Wilhelm von Conches konturiert den Atomismus der Epikureer neu
Mit der Behauptung, dass die Welt aus Atomen bestehe, haben die Epikureer die Wahrheit gesagt. Aber dass sie sagten, diese Atome seien ohne Anfang gewesen und dauernd geteilt durch eine große Leere geflogen und schließlich in vier große Körper gezwungen worden, ist ein Märchen: Denn ohne Anfang und Ort kann nichts außer Gott sein. Wir sagen also, dass Gott diese Teilchen zugleich ungeteilt erschaffen hat, sondern so, dass sie eines bilden. [...] Denn der, der ,sagte, und es entstand‘, konnte die Teile und das Ganze zugleich schaffen.
Ein Vorbegriff (prolēpsis) macht für Epikur erst die Erkenntnis möglich
Der Vorbegriff ist, so sagen die Epikureer, sozusagen ein Auffassen oder eine
richtige Meinung oder ein Begriff oder ein allgemeines innewohnendes
Denken – d.h. eine Erinnerung – dessen, was uns häufig von außen erschienen
ist, wie z.B. ,so etwas ist ein Mensch‘. Denn sobald das Wort ,Mensch‘
geäußert wird, wird sofort mittels eines Vorbegriffs auch sein Umriss gedacht,
sofern Sinneswahrnehmungen vorangehen. Was also jeder Bezeichnung
ursprünglich zugrunde liegt, ist evident. Und wir würden das Gesuchte gar
nicht suchen, wenn wir davon kein Vorwissen hätten, wie z.B. bei ,Ist das in
der Ferne Stehende ein Pferd oder ein Rind?‘ Denn irgendwann vorher muss
man mittels eines Vorbegriffs die Form eines Pferds oder die eines Rinds
kennengelernt haben.
Ein Epikureer erklärt einem Stoiker die Selbständigkeit des Kosmos und die
Untätigkeit der Götter
Und ihr pflegt uns zu fragen, Balbus, welches das
Leben der Götter ist. [...] Gewiss dasjenige, im Vergleich zu dem nichts
Glückseligeres [...] gedacht werden kann. Denn er treibt nichts [...] und bewegt
keinerlei Werke, [...] während der Eure völlig überarbeitet ist. Denn falls (1.)
die Welt selbst Gott ist – was kann weniger Ruhe haben als etwas, das sich
ohne die geringste Unterbrechung [...] um eine Achse dreht [...]. Oder falls (2.)
Gott jemand innerhalb der Welt ist, der regiert, der steuert [...] sowie die
Annehmlichkeiten und das Leben der Menschen beschützt, dann ist er gewiss
in beschwerliche und anstrengende Aufgaben verstrickt. [...] [Epikur] lehrte
uns nämlich [...], dass die Welt durch die Natur hervorgebracht worden ist und
dass es dazu überhaupt keiner kunstfertigen Herstellung bedurfte [...] Eben
weil ihr nicht seht, wie die Natur das ohne einen Geist zustandebringen konnte,
nehmt ihr wie die tragischen Dichter, weil ihr keine Lösung des Arguments
entwickeln könnt, Eure Zuflucht zu einem Gott.