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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Johannes von Salisbury: Metalogicon III 4, Z. 46-58

Original:

Johannes von Salisbury (ca. 1115-1180) über ein Diktum des Bernhard von Chartres (gest. nach 1124):
[1] Dicebat Bernardus Carnotensis nos esse quasi nanos gigantum umeris insidentes, ut possimus plura eis et remotiora videre, non utique proprii visus acumine aut eminentia corporis, sed quia in altum subvehimur et extollimur magnitudine gigantea. [...]
[2] Quis enim contentus est his quae vel Aristoteles in Periermeniis docet? Quis aliunde conquisita non ? Omnes enim totius artis summam colligunt et verbis facilibus tradunt. Vestiunt enim sensus auctorum, quasi cultu cotidiano, qui quodam modo festivior est, cum antiquitatis gravitate clarius insignitur.

Quelle: Johannes von Salisbury: Metalogicon /Metalogicon (metalog.) III 4, Z. 46-58.
Edition: Hall

Auslegung:

- Mittelalterliche Philosophie besteht in dem Versuch, verschiedene Denktraditionen in Einklang zu bringen → Frage nach dem Umgang mit Quellen besonders relevant
- Christentum, Judentum und Islam sind Buchreligionen → höchste Wahrheit wird garantiert von Aussagen der heiligen Bücher
- Ergänzung der Schriftaussagen durch Auslegungstraditionen, die ebenfalls autoritativ sind: Hadith, Talmud, Konzilien
→ Vorrang der Glaubensaussage in der Schrift

Themen:

  • Autorität
  • Mittelalterliche Philosophie

[1] Bernhard von Chartres sagte, wir seien so wie Zwerge, die auf den Schultern von Riesen sitzen, so dass wir mehr als sie und Entfernteres sehen können, allerdings nicht wegen der Schärfe des eigenen Sehvermögens oder der Größe des Körpers, sondern weil wir durch die Größe der Riesen in die Höhe geführt und erhoben werden. [...]
[2] Denn wer ist mit dem zufrieden, was etwa Aristoteles in der Hermeneutik sagt? Wer fügt nicht etwas anderswoher Genommenes hinzu? Denn alle stellen die Summe der gesamten Kunst zusammen und überliefern sie in leichten Worten. Sie bekleiden nämlich die Absichten der Autoren gleichwie in täglichem Kult, der auf gewisse Weise festlicher ist, wenn er durch die Würde des Alters klarer herausgestellt wird.

Übersetzer: Perkams