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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Werk: Der Stern der Erlösung, Rosenzweig, Franz

2 Zitate aus diesem Werk im Zitaten­schatz:

  • Rosenzweig, Franz: Der Stern der Erlösung I, Einleitung, S. 6-8, 12f., Auszüge

    Franz Rosenzweig begründet seine Annahme, dass die philosophische Welterklärung, insbesondere im Hegel’schen Sinne, der Offenbarung und der Individualität nicht gerecht werden kann
    [1] War die Philosophie denn nicht schon durch jene ihre ,einzige‘ Voraussetzung, sie setze nichts voraus, selbst ganz voller Voraussetzung, ja selber ganz Voraussetzung? [...] Was ihr gegenüber Selbständigkeit beanspruchte, wurde entweder zum Schweigen gebracht oder überhört. Zum Schweigen gebracht wurde die Stimme, welche in einer Offenbarung die jenseits des Denkens entspringende Quelle göttlichen Wissens zu besitzen behauptete. [...]
    [2] Wer hier noch Widerspruch erheben wollte, der mußte einen Archimedespunkt außerhalb jenes wißbaren All unter seinen Füßen spüren. Von einem solchen Archimedespunkt aus bestritt ein Kierkegaard, und er nicht allein, die Hegelsche Einfügung der Offenbarung ins All. Der Punkt war das eigene [...] Bewußtsein der eigenen Sünde und eigenen Erlösung, das einer Auflösung in den Kosmos weder bedürftig noch zugänglich war; nicht zugänglich: denn mochte auch alles an ihm ins Allgemeine zu übersetzen sein, – die Behaftetheit mit Vor- und Zunamen, das Eigene im strengsten und engsten Sinn des Worts blieb übrig, und gerade auf das Eigene kam es an.
    [3] Ein solches Heraustreten dessen, was man [...] als persönliches Leben, Persönlichkeit, Individualität bezeichnet [...], aus dem Bereich des Weltwissens kann auch an diesem selbst nicht spurlos vorübergehen. [...] Unsere Zeit hat es getan [dies Heraustreten philosophisch zu denken versucht]. [...] Der ,Wille‘, die ,Freiheit‘, das ,Unbewußte‘ konnte, was die Vernunft nicht gekonnt hatte: über einer Welt von Zufall walten.
  • Rosenzweig, Franz: Der Stern der Erlösung III, Einleitung: Über die Möglichkeit, das Reich zu erbeten, S. 298, 301, 322-325, Auszüge

    Franz Rosenzweig bemüht sich um eine philosophische Deutung des jüdischen Gebetsverständnisses, indem er die „Stunde“ als den immer wiederkehrenden Augenblick des Gebets deutet, in welchem dem in Gemeinschaft betenden ein erleuchteter Blick auf das Ganze der Schöpfungsordnung eröffnet wird
    [1] Die Liebe handelt so, als ob es im Grunde nicht bloß keinen Gott, sondern sogar keine Welt gäbe. Der Nächste vertritt der Liebe alle Welt und verstellt so dem Auge die Aussicht. Aber das Gebet, indem es um Erleuchtung bittet, sieht – und zwar nicht am Nächsten vorbei, aber über das Nächste hinweg und sieht, soweit sie ihm erleuchtet wird, die ganze Welt. So befreit es die Liebe von der Gebundenheit an den Tastsinn er Hand [...]. Das Gebet stiftet die menschliche Weltordnung.
    [2] Die menschliche Weltordnung – aber auch die göttliche? [...] Wenn [...] das Gebet, indem es dem Beter einen Blick auf die Welt öffnet, sie ihm in besonderer Ordnung zeigt, sollte das irgendwelche Folgen haben für diese eine göttliche Weltordnung selbst? [...] Das Gebet [...] zeigt dem Auge das fernste Ziel; aber weil der Beter auf dem bestimmten Stand-punkt seiner Persönlichkeit steht, so erscheint dies allen gemeinsame fernste Ziel hinter einem Vordergrunde von ganz persönlicher Perspektive. [...]
    [3] Der Augen-blick zeigt dem Auge, so oft es sich öffnet, immer Neues. Das Neue [...] muss ein Nunc stans sein, kein verfliegender also, sondern ein ,stehender‘ Augenblick. Ein solches stehendes Jetzt heißt man, im Unterschied zum Augenblick: Stunde. [...] Indem eine Stunde herum ist, beginnt nicht bloß ,eine neue‘ Stunde, wie ein neuer Augenblick den alten ablöst, sondern es beginnt ,wieder eine‘ Stunde. [...] Nur der Glockenschlag, nicht das Ticken des Pendels stiftet die Stunde. [...] In der alltäglich-allwöchentlich-alljährlichen Wiederholung der Kreise des kultischen Gebets macht der Glaube den Augenblick zur ,Stunde‘, die Zeit aufnahmebereit für die Ewigkeit. [...]
    [4] Wie aber wohnt denn im Gebet diese Kraft zu erzwingen, daß die Ewigkeit der Einladung Folge leistet? [...] Auch der Kult scheint nur das Haus zu bauen, worin Gott Wohnung nehmen kann, aber kann er den hohen Gast wirklich nötigen, einzuziehen? Ja er kanns. Denn die Zeit, die er bereitet zum Besuch der Ewigkeit, ist nicht die Zeit des Einzelnen [...]; sie ist die Zeit aller. [...] Die Erleuchtung, die dem Einzelnen wird, hier kann sie keine andre sein als die, welche allen andern auch geschehen kann. [...] Dies für alle Gemeinsame, über alle Standpunkte der Einzelnen [...] hinaus, kann aber nur eines sein: das Ende aller Dinge, die letzten Dinge.