Original:
Proklos stellt die Seele als lebensspendende Instanz an der Grenze von Ewigem und Zeitlichem dar
(189) Πᾶσα ψυχὴ αὐτόζως ἐστίν.
εἰ γὰρ ἐπιστρεπτικὴ πρὸς ἑαυτήν, τὸ δὲ πρὸς ἑαυτὸ ἐπιστρεπτικὸν πᾶν αὐθυπόστατον, καὶ ἡ ψυχὴ ἄρα αὐθυπόστατος καὶ ἑαυτὴν ὑφίστησιν. ἀλλὰ μὴν καὶ ζωή ἐστι καὶ ζῶν […]· καὶ γὰρ οἷς ἂν παρῇ ζωῆς μεταδίδωσιν αὐτῷ τῷ εἶναι, κἂν ᾖ τὸ μετέχον ἐπιτήδειον, εὐθὺς ἔμψυχον γίνεται καὶ ζῶν, οὐ λογισαμένης τῆς ψυχῆς καὶ προελομένης. […]
(191) Πᾶσα ψυχὴ μεθεκτὴ τὴν μὲν οὐσίαν αἰώνιον ἔχει, τὴν δὲ ἐνέργειαν κατὰ χρόνον. […]
Λείπεται ἄρα τῇ μὲν αἰώνιον εἶναι ψυχὴν πᾶσαν, τῇ δὲ χρόνου μετέχουσαν. ἢ οὖν κατ’ οὐσίαν αἰώνιός ἐστι, κατ’ ἐνέργειαν δὲ χρόνου μέτοχος· ἢ ἔμπαλιν. ἀλλὰ τοῦτο ἀδύνατον. πᾶσα ἄρα ψυχὴ μεθεκτὴ τὴν μὲν οὐσίαν αἰώνιον ἔλαχε, τὴν δὲ ἐνέργειαν κατὰ χρόνον.
Quelle:
Proklos :
Theologische Elementarlehre
/
Elementatio theologica
(
el. theol.)
189 und 191.
Edition: Proclus, ›The Elements of Theology‹. A Revised Text with Translation, Introduction and Commentary by E. R. Dodds, Oxford 1964 = Proklos, ›Theologische Grundlegung‹. Griechisch – Deutsch. Übersetzt und mit einer Einleitung sowie einem durchgängigen erläuternden Kommentar versehen von E.-O. Onnasch / B. Schomakers (Philosophische Bibliothek 562), Hamburg 2015.
Auslegung:
Proklos stellt die Seele als lebensspendende Instanz an der Grenze von Ewigem und Zeitlichem dar
Die beiden Lehrsätze aus der ,Theologischen Elementarlehre‘ des Proklos (vgl. Zitat Nr. 854) stellt kurzgefasst die Stellung der Seele im Denken dieses Neuplatonikers dar. Proklos betont den Selbstbezug der Seele und ihre dadurch begründete Stellung als selbstkonstituierte Instanz. Er weist darauf hin, dass die Seele die empfangene Güte gleichsam automatisch – also ohne ein Nachdenken oder Wählen – auf möglichst gute Weise weitergibt, nämlich indem sie einen geeigneten Körper beseelt (Lehrsatz 189). Nach Lehrsatz 191 ist die Seele zwar in ihrem Sein bzw. ihrer Wesenheit unveränderlich, in ihrer Aktivität aber veränderlich. Das stellt durchaus einen Unterschied zu Plotin dar, dem zufolge etwas in der Seele stets „oben“, d.h. in der Rolle ihres göttlichen Ursprungs bleibt. Das dürfte implizieren, dass die Seelenaktivität auch dann (wenn auch vielleicht von uns unbewusst) gegeben ist, während wir ein ganz untugendhaftes Leben führen und als körperliche Wesen den Blick zum Einen verlieren. Während das bei Proklos also für die ganze Seele zutrifft, bleibt bei Plotin ein Seelenteil davon stets unberührt.
Themen:
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Antike Philosophie II
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Neuplatonismus
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Seele
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Sein
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Sein vs. Aktivität (Verhältnis beider)