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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Werk: Die Prinzipien der Ansichten der Bewohner der vortrefflichen Stadt, Al-Fārābī

9 Zitate aus diesem Werk im Zitaten­schatz:

  • Al-Fārābī : Die Prinzipien der Ansichten der Bewohner der vortrefflichen Stadt I, 1. 5

    Al-Fārābī über das erste Seiende als die eine erste Ursache
    Das erste Seiende (al-mawǧūd al-awwal) ist die erste Ursache für die Existenz von allem übrigen Existierenden. [...] Wenn das Erste in seiner Substanz unteilbar ist, so kann seine Existenz, durch die es sich von allem anderen Seienden unterscheidet, nichts anderes sein als das, wodurch es wesentlich (fī-ḏātihi) ist. Daher besteht der Unterschied zu allem anderen in der Einheit in seinem Wesen.
  • Al-Fārābī : Die Prinzipien der Ansichten der Bewohner der vortrefflichen Stadt I, 6

    Al-Fārābī umschreibt das eine erste Seiende als sich selbst denkenden Intellekt
    [1] Wenn aber eine Sache für sein Sein keine Materie braucht, dann ist sie in ihrer Substanz aktueller Intellekt (ʿaql bi-l fiʿl), und das ist der Status des Ersten. [...] Es ist Denkobjekt (maʿqūl), insofern es Intellekt ist, denn das, dessen Proprium Intellekt ist, dies ist das Denkobjekt, dessen Proprium Intellekt ist, und es benötigt, um Denkobjekt sein zu können, kein anderes Wesen außerhalb seiner selbst, das es denkt, sondern es selbst denkt sein Wesen. [...]
    [2] Der Mensch zum Beispiel, ist ein Denkobjekt, und das, was an ihm Denkobjekt ist, ist kein Denkobjekt in Wirklichkeit, sondern Denkobjekt in Möglichkeit, und wird Denkobjekt in Wirklichkeit, nachdem ein Intellekt es gedacht hat. [...] Der Intellekt, mit dem wir denken, ist nun nicht das, was unsere Substanz ausmacht. Das erste Seiende ist aber nicht so, sondern Intellekt, Denkendes und Denkobjekt haben in seinem Fall einen einzigen Gehalt und ein einziges Wesen und eine einzige unteilbare Substanz.
  • Al-Fārābī : Die Prinzipien der Ansichten der Bewohner der vortrefflichen Stadt II, 1. 2

    Al-Fārābī über die kausale Wirkung der ersten Ursache und die Ordnung der Dinge
    [1] Und seine Existenz [Gottes] (wuǧūd) ist aufgrund seines Wesens (ḏāt), und seine Substanz und seine Existenz hängen zusammen, und aus ihm folgt, dass von ihm her etwas anderes als es da ist. [...]
    [2] Es gibt vielerlei Existierendes, und zusätzlich zu seiner Vielheit ist dieses auch unterschiedlich exzellent. Und die Substanz des Ersten ist die Substanz, aus der jede Existenz so ausströmt, wie diese Existenz ist, sei sie nun vollkommen oder mangelhaft. Und seine Substanz ist ebenfalls die Substanz, von der alles Existierende, wenn es von ihr ausströmt, seinen jeweiligen Rang erhält und von der jedem Seienden sein Anteil, der ihm angemessen ist, an Existenz und Rang im Vergleich zum Ersten zukommt.
  • Al-Fārābī : Die Prinzipien der Ansichten der Bewohner der vortrefflichen Stadt XIII, 3. 5

    Al-Fārābī definiert die Loslösung vom Körper und das Intellektwerden als die Eudaimonie
    [3] Die ersten Denkobjekte sind die, die für alle Menschen gelten, und zwar beispielsweise, dass das Ganze größer ist als der Teil. [...]
    [5] Das Vorhandensein der ersten Denkobjekte beim Menschen bildet seine erste Vollkommenheit. Aber diese Denkobjekte sind ihm nur gegeben, damit er sie dazu verwendet, die letzte Vollkommenheit (al-istikmāl al-aḫir), das Glücklichsein (as-saʿāda), zu erreichen. Denn dieses besteht darin, dass die menschliche Seele an Vollkommenheit in ihrer Existenz bis dahin gelangt, wo sie für ihr Fortbestehen keine Materie benötigt – denn sie wird eines der unkörperlichen Dinge und eine der immateriellen Substanzen –, und dass sie für immer fortwährend in diesem Zustand verbleibt, wobei ihr Rang jedoch unter dem Rang des aktiven Intellekts (al-ʿaql al-faʿʿāl) ist.
  • Al-Fārābī : Die Prinzipien der Ansichten der Bewohner der vortrefflichen Stadt XIII, 6

    In neuplatonischer Tradition wird das ethische Verhalten als der Weg zu diesem Glücklichsein bestimmt
    Dieser Zustand kann nur durch bestimmte willentliche Akte erreicht werden, von denen einige gedankliche, andere körperliche Akte sind [...], und zwar weil von den willentlichen Akten manche das Glücklichsein behindern. Das Glücklichsein ist das Gut, das seinem Wesen nach erstrebt wird, und es wird überhaupt nicht und zu keiner Zeit erstrebt, um durch es etwas anderes zu erreichen, und es gibt nichts anderes über dieses hinaus, Größeres als dieses, das der Mensch erreichen könnte.
  • Al-Fārābī : Die Prinzipien der Ansichten der Bewohner der vortrefflichen Stadt XV, 1

    Al-Fārābī über das Entstehen und die Ziele menschlicher Gemeinschaften
    Jeder einzelne Mensch ist so ausgestattet, dass er für sein Fortbestehen und für das Erreichen der größtmöglichen Vollendung (kamāl) verschiedene Dinge benötigt, die er nicht alle allein sich beschaffen kann. [...] Deswegen kann der Mensch die Vollendung, deretwegen ihm seine natürliche Ausstattung gegeben wurde, nur in Zusammenschlüssen einer größeren Menge von einander Unterstützenden erreichen, in der jeder jeden mit etwas für ihn Notwendigem versorgt. [...] Aus diesem Grund haben sich die Menschen vermehrt und haben sich in der bewohnbaren Zone der Erde niedergelassen, so dass hier menschliche Gemeinschaften (al-iǧtimāʿa al-insānīya) entstanden sind, von denen es vollkommene und unvollkommene gibt.
  • Al-Fārābī : Die Prinzipien der Ansichten der Bewohner der vortrefflichen Stadt XV 7. 8

    Al-Fārābī über den vollkommenen Herrscher
    [1] Der Herrscher der vortrefflichen Stadt (al-madīna al-fāḍila) kann nicht irgendein beliebiger Mensch sein, denn Herrschaft setzt zwei Dinge voraus: Das eine von ihnen ist, dass man durch die Veranlagung und die Natur dazu geeignet ist, und das zweite die willentliche Disposition und den Habitus für die Herrschaft, die sich bei jemandem entwickelt, der von Natur aus zu ihr veranlagt ist. [...]
    [2] Dieser Mensch ist ein Mensch, über den überhaupt kein Mensch herrschen kann. Dieser Mensch ist nur ein Mensch, der vervollkommnet wurde und aktuell Intellekt und Denkobjekt geworden ist, dessen Imaginationsvermögen (al-quwwa al-mutaḫayyila) von Natur aus [...] dazu befähigt ist, entweder im Wachen oder im Schlaf vom aktiven Intellekt (al-ʿaql al-faʿʿāl) die Partikularia [...] und auch die Denkobjekte zu empfangen, indem es sie nachahmt. [...]
    [3] In der Tat erwirbt jeder Mensch, dessen passiver Intellekt durch alle Denkobjekte vervollkommnet wurde sowie aktueller Intellekt und aktuelles Denkobjekt geworden ist [...], einen bestimmten aktuellen Intellekt (ʿaql bi-l-fiʿl), dessen Rang ein Rang über dem passiven Intellekt ist, der vollkommener und mehr von der Materie getrennt ist [...]. Er wird ,erworbener Intellekt‘ (ʿaql al-mustafād) genannt.
  • Al-Fārābī : Die Prinzipien der Ansichten der Bewohner der vortrefflichen Stadt XV 9-11

    Al-Fārābī über den vollkommenen Herrscher als Empfänger von Offenbarung
    [1] Dieser Mensch ist der Mensch, dem der aktive Intellekt innewohnt. Geschieht dies in beiden Teilen seines Vernunftvermögens, nämlich im theoretischen und im praktischen, und dann noch in seinem Imaginationsvermögen, dann ist dieser Mensch jemand, dem eine Offenbarung zuteil werden wird (yūḥā ilaihi), und Allah – er ist hoch und erhaben – wird ihm die Offenbarung (yūḥī ilaihi) vermittels des aktiven Intellekts zuteil werden lassen. [...]
    [2] Auf diese Weise [...] wird er ein Weiser, ein Philosoph (ḥakīm failasūf) und von vollkommener Intelligenz, nämlich durch den göttlichen Intellekt in ihm. Und durch die Emanation von diesem zu seinem Imaginationsvermögen wird er zum Propheten (nabīy). [...]
    [3] Dies ist der Herrscher, über den überhaupt kein anderer Mensch herrschen kann, er ist der Imam (al-imām); er ist der erste Herrscher der vortrefflichen Stadt, er ist der Herrscher der vortrefflichen Nation und der Herrscher der bewohnbaren Erde.
  • Al-Fārābī : Die Prinzipien der Ansichten der Bewohner der vortrefflichen Stadt XV 13f.

    Al-Fārābī über die Kriterien bei der Herrscherwahl
    [1] Wenn es so einen Menschen in der vortrefflichen Stadt gibt [...], dann ist er der Herrscher. Wenn es sich aber ergibt, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt kein solcher Mensch zu finden ist, dann werden die Gesetze und Regeln, die dieser Herrscher und seine ihm gleichen Nachfolger festgelegt haben, fortbestehen. [...]
    [2] Und im zweiten Herrscher [...] sollen sechs Bedingungen vorhanden sein: 1. soll er weise sein; 2. soll er die Gesetze und Überlieferungen im Gedächtnis haben; [...] 3. soll er gut im Erfinden von etwas sein, worüber von früher her kein Gesetz im Gedächtnis ist [...]; 4. soll er gut im Überlegen und in der Erfindungskraft sein [...] im Hinblick auf Neues, das auftritt [...]; 5. soll er gut in der Führung durch das Reden sein [...]; 6. soll er eine gute körperliche Konstitution haben. [...]
    [3] Sind alle sechs Bedingungen in ihrer Gesamtheit getrennt und ist die Weisheit bei jemandem vorhanden, und das zweite und dritte bei jemandem, und das vierte bei jemandem und das fünfte bei jemandem und das sechste jemandem, dann werden sie, wenn sie übereinstimmen, ausgezeichnete Herrscher sein. [...]
    [4] Sollte es nicht geschehen, dass es einen Weisen gibt, der mit dem Herrscher verbunden ist, dann wird diese Stadt nach einer Weile unzweifelhaft untergehen.