويكون ذلك الإنسان إنساناً لا يمكن أن يرؤسه إنسان أصلاً. وإنما يكون ذلك الإنسان إنساناً قد استكمل وصار عقلاً ومعقولاً بالفعل قد استكملت قوته المتخيّلة بالطبع ... إما في وقت اليقظة أو في وقت النوم عن عقل الفعّال الجزيّات ... ثم المعقولات بما يحاكها.
[3] فأي إنسان استكمل عقله المنفعل بالمعقولات كلها وصار عقلاً بالفعل ومعقولا بالفعل ... حصل له حينئذ عقل ما بالفعل رتبته فوق رتبة العقل المنفعل أتمّ وأشد ّ مفارقة للمادّة ... ويسمّى العقل المستفاد


Quelle: Al-Fārābī : Die Prinzipien der Ansichten der Bewohner der vortrefflichen Stadt /Mabādiʼ ārāʼ ahl al-madīnat al-fāḍila XV 7. 8 (p. 238 - 242 Walzer).
Edition: Abū Naṣr al-Fārābī, On the Perfect State (Mabādiʾ ārāʾ ahl al-madīnat al-fāḍilah). Revised text with Introduction, Translation, and Commentary by R. Walzer, Oxford 1985.

Auslegung:

Für al-Fārābī ist die Idee einer vollkommenen Stadt (vgl. Zitat Nummer 448) untrennbar mit dem Ideal eines vollkommenen Herrschers verbunden. Damit steht er nicht nur in der Tradition von Platons Philosophenkönigtum, sondern versucht auch, ein philosophisches Modell zu entwickeln, mit der er die Rolle von Propheten und Gesetzgebern wie Moses und vor allen Dingen Mohammed erklären kann. Deren Namen werden freilich nie erwähnt. Ein solcher Herrscher muss zunächst eine natürliche Anlage sowie den Willen zur guten Herrschaft haben (Punkt 1). Nach Punkt 2 kann über ihn kein Mensch herrschen, was faktisch ein Zitat aus Platons Nomoi darstellt. Ein solcher Mensch muss dem Intellekt nach vervollkommnet sein (vgl. Zitat Nummer 446), vor allem aber dem Imaginationsvermögen nach. Diese bemerkenswerte und neuartige Aufwertung des Imaginationsvermögens erklärt sich dadurch, dass al-Fārābī und seine Vorgänger dieses Vermögen als entscheidend für die Fähigkeit des Empfangs von prophetischen Offenbarungen ansehen, da die Vorstellungskraft ja ein Vermögen bildlicher Realisierung ist (vgl. Zitat Nummer 977). In Punkt 3 wird schließlich der aus der antiken Philosophie stammende Begriff des „erworbenen Intellekts“ eingeführt, um die besondere Erkenntnisfähigkeit des Staatsgründers, Gesetzgebers und Herrschers zu beschreiben. – Vgl. auch die Fortsetzung dieses Textes in Zitat Nummer 450.

Themen:

  • Judentum und Islam
  • Herrscher
  • Wege des Ich
  • Freiheit (Vorlesung)
  • Arabisch-islamische Philosophie
  • Geist (Nous)
  • Intellekt (Formen des Intellekts)
  • Phantasia/imaginatio
  • Philosophie und Politik
  • Politische Philosophie
  • Prophet/Prophetie
  • Imagination

[1] Der Herrscher der vortrefflichen Stadt (al-madīna al-fāḍila) kann nicht irgendein beliebiger Mensch sein, denn Herrschaft setzt zwei Dinge voraus: Das eine von ihnen ist, dass man durch die Veranlagung und die Natur dazu geeignet ist, und das zweite die willentliche Disposition und den Habitus für die Herrschaft, die sich bei jemandem entwickelt, der von Natur aus zu ihr veranlagt ist. [...]
[2] Dieser Mensch ist ein Mensch, über den überhaupt kein Mensch herrschen kann. Dieser Mensch ist nur ein Mensch, der vervollkommnet wurde und aktuell Intellekt und Denkobjekt geworden ist, dessen Imaginationsvermögen (al-quwwa al-mutaḫayyila) von Natur aus [...] dazu befähigt ist, entweder im Wachen oder im Schlaf vom aktiven Intellekt (al-ʿaql al-faʿʿāl) die Partikularia [...] und auch die Denkobjekte zu empfangen, indem es sie nachahmt. [...]
[3] In der Tat erwirbt jeder Mensch, dessen passiver Intellekt durch alle Denkobjekte vervollkommnet wurde sowie aktueller Intellekt und aktuelles Denkobjekt geworden ist [...], einen bestimmten aktuellen Intellekt (ʿaql bi-l-fiʿl), dessen Rang ein Rang über dem passiven Intellekt ist, der vollkommener und mehr von der Materie getrennt ist [...]. Er wird ,erworbener Intellekt‘ (ʿaql al-mustafād) genannt.

Übersetzer: Ferrari, geändert von Matthias Perkams