Die Lehre vom Beweis nach den Stoikern
[1] Ein Argument ist eine Zusammenstellung aus Prämissen und Konsequenz. Dabei sind die Prämissen,
wie sie sagen, die zur Begründung des Schlusssatzes einhellig angenommenen
Aussagen, und die Konsequenz oder der Schlusssatz ist die aus ihnen
begründete Aussage. [...] Daher sagen sie auch, ein wahres Argument sei
dasjenige, was aus wahren Prämissen einen wahren Schlusssatz schlüssig
folgert. Von den wahren Argumenten sind wiederum die einen beweisend, die
anderen nicht beweisend.
[2] Beweisend sind diejenigen, die aus Offensichtlichem etwas nicht Offensichtliches folgern [...]. Nicht
beweisend ist z.B. das Argument 'Wenn es Tag ist, ist es hell; nun aber ist es
Tag; also ist es hell.'; denn dass es hell ist – der Schlusssatz des Arguments –
ist offensichtlich. Beweisend ist aber ein Argument wie 'Wenn Schweiß durch
die Haut fließt, gibt es gedanklich erfassbare Poren; nun aber fließt Schweiß
durch die Haut; also gibt es gedanklich erfassbare Poren.', denn es hat den nicht
offensichtlichen Schlusssatz 'also gibt es gedanklich erfassbare Poren'. [...] Ein
Beweis muss demnach ein Argument sein, außerdem schlüssig und auch noch
wahr, und er muss einen Schlusssatz haben, der nicht offensichtlich ist und
durch die Kraft der Prämissen enthüllt wird; und das ist der Grund, weswegen
gesagt wird: Der Beweis ist ein Argument, das aus akzeptierten Prämissen
vermittels einer schlüssigen Folgerung eine nicht offensichtliche Konsequenz
enthüllt.
Maimonides erklärt am Ende seines Werkes mit einem Gleichnis, in welchen Stufen man Gott nahe oder von ihm entfernt sein kann und betont den Vorzug des Beweiswissens
[1] Der Sultan ist in seinem Schloss, und zum untertänigen Volk im Ganzen gehören Menschen innerhalb der Stadt und außerhalb der Stadt; und zu denen, die in der Stadt sind, gehören solche, die sich vom Sultan abgewandt und ihre Aufmerksamkeit auf einen anderen Weg gerichtet haben; sowie solche, die das Haus des Sultans anstreben und sich ihm zuwenden; [...] aber bis jetzt haben sie die Mauer des Hauses noch nicht erblickt; und zu denen, die es anstreben, gehören solche, die zum Haus gelangt sind, aber sie gehen rings um es herum, um die Tür zu suchen; [...] und auch dadurch, dass jemand ins Innere des Hauses gelangt, sieht er den König nicht oder spricht mit ihm, sondern nachdem er ins Innere des Hauses gelangt ist, ist für ihn weiteres Bemühen erforderlich, das er leisten muss, und dann ist er unmittelbar beim Sultan zugegen, [...] hört entweder die Worte des Sultans oder spricht mit ihm [...].
Die Erklärung des Gleichnisses: [2] Was die betrifft, die außerhalb der Stadt sind, so sind sie all die menschlichen Personen, die nicht einer Richtung anhängen; [...] und was die betrifft, die in der Stadt sind, sich aber vom Haus des Sultans abgewandt haben, so sind sie Leute mit Meinungen und theoretischen Ansichten, denen jedoch unrichtige Meinungen zu eigen sind; [...] und was die betrifft, die das Haus des Sultans und den Eingang hierzu anstreben, das Haus des Sultans aber nicht erblickt haben, so sind sie die Masse der Leute des [jüdischen] Gesetzes; [...] und was den betrifft, dem ein Beweis für alles zu eigen ist, was dem Beweis zugänglich ist, und der Gewissheit über die alle göttlichen Dinge erworben hat, über die der Erwerb von Gewissheit möglich ist, und wer der Gewissheit über das nahe ist, worüber nichts anderes als Annäherung an die Gewissheit möglich ist, der ist zusammen mit dem Sultan ins Innere des Hauses gelangt.