Johannes Duns Scotus über die Freiheit des Willens
[1] Der Wille ist in Bezug auf jeden beliebigen Akt frei und wird von
keinem Objekt genötigt. Trotzdem kann der Wille die Glückseligkeit weder
nicht wollen noch hassen noch auch das Elend wollen. [...] Aber hieraus
folgt nicht, dass er die Glückseligkeit notwendig will. [...]
[2] Welchen Akt wird er also in Bezug auf die Glückseligkeit haben, wenn
sie ihm vom Intellekt dargeboten wird? Ich sage, dass er meistens einen
Willensakt, aber nicht notwendigerweise überhaupt irgendeinen Akt,
sondern er kann sich angesichts der Darbietung von Glückseligkeit von
jedem Akt zurückhalten. [...]
[3] Daher kann der Wille jedes beliebige Objekt wollen und nicht wollen
und kann sich von jedem beliebigen Einzelakt zurückhalten. Und das kann
ein jeder in sich selbst erfahren: Wenn ihm jemand irgendein Gut anbietet
[...], kann er sich hiervon abwenden und keinen Willensakt hierzu
hervorbringen.
Johannes Duns Scotus schränkt die Reichweite naturgesetzlicher Vorschriften ein
Von einigem kann man sagen, es gehört zum Naturgesetz [...] gleichsam als erste praktische Prinzipien, die aus ihren Begriffen selbst bekannt sind, oder notwendig folgende Konklusionen. [...] Es folgt notwendig: Wenn es Gott gibt, ist er als Gott zu lieben, und dass nichts anderes gleich wie ein Gott zu verehren ist und dass Gott Ehrfurcht zu erweisen ist. Und folglich kann Gott in diesen Bereichen nicht dispensieren, so dass jemand erlaubterweise das Gegenteil des so Verbotenen tun darf. [...] Auf andere Weise wird von einigem gesagt, es gehöre zum Naturgesetz, weil es sehr gut zu diesem Gesetz stimmt, obwohl es nicht notwendig aus den praktischen Prinzipien folgt
Johannes Duns Scotus (ca. 1265-1308) erläutert, inwiefern die philosophische Metaphysik über Gott spricht
Über Gott handelt die Metaphysik nicht als primären Gegenstand. Das wird dadurch bewiesen, dass es neben den Einzelwissenschaften auch eine gemeinsame geben muss, in der alles bewiesen wird, was diesen einzelnen gemeinsam ist. Daher muss es neben den Einzelwissenschaften eine gemeinsame über das Seiende geben, in der die Erkenntnis der Eigenschaften des Seienden überliefert wird; diese Erkenntnis wird in den Einzelwissenschaften vorausgesetzt. Wenn es also eine [Wissenschaft] von Gott gibt, gibt es neben dieser eine vom Seienden qua Seiendem, die auf natürliche Weise gewusst wird. [...] Gott aber wird, auch wenn er nicht der primäre Gegenstand der Metaphysik ist, in dieser Wissenschaft doch auf die edelste Weise betrachtet, auf die er in irgendeiner auf natürliche Weise erworbenen Wissenschaft betrachtet werden kann.