Perkams-Zitatenschatz.de

Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Werk: Leidensgeschichte, Abaelard, Peter

3 Zitate aus diesem Werk im Zitaten­schatz:

  • Abaelard, Peter: Leidensgeschichte (Historia calamitatum) p. 63-65

    Peter Abaelard (1079-1142) über seinen Weg zur Philosophie:
    [1] Da mein Vater mich, den Erstgeborenen, besonders ins Herz geschlossen hatte, achtete er sehr sorgfältig auf meine Erziehung. Je schneller und leichter ich im Studium der Schriften vorankam, desto größer wurde meine Begeisterung für sie. Diese Liebe ging so weit, dass ich auf den Glanz ritterlichen Ruhmes samt meinem Erbe und den Vorrechten der Erstgeburt zugunsten meiner Brüder verzichtete und vom Gefolge des Mars ganz Abschied nahm, um im Schoß der Minerva aufgezogen zu werden.
    [2] Da ich die Bewaffnung mit dialektischen Argumenten allen Zeugnissen der Philosophie vorzog, vertauschte ich die anderen Waffen mit diesen und zog die Konflikte des Streitgesprächs allen allen Kriegstrophäen vor. Also wurde ich, indem ich disputierend durch verschiedene Provinzen zog – überall hin, wo ich von einer Blüte dieser Technik gehört hatte –, zu einem Nachahmer der Peripatetiker.
    [3] Schließlich kam ich nach Paris, wo diese Disziplin schon länger einen großen Aufschwung genommen hatte, zu Wilhelm von Champeaux, meinem Lehrer, der damals in diesem Fach an Können und Ansehen herausragte. Ich blieb einige Zeit bei ihm und war ihm zunächst willkommen. Später wurde ich ihm außerordentlich lästig, da ich manche seiner Ansichten zu widerlegen versuchte, immer wieder argumentative Angriffe gegen ihn führte und manchmal im Streitgespräch überlegen erschien. [...]
    [4] Hier nahm die Serie meiner Schicksalsschläge, die bis heute andauert ihren Anfang. Je mehr sich mein Ruhm ausbreitete, desto stärker loderte der Neid anderer.
  • Abaelard, Peter: Leidensgeschichte (Historia calamitatum) p. 72f. 79f

    Peter Abaelard über persönliche Ablenkungen und ihre Folgen:
    Unter dem Vorwand des Unterrichts gaben wir uns ganz der Liebe hin. Die wissenschaftliche Lektüre bot uns jene stillen Rückzugsmöglichkeiten, die sich die Liebe wünschte. Waren die Bücher aufgeschlagen, wurden mehr Worte über die Liebe als über den Lesestoff gewechselt, gab es mehr Küsse als Sätze, wanderten die Hände öfter zum Busen als zu den Büchern [...]. Der Onkel und seine Verwandten hörten davon [...]. Zutiefst entrüstet verschworen sie sich gegen mich. Eines Nachts [...] bestachen sie einen meiner Diener mit Geld und rächten sich an mir durch eine besonders grausame und schmachvolle Strafe, von der die Welt mit größtem Erstaunen hörte: Sie schnitten mir die Körperteile ab, mit denen ich begangen hatte, was sie beklagten. [...] Am meisten marterten mich [...] meine Studenten mit ihrem unerträglichen Geklage und Gejammere. Ich litt viel mehr unter ihrem Mitleid als am Leid aufgrund der Wunde, und ich fühlte mehr das Erröten als den Schlag. [...] Mir ging durch den Kopf, wie groß der Ruhm war, in dem ich eben noch gestanden hatte; wie schnell er durch diesen blamablen Fall verringert, ja ganz ausgelöscht worden war; wie gerecht das Urteil Gottes, das mich an jenem Teil des Körpers bestrafen ließ, mit dem ich Schuld auf mich geladen hatte.
  • Abaelard, Peter: Leidensgeschichte (Historia calamitatum) S. 65f

    Peter Abaelard über die Kernpunkte des Universalienstreits
    Als ich damals zu Wilhelm von Champeaux zurückgekehrt war [...], zwang ich ihn im Rahmen anderer Streitgespräche mit vollkommen überzeugenden Argumenten, seine alte Auffassung über die Universalien zu ändern, ja sogar zu widerlegen. Diese These zur Allgemeinheit der Universalien besagte, dass eine im Wesen identische Sache ganz und zugleich allen ihr zugehörigen Einzeldingen innewohne, zwischen denen es keinen Unterschied im Wesen, sondern nur eine Variation in der Menge der Akzidenzien gebe. Er hat diese seine These dahingehend korrigiert, dass er nicht mehr von einer ,im Wesen‘ identischen Sache, sondern von einer ,indifferent‘ identischen Sache sprach. Und weil bei den Dialektikern das Universalienproblem [...] immer herausragend ist [...], ist deswegen, weil er diese These korrigierte, seine Vorlesung auf eine solche Missachtung gestoßen, dass er Schwierigkeiten hatte, zu den übrigen Gebieten der Logik zugelassen zu werden.