Augustinus löst das somit entstehende Problem von Gottes Vorwissen und Freiheit, indem er erklärt, dass Gott Entscheidungen des Willens nur als solche vorab wissen kann, wenn es tatsächlich Willensentscheidungen sind
[1] Wir [...] behaupten, dass Gott alles weiß, bevor es geschieht, und dass wir durch unseren Willen alles bewirken, von dem wir fühlen und wissen, dass es nur durch uns als Wollende bewirkt wird. [...]
[2] Denn wir bewirken vieles, das wir, wenn wir es nicht wollten, keineswegs bewirken würden. Hierzu gehört zunächst einmal das Wollen selbst; denn wenn wir wollen, dann ist es da, wenn wir nicht wollen, dann ist es nicht da. [...] Also ist nicht deswegen nichts in unserem Willen, weil Gott vorher wusste, was in unserem Willen sein wird. Denn der, der das vorher wusste, wusste nicht nichts vorher, [...] sondern er wusste etwas vorher.
[3] Folglich sind die Gesetze, der Tadel, das Lob und die Kritik nicht vergeblich, weil er vorher wusste, dass sie da sein werden.
Augustinus (354-430) referiert Ciceros (106-44 v. Chr.) Meinung zum Problem von göttlicher Vorherbestimmung und Freiheit
[1] Cicero […] bestreitet Gottes Vorwissen und versucht, jegliche Prophetie […] aufzuheben. Was ist es, was Cicero am Vorwissen des Künftigen fürchtete? […] Gewiss Folgendes: Wenn alles Zukünftige vorher gewusst wird, wird es in der Ordnung eintreffen, in der das Eintreffende vorhergewusst wurde; und wenn es in dieser Ordnung eintrifft, dann ist die Ordnung der Dinge für den vorherwissenden Gott sicher; und wenn die Ordnung der Dinge sicher ist, dann ist die Ordnung der Ursachen sicher […].
[2] Diese versucht Cicero so zu widerlegen [...], dass er bestreitet, dass es ein Vorwissen des Künftigen [...] entweder bei einem Menschen oder bei Gott gibt [...], weil nämlich alles Zukünftige dann, wenn es vorhergewusst wird, in der Ordnung kommen wird, in der vorhergewusst wird, dass es kommen wird. [...]
[3] Aber wenn das so ist, steht nichts in unserer Macht, und es gibt keine freie Entscheidung des Willens. Aber wenn wir das zugestehen, sagt er, wird das gesamte menschliche Leben aufgehoben, die Gesetze werden umsonst gegeben, umsonst wird Lob und Tadel, Kritik und Ermunterung angewandt, und aufgrund von keinerlei Gerechtigkeit wurden für die Guten Lohn und für die Schlechten Strafen festgelegt.
[4] Wir sagen, entgegen diesen gotteslästerlichen und schändlichen Kühnheiten, dass Gott alles weiß, bevor es geschieht, und dass wir durch den Willen all das tun, wovon wir fühlen und wissen, dass es von uns nicht anders als wollend getan wird.