Sergios von Rēšʿaynā (gest. 536), ein Schüler des Ammonios und syrischer Aristoteles-Adaptor erklärt auf Syrisch, was Philosophie ist
Die Philosophie ist eine Ähnlichkeit zu Gott (dumyā ḏ-allāhā). [...]
Und weiter sagen [die Philosophen]: Weil die rationale Seele die Mutter der Wissensformen und auch selbst in zwei Teile geteilt ist, deswegen teilte sich auch die Philosophie, die ihrerseits das Wissen von allem ist, in zwei Teile. [...] Sie sagen nämlich, dass zu diesen Erkenntniskräfte gehören, so wie Verstand, Denken und Meinen, und zu ihnen Lebenskräfte gehören, so wie Begehren, Zornmut und Wollen. Weil also die Philosophie die gesamte Seele reinigt, sagen sie zutreffend, dass auch sie in zwei Teile geteilt ist. Denn durch ihren ersten und theoretischen Teil [S. 342] reinigt sie die Erkenntniskräfte, so dass sie nicht etwas für ein anderes erkennen (= halten) , sondern die Wahrheit und die Bestimmtheit der Dinge erkennen. Durch den anderen, den praktischen Teil wiederum reinigt sie die Lebenskräfte und bereitet sie vor, dass ihre Lebensführung hierin nicht in unnützen Dingen besteht, sondern dass ihre Bewegungen richtig und trefflich erfolgen.
Ammonios, Sohn des Hermias, ein platonischer Philosophieprofessor in Alexandrien (ca. 435-517) und Lehrer des Philoponos, begründet die Zweiteilung der Philosophie und systematisiert die Lehre von den Seelenvermögen in folgender Weise
[1] "Die Philosophie ist ein Ähnlichwerden mit Gott gemäß dem dem Menschen möglichen." So hat es nämlich Platon definiert (Theaitet 176b). [...] Nun wird die Philosophie in die theoretische und die praktische eingeteilt. Es ist aber wert zu fragen, aus welchem Grund. [...]
[2] Weil wir gesagt haben, die Philosophie sei ein Ähnlichwerden mit Gott, weil Gott aber zweierlei Kräfte hat, die einen alles Seiende erkennenden, die anderen für uns niedriger Stehende Vorsehung treffenden, wird die Philosophie zu Recht in die theoretische und die praktische eingeteilt. [...]
[3] Unsere Seele hat ebenfalls zweierlei Kräfte, zum einen erkennende wie Verstand, Denken, Meinen, Vorstellen und sinnlich wahrnehmen, zum anderen lebendige und strebende wie Wollen, Zornmut und Begehren. Der Philosoph nun will alle Teile der Seele schmücken und zur Vollendung führen: Durch das Theoretische wird das Erkennende in uns vollendet, durch das Praktische das Lebendige.
Der platonisierende Redner Themistios (ca. 317-388) über wahre Philosophie
Nehmt Ihr vielleicht an, dass jemand ein Philosoph ist, wenn er herauf und herunter über logische Schlüsse spricht und in der Lage ist, jedwede Argumente zu überprüfen, die verborgenen offenzulegen, und zwar sowohl affirmative als auch negative, [...] deren Verständnis schwer, deren Kenntnis aber nutzlos ist? [...] Oder vielleicht eher, dass der ein Philosoph ist, der die Tugend gründlich behandelt und die Kühnheit und die Tapferkeit – wobei er auf einem Bettchen vor drei oder vier jungen Kindern sitzt und vor Schwäche nicht einmal in der Lage ist, aus seinem Häuschen heraus zu blicken? [...] Mir genügt es demgegenüber, den Gipfel der Philosophie zu bezeugen [...]. Denn der Hauptpunkt für Platon sowie das Ende und der Gipfel aller Worte ist dies, dass die Philosophie nichts anderes ist als das Ähnlichwerden mit Gott, soweit es einem Menschen möglich ist.
Al-Kindī (ca. 800-866) greift die antike These auf, die Philosophie sei die wertvollste Tätigkeit des Menschen
Unter den menschlichen Fertigkeiten kommen der erhabenste Rang und die ehrenvollste Stufe der Fertigkeit der Philosophie (falsafa) zu, die als Wissen um die Dinge in ihrer Wahrhaftigkeit (ḥaqīqa) definiert wird, soweit dies dem Menschen möglich ist.