Geistliche Übungen bei Seneca
Sextius tat dies, dass er zum Abschluss des Tages, wenn er sich zur nächtlichen Ruhe zurückzog, seinen Geist fragte: ,Welchen deiner Fehler hast Du heute geheilt? Welchem Laster bist Du entgegengetreten? An welchem Teil bist Du nun besser?‘ [...] Der Geist wurde entweder gelobt oder ermahnt, und als Betrachter und heimlicher Beurteiler seiner selbst erkannte er seine Sitten.
Ich nutze diese Fähigkeit täglich und spreche bei mir selbst Recht. Wenn das Licht aus dem Gesichtskreis verschwunden und meine Gattin, die meine Sitte schon kennt, still geworden ist, prüfe ich meinen ganzen Tag und ermesse meine Taten und Worte; nichts verberge ich vor mir selbst, nichts umgehe ich.
Die geistige Übung und ihre Stufen nach dem Zeugnis des Philon von Alexandrien
Alles Essbare der Askese stellte er dar, das Suchen, das Prüfen, das Lesen, das Hören, die Aufmerksamkeit, die Selbstbeherrschung, die Gleichgültigkeit gegenüber dem Gleichgültigen.
Der Mönchsvater Evagrios Pontikos (ca. 345-399) regt seine Leser an, das Christentum als Verbindung philosophischer Disziplinen zu begreifen
1. Das Christentum ist die Lehre von unserem Erlöser Christus, die aus der praktischen, der physischen und der theologischen Disziplin besteht.
2. Das ,Königreich der Himmel‘ (Matthäus 13, 11) ist die Leidensfreiheit der Seele verbunden mit wahrer Erkenntnis alles Seienden.
3. Das ,Königreich Gottes‘ (Markus 4, 11)* ist die Erkenntnis der heiligen Trinität, die mit der Zusammenstellung des Geistes gemeinsam ausgedehnt ist und seine Unzerstörbarkeit überragt.
*Beide Bibelstellen sind exakte Parallelen, an denen die Evangelisten nur andere Ausdrücke für das Reich Gottes wählen.