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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Boethius von Dakien: Über das höchste Gut (p. 369, 1-8. 11-14)

Original:

Boethius von Dakien begründet ein philosophisches Glücksideal im lateinischen Mittelalter mit aristotelischen Argumenten
[1] Cum in omni specie entis sit aliquod summum bonum possibile, et homo quaedam est species entis, oportet quod aliquod summum bonum sit homini possibile. Non dico summum bonum absolute, sed summum sibi [...].
[2] Quid autem sit hoc summum bonum, quod est homini possibile, per rationem investigemus.
[3] Summum bonum quod est homini possibile, debetur sibi secundum optimam suam virtutem. [...] Optima autem virtus hominis ratio et intellectus est; est enim summum regimen vitae humanae tam in speculando quam in operando. Ergo summum bonum quod est homini possibile, debetur sibi secundum intellectum.

Quelle: Boethius von Dakien: Über das höchste Gut /De summo bono (p. 369, 1-8. 11-14).
Edition: Boetius de Dacia, Opuscula: De Aeternitate Mundi. De Summo Bono. De Somniis. Édition par Niels Jørgen Green-Pedersen et al. Hauniae: Gad 1976.

Auslegung:

Bevor Boethius von Dakien im Detail die Punkte zusammenfasst, die ein philosophisch-intellektuelles Glücksideal auf ethischer Ebene rechtfertigen (Zitat Nummer 786), begründet er hier mit ontologischen Argumenten den Vorrang eines theoretischen Glücksideals: [1] enthält eine allgemeine These im Sinne von Nikomachische Ethik I, dass es für jede Entität eine spezifische Vollendung gibt, die ihr höchstes Gut genannt werden kann. Dieses höchste Gut ist nicht automatisch mit dem höchsten Gut an sich, also Gott, identisch. In [3] definiert er das höchste Gut für den Menschen. Dieses ist die Vernunft und der Intellekt, deren Ausübung im Denken und im Handeln die höchste Vollendung der menschlichen Natur darstellt. Dieses Argument ist im Grunde eine Reformulierung des Ergon-Arguments aus Aristoteles’ Nikomachischer Ethik (Zitat Nummer 675).

Themen:

  • Höchstes Gut
  • Wege des Ich
  • Glückseligkeit (Eudaimonia)
  • Averroismus
  • Ethik
  • Gutes Leben
  • Mittelalterliche Philosophie
  • Philosophie
  • Wissen

[1] Weil es für jede Art des Seienden irgendein mögliches höchstes Gut gibt, und der Mensch eine Art des Seienden ist, muss irgendein höchstes Gut für den Menschen möglich sein. Ich meine nicht das höchste Gut schlechthin, sondern das höchste für ihn [...].
[2] Was aber dieses höchste Gut ist, das dem Menschen möglich ist, wollen wir durch die Vernunft untersuchen.
[3] Das höchste Gut, das dem Menschen möglich, steht ihm gemäß seiner besten Tugend zu. [...] Die beste Tugend des Menschen aber sind die Vernunft und der Intellekt; denn die höchste menschliche Lebensführung besteht sowohl im Nachdenken als auch im Handeln. Also steht das höchste Gut, das dem Menschen möglich ist, ihm gemäß dem Intellekt zu.


Übersetzer: Matthias Perkams