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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Werk: Über die Seele, Aristoteles

22 Zitate aus diesem Werk im Zitaten­schatz:

  • Aristoteles: Über die Seele (De anima) II 1, 412a 11-b 9

    Aristoteles’ umrisshafte Definition von Seele
    [1] Substanzen scheinen in erster Linie die Körper zu sein, und von diesen die natürlichen. […] Von den natürlichen haben manche Leben, manche aber nicht. Leben nennen wir Ernährung, Wachstum und Schrumpfen durch sich selbst. Folglich ist jeder natürliche Körper, der am Leben Anteil hat, eine Substanz […] als zusammengesetzte. Weil auch das so Beschaffene ein Körper ist, nämlich einer, der Leben hat, ist die Seele folglich kein Körper. […]
    [2] Die [Seele als] Substanz ist aber Entelechie […] für einen so beschaffenen Körper. Diese wird aber auf zweierlei Weise ausgesagt, zum einen so wie ein Wissen, zum anderen so wie ein Betrachten. Nun ist klar, dass sie wie ein Wissen [so ist]. Denn dadurch, dass die Seele vorhanden ist, gibt es Schlaf und Wachsein. Das Wachsein verhält sich aber analog zum Betrachten, der Schlaf zum Haben und nicht Aktiv-Sein. […] Wenn man nun etwas Gemeinsames über jede Seele sagen muss, ist sie gewisse eine erste Entelechie eines natürlichen organischen Körpers.
    [3] Wenn man nun etwas Gemeinsames von jeder Seele sagen soll, so ist sie wohl die erste Vollendung eines natürlichen, organischen Körpers. Daher darf man auch nicht fragen, ob die Seele und der Körper eines sind, ebenso wenig wie bei dem Wachs und der Figur oder überhaupt der Materie von irgendetwas und dem, dessen Materie sie ist. Denn da das Eine und das Sein in mehrfacher Bedeutung ausgesagt werden, ist die Vollendung beides in entscheidender Bedeutung.
  • Aristoteles: Über die Seele (De anima) III 4, 429a 15-21

    Allgemeine Merkmale des Geistes (<i>νοῦς/nūs</i>) nach Aristoteles
    Also muss er [= der Geist] leidensunfähig sein und doch aufnahmefähig für die Form und in Möglichkeit derartig sein, aber nicht dieses, und ähnlich wie sich das Wahrnehmungsvermögen zum Wahrnehmbaren verhält, muss sich der Geist zum Denkbaren verhalten. Folglich muss er, weil er alles denkt, unvermischt sein, wie Anaxagoras sagt, damit er herrscht, d.h. damit er erkennt; denn das andersartige, das mit erscheint, hindert und versperrt.
  • Aristoteles: Über die Seele (De anima) III 5, 430a 10-15

    Aristoteles unterscheidet zwischen einem aktiven und einem passiven Element innerhalb des Geistes
    Da es aber wie in der ganzen Natur einerseits Materie gibt für jede Gattung – sie ist das, was alles Dazugehörige in Möglichkeit ist – andererseits das Ursächliche und Machende – dadurch, dass es alles macht, so wie sich das Handwerk zu seiner Materie verhält – müssen auch in der Seele diese Unterschiede vorliegen, und es gibt einen Geist von der Art, dass er alles wird, und einen von derjenigen, dass er alles macht [...] wie das Licht.
  • Aristoteles: Über die Seele (De anima) II 1, 413a 3-10

    Aristoteles fragt sich nach der Abtrennbarkeit der Seele
    Dass aber die Seele nicht abtrennbar vom Körper ist, oder zumindest gewisse Teile von ihr, wenn sie von Natur aus Teile hat, erweist sich deutlich. [...] Indes bei einigen Teilen spricht nichts dagegen [, dass sie abtrennbar sind], weil sie von keinem Körper Entelechie sind. Ferner ist unklar, ob die Seele so Entelechie für den Körper ist wie der Schiffer für das Schiff. Dass die Seele also nicht abtrennbar vom Körper ist, oder Teile von ihr, wenn sie von Natur aus geteilt ist, ist nicht zweifelhaft. […] Allerdings hindert bei einigen [Teilen] nichts daran, weil sie keine Entelechien von irgendeinem Körper sind. Ferner ist zweifelhaft, ob die Seele so Entelechie des Körpers ist wie der Schiffer für das Schiff.
  • Aristoteles: Über die Seele (De anima) III 5, 430a 20-25

    Aristoteles erwägt die Unvergänglichkeit des Geistes
    Wissen ist dasselbe wie das Ding. Das Wissen in Möglichkeit aber ist bei einem Gegenstand der Zeit nach früher, im Ganzen aber [auch] nicht der Zeit. Er denkt ja zeitweise und denkt zeitweise nicht. Aber nur abgetrennt ist er das, was er ist, und nur dies ist unsterblich und ewig. Aber wir haben keine Erinnerung [daran], weil dies frei von Erleiden ist; der erleidensfähige Geist ist hingegen vergänglich, und ohne diesen denkt man nichts.
  • Aristoteles: Über die Seele (De anima) I 1, 402a 5-7

    Die wissenschaftliche Bedeutung der Seelenlehre ist zunächst von Aristoteles zusammengefasst worden
    [1] Da wir voraussetzen, dass das Wissen zum Schönen und Ehrenhaften gehört, das eine [Wissen] aber mehr als das andere, entweder aufgrund seiner Genauigkeit oder, weil es sich auf Besseres und Bewunderungswürdigeres bezieht, möchten wir die Untersuchung über die Seele mit gutem Grund aufgrund von beidem an den ersten Platz stellen.
    [2] Die Kenntnis von ihr scheint aber für jede Wahrheit Großes beizutragen, besonders jedoch für die Natur. Denn die Seele ist gleichsam das Prinzip der Lebewesen.
  • Aristoteles: Über die Seele (De anima) I 1, 402a 5-7

    Aristoteles über die Schwierigkeit der Lehre von der Seele
    Wir suchen, ihre Natur und ihre Substanz zu betrachten und zu erkennen, sodann, was rings um diese hinzugekommen ist. Davon scheint manches eigentümliche Eigenschaften der Seele zu sein, anderes aber durch sie auch den Lebewesen zuzukommen. In jeglicher Hinsicht gehört es zum Schwierigsten, über sie eine bestimmte Überzeugung zu gewinnen.
  • Aristoteles: Über die Seele (De anima) I 1, 402a 12-19

    Aristoteles betont die Schwierigkeit, die daraus resultiert, die richtige Methode für die Behandlung der Seele zu finden
    Wenn nun die Untersuchung auch vielen anderen Dingen gemeinsam ist, ich meine die über die Substanz, das heißt das ,Was ist es?‘, könnte es rasch jemandem so scheinen, als gäbe es eine bestimmte Methode für alles, worüber wir die Substanz erkennen können, so wie den Beweis für das auf akzidentelle Weise Spezifische. […] Wenn es aber nicht eine bestimmte und gemeinsame Methode gibt […], wird die Behandlung noch schwieriger. Denn man wird für ein jedes begreifen müssen, was die Vorgehensweise, wenn dies aber klar ist, ob es ein Beweis ist, eine Dihairese oder noch eine andere Methode [...].
  • Aristoteles: Über die Seele (De anima) I 1, 402a 12-19

    Aristoteles über mögliche Elemente einer wissenschaftlichen Rede über die Seele
    [1] Zuerst ist es vielleicht notwendig zu analysieren, in welcher der Gattungen und was die Seele ist, ich meine, ob sie ein Dieses-da, das heißt eine Substanz, oder ein Wie-Beschaffen oder ein Wie-Viel ist, oder auch welche andere der unterschiedenen Kategorien; weiterhin aber, ob sie zu dem in Möglichkeit Seienden gehört oder eher eine gewisse Entelechie ist.
    [2] Man muss auch schauen, ob sie geteilt oder ohne Teile ist […]. Denn gegenwärtig scheinen die, die über die Seele sprechen und Untersuchungen anstellen, nur die menschliche Seele in den Blick zu nehmen. Man muss aber vorsichtig sein, damit nicht verborgen bleibt, ob ihr Gehalt einer ist, wie der von ,Lebewesen‘, oder für jeden Einzelfall ein anderer, wie den von ,Pferd‘, von ,Hund‘, von ,Mensch‘, von ,Gott‘, während das allgemeine Lebewesen entweder nichts ist oder etwas Sekundäres;
    [3] ferner aber […], ob man zuerst die ganze Seele oder ihre Teile untersuchen muss.
  • Aristoteles: Über die Seele (De anima) I 1, 402b 9-16

    Aristoteles stellt methodische Überlegungen dazu an, wie man die Teile oder Vermögen der Seele zu erforschen hat
    Weiterhin aber ist, wenn es nicht viele Seelen gibt, sondern Teile, [zu überlegen,] ob man zuerst die ganze Seele oder die Teile untersuchen soll. Schwierig ist es sodann auch zu definieren, welche von diesen verschieden voneinander sind, und ob man die Teile zuerst untersuchen soll oder ihre Aktivitäten, zum Beispiel [zuerst] das Denken oder den Geist, sowie [zuerst] das sinnliche Wahrnehmen oder das Wahrnehmungsvermögen. Auf ähnliche Weise auch bei den anderen [Seelenteilen]. Wenn aber die Aktivitäten zuerst [zu untersuchen sein sollen], wird jemand wiederum das Problem aufwerfen, ob die Gegenstände früher als diese untersucht werden müssen, wie das Sinnesobjekt vor dem Wahrnehmungsvermögen, und das Denkobjekt vor dem Denken.
  • Aristoteles: Über die Seele (De anima) II 2, 413a 27-27; II 3, 414a 30-b 7

    Aristoteles erläutert seine Theorie der Teile und der Einheit der Seele
    [1] Das Beseelte wird vom Unbeseelten durch das Leben unterschieden. Da aber ,leben‘ auf mehrfache Weise ausgesagt wird, sagen wir auch dann, wenn nur eines davon vorhanden ist, dass etwas lebe, also [im Hinblick auf] Geist, Sinneswahrnehmung, Bewegung und Ruhe, nämlich dem Ort nach, ferner Bewegung der Ernährung nach, sowie Zugrunde-Gehen und Wachsen. Deswegen scheint alles Pflanzliche zu leben. […]
    [2] Von den Vermögen der Seele sind bei manchem alle genannten vorhanden, […] bei manchem einige von ihnen, bei manchem eine allein. […] Bei den Pflanzen ist aber nur das Nährvermögen vorhanden, bei anderem dieses und das Wahrnehmungsvermögen. Wenn aber das Wahrnehmungsvermögen [vorhanden ist], auch das Strebevermögen. Denn das Streben ist ja Begehren, Zornmut und Wollen.
    [3] Alle Lebewesen haben aber eine der Sinneswahrnehmungen, den Tastsinn. Was aber Sinneswahrnehmung besitzt, besitzt auch Freude und Beschwernis, so wie etwas Freudvolles und Beschwerliches. Wo aber dies vorhanden ist, ist es auch Begehren. Denn das Streben richtet sich auf das Freudvolle.
  • Aristoteles: Über die Seele (De anima) II 2, 413a 27-27; 414b 20-27

    Aristoteles erklärt die Einheit der Seele
    Es ist also klar, dass der Gehalt von ,Seele‘ auf dieselbe Weise einer ist wie der von ,[geometrischer] Figur‘. Denn weder gibt es in diesem Fall eine Figur abgesehen vom Dreieck und dem darauf Aufbauenden, noch hier eine Seele abgesehen von den genannten. Es dürfte aber für die Figuren einen gemeinsamen Gehalt gegeben, der folglich zu allen passt, aber für keine Figur spezifisch ist. Ebenso ist es auch bei den genannten Seelen. Deswegen ist es lächerlich, den allgemeinen Gehalt [von Seele] zu untersuchen […], der doch für keine ein spezifischer Gehalt sein wird, und auch nicht der eigentümlichen und individuellen Form entsprechend.
  • Aristoteles: Über die Seele (De anima) I 2, 403b 24-31 und 405b 32-406a 16

    Aristoteles kritisiert die Vorstellung, die Seele könne selbstbewegend sein
    [1] Das Beseelte scheint sich gewiss vom Unbeseelten vor allem durch Zweierlei zu unterscheiden, durch Bewegung und durch Wahrnehmen. Wir haben auch von unseren Vorgängern im Großen und Ganzen diese zwei Punkte über die Seele überliefert bekommen.
    [2] Denn es sagen einige, […] die Seele sei das Bewegende, wobei sie glauben, etwas selbst nicht Bewegtes könne nicht etwas anderes bewegen. […]. Vielleicht […] ist es nicht nur falsch, dass ihre Substanz so ist, wie die sagen, die behaupten, die Seele sei etwas Selbstbewegendes oder bewegen Könnendes, sondern es gehört zum Unmöglichen, dass ihr selbst Bewegung zukommt. […]
    [3] Jetzt untersuchen wir über die Seele, ob ihr an sich selbst Bewegung zukommt und sie an Bewegung Anteil hat. Da es nun vier Bewegungen gibt – Ortsbewegung, Veränderung, Schrumpfen, Wachstum –, muss sie entweder auf eine dieser Weisen, auf mehrere oder auf alle bewegt werden. Wenn sie aber nicht akzidentell bewegt wird, muss ihr die Bewegung von Natur aus zukommen. Wenn das aber der Fall ist, auch ein Ort. Denn alle genannten Bewegungen finden an einem Ort statt.
  • Aristoteles: Über die Seele (De anima) II 4, 415a 15-23

    Aristoteles über die Rolle der Objekte für die Erkenntnis der Seelenvermögen
    Es ist nun notwendig, dass jemand, der über diese [Seelenteile] eine Untersuchung anstellen will, von jedem Einzelnen begreift, was es ist, und dann Untersuchungen über das Implizierte und das andere anstellt. Wenn man aber sagen muss, was ein jedes von ihnen ist, so wie, was das Denkvermögen oder das Wahrnehmungsvermögen oder das Nährvermögen ist, muss man noch davor sagen, was das Denken und was das Wahrnehmen ist. Denn die Aktivitäten und die Taten sind gemäß ihrem Gehalt früher als die Vermögen. Wenn das aber so ist und man zudem noch früher als diese [Akte] die Objekte betrachtet haben muss, muss man folglich aus demselben Grund zuerst über diese [Objekte] Bestimmungen treffen, zum Beispiel über Nahrung, das Sinnesobjekt und das Denkobjekt.
  • Aristoteles: Über die Seele (De anima) II 3, 415a 15-23

    Aristoteles erklärt den Zusammenhang der Seelenvermögen mit den verschiedenen Formen des Lebens
    [1] Für jedes Einzelne muss man untersuchen, welches die Seele für ein jedes ist, zum Beispiel welche die der Pflanze und welche die des Menschen oder Tieres ist. […]
    [2] Denn ohne das Nährvermögen gibt es das Wahrnehmungsvermögen nicht. Vom Wahrnehmungsvermögen ist das Nährvermögen in den Pflanzen abgetrennt. Wiederum ist ohne den Tastsinn keiner von den anderen Sinnen vorhanden, das Tasten ist aber ohne die anderen vorhanden. Denn viele Lebewesen haben weder Gesichtssinn noch Gehör noch den Sinn des Geschmacks. Und von den wahrnehmungsfähigen [Wesen] haben einige das Vermögen zur Ortsbewegung, andere hingegen nicht.
    [3] Das letzte und am seltensten ist Nachdenken und Rationalität. Denn bei denjenigen der vergänglichen [Wesen], bei denen das Nachdenken vorhanden ist, ist auch alles Übrige vorhanden, aber nicht bei all denen, bei denen jedes davon vorhanden ist, gibt es das Nachdenken, sondern bei manchen nicht einmal Vorstellungskraft. Andere aber leben nur durch diese. Über den theoretischen Geist gibt es ein anderes Argument. Dass nun also das Argument über jedes von diesem auch das spezifischste über die Seele ist, ist klar [geworden].
  • Aristoteles: Über die Seele (De anima) II 4, 415a 15-23

    Aristoteles beschreibt die Besonderheiten des Nährvermögens und erklärt seine Ansicht über die Ewigkeit der Arten
    [1] Die Nährseele ist nämlich auch bei den anderen [beseelten Wesen] vorhanden, und sie ist das erste und allgemeinste Seelenvermögen, dem gemäß allem das Leben zu kommt.
    [2] Ihre Werke sind das Zeugen und der Gebrauch von Nahrung. Denn es ist das Natürlichste der Werke für das Lebendige, welches vollkommen und nicht eingeschränkt ist oder ein automatisches Hervorbringen besitzt, etwas anderes so wie es selbst hervorzubringen, ein Tier ein Tier, eine Pflanze eine Pflanze, damit sie am Ewigen und Göttlichen Anteil haben, soweit sie es können. Denn danach strebt alles, und deswegen macht es, was es natürlicherweise macht […].
    [3] Weil es also nicht in der Lage ist, durch Kontinuität mit dem Ewigen und Göttlichen Gemeinschaft zu haben, weil nichts Vergängliches ein- und dasselbe der Zahl nach bleiben kann, hat jedes Einzelne damit Gemeinschaft, soweit es daran Anteil haben kann, das Eine mehr, das andere Weniger, und bleibt nicht dasselbe, sondern so wie dasselbe, nicht eines der Zahl nach, aber der Art nach Eines.
  • Aristoteles: Über die Seele (De anima) II 12, 424a 18-28

    Aristoteles trifft grundlegende Aussagen über die Sinneswahrnehmung
    [1] Im Allgemeinen muss man über jede Sinneswahrnehmung begreifen, dass die Sinneswahrnehmung etwas ist, was die sinnlichen Formen ohne Materie aufnehmen kann, so wie das Wachs das Zeichen des Siegelrings ohne das Eisen und das Gold aufnimmt. Es nimmt aber das goldene oder eiserne Zeichen auf, aber nicht, insofern es Gold oder Eisen ist. Ähnlich erleidet auch die Sinneswahrnehmung durch das, was eine Farbe oder einen Geschmack oder einen Ton aufweist, aber nicht so, dass gesagt wird, sie sei ein jedes davon, sondern als ein derartiges und gemäß dem Gehalt.
    [2] Das erste Sinnesorgan ist das, worin sich das so geartete Vermögen befindet. Es ist nun dasselbe [wie das Wahrgenommene], aber das Sein ist verschieden. Denn sonst wäre das Wahrnehmende eine Größe. Aber gewiss ist es weder eine Größe, wahrnehmend zu sein, noch ist die Sinneswahrnehmung eine, sondern [sie ist] ein bestimmter Gehalt und ein Vermögen für jenes.
  • Aristoteles: Über die Seele (De anima) II 6, 418a 8-22

    Aristoteles erläutert das Verhältnis der jeweiligen Sinne zu ihren Objekten
    [1] Von einem Sinnesobjekt spricht man auf dreierlei Weise, wobei wir sagen, dass wir zwei an sich wahrnehmen, eine aber akzidentell. Von den zweien ist das eine spezifisch für jeden Sinn, das Allgemeine aber für alle. Ich nenne ,spezifisch‘ das, was nicht mit einem anderen Sinn wahrgenommen werden kann […], so wie der Gesichtssinn auf die Farbe gerichtet ist, das Gehör auf den Ton und der Geschmackssinn auf den Geschmack. Das Tasten hat aber mehrere Differenzen.
    [2] Aber jede einzelne urteilt über dieses und täuscht sich nicht darin, dass dies eine Farbe oder ein Ton ist, sondern darin, was das Gefärbte ist und wo es ist, oder was das den Ton Verursachende ist oder wo es ist. Das derartige wird spezifisch für jeden einzelnen [Sinn] genannt. Allgemein sind aber Bewegung, Ruhe, Zahl, Gestalt und Größe. Denn derartiges ist […] allen [Sinnen] gemeinsam. Denn eine Bewegung ist wahrnehmbar für das Tasten und den Gesichtssinn.
    [3] Akzidentell wahrnehmbar wird aber etwas genannt, wie wenn das Weiße der Sohn des Diares ist. Denn diesen nimmt man akzidentell war, weil das Weiße, das man wahrnimmt, akzidentell dieses ist. Deswegen erleidet man [in diesem Fall nichts] unter dem Sinnesobjekt als solchem.
  • Aristoteles: Über die Seele (De anima) II 7, 418a 29-b 2

    Auf physikalischer Ebene meint Aristoteles, dass zur Sinneswahrnehmung ein Medium zwischen Organ und wahrgenommenem Objekt erforderlich ist
    [1] Das […] Sichtbare ist Farbe. […] Jede Farbe ist aber geeignet, das […] Durchsichtige zu bewegen. […] Deswegen ist es ohne Licht nicht sichtbar. […].
    [2] Denn nicht richtig […] spricht Demokrit in der Überzeugung, dass dann, wenn das Medium leer wäre, exakt gesehen würde, selbst wenn ein Maulwurf im Himmel wäre. Denn dies ist unmöglich. Denn das Sehen geschieht, wenn das Wahrnehmungsvermögen etwas erleidet. Durch die gesehene Farbe selbst ist nun ist das unmöglich. Es bleibt also, dass es durch das Medium geschieht, so dass es notwendig ist, dass es irgendein Medium gibt. Wenn aber etwas Leeres entsteht, ist es nicht so, dass exakt, sondern dass überhaupt nichts gesehen wird.
  • Aristoteles: Über die Seele (De anima) III 12, 426b 13-427a 5

    Aristoteles erläutert die Funktion des Gemeinsinns
    Weil wir nun sowohl das Weiße als auch das Süße und ein jedes der Sinnesobjekte jeweils im Einzelnen beurteilen, nehmen wir auch mit etwas wahr, dass sie sich unterscheiden; aber notwendigerweise durch Sinneswahrnehmung. Denn es sind Sinnesobjekte. […] Aber beides muss einem Bestimmten offenbar sein – denn in der Weise, wie wenn ich das eine und du das andere erkennen würdest, wären sie offensichtlich voneinander verschieden. Es muss aber dieses Eine sagen, dass sie verschieden sind […]. Dies sagt also ein- und dasselbe [Vermögen]. […] Dass es also nicht möglich ist, Getrenntes mit Getrenntem zu beurteilen, ist klar; dass es auch nicht zu einem getrennten Zeitpunkt geschehen kann, aus Folgendem: […] Zum Beispiel sage ich jetzt, dass es verschieden ist, aber nicht, dass es jetzt verschieden ist. Sondern so sagt man: sowohl jetzt als auch, dass es jetzt [so ist]. Gleichzeitig also. […] Aber gewiss ist es unmöglich, dass dasselbe, insofern es untrennbar ist, gleichzeitig auf gegensätzliche Weisen bewegt wird. […] Es ist nun so, dass es wie etwas Getrenntes getrennte Objekte wahrnimmt, aber auch so, dass es dieses wie etwas Ungetrenntes [tut]. Denn dem Sein nach ist es getrennt, dem Ort und der Zeit nach ungetrennt.
  • Aristoteles: Über die Seele (De anima) III 3, 427b 15-25

    Aristoteles beschreibt das Vorstellen (phantasia) und grenzt es vom Meinen ab
    Das Vorstellen […] ist etwas anderes als Sinneswahrnehmung und Denken. Es geschieht nicht ohne Sinneswahrnehmung, und ohne es gibt es kein Vermuten. Dass das Vorstellen nicht dasselbe ist wie das Vermuten, ist klar. Denn dieses Erleiden liegt bei uns, wenn wir wollen (denn es ist möglich, sich etwas vor Augen zu stellen [...]), zu meinen liegt aber nicht bei uns. Denn notwendigerweise ist es richtig oder falsch. Ferner erleiden wir sogleich etwas, sobald wir etwas Schreckliches oder Furchtbares meinen, ähnlich auch bei etwas Mutigem. Beim Vorstellen verhalten wir uns so wie die, die in der Schrift Schreckliches oder Mutiges betrachten.
  • Aristoteles: Über die Seele (De anima) III 3, 428a 1-16

    Aristoteles definiert die Grenzen des Vorstellens näher und betont ihre Passivität und Irrtumsanfälligkeit
    [1] Wenn nun das Vorstellen das ist, von dem wir sagen, durch es trete bei uns eine Vorstellung ein […], gibt es ein Vermögen oder einen Habitus, mit dem wir urteilen und richtig oder falsch liegen. Von dieser Art sind Sinneswahrnehmung, Meinen, Wissen, Geist. […] Es wird aber etwas vorgestellt, wenn nichts davon vorhanden ist, zum Beispiel das in den Träumen [Erscheinende].
    [2] Sodann ist die Sinneswahrnehmung immer vorhanden, das Vorstellen nicht. Wenn es aber der Aktivität nach dasselbe ist, müsste bei allen Tieren ein Vorstellen vorhanden sein können. Es scheint aber nicht [so zu sein]: wie bei einer Ameise oder einer Biene, nicht aber bei einem Maulwurf.
    [3] Ferner sind diese [Sinneswahrnehmungen] nun immer wahr, die meisten Vorstellungen sind aber falsch. Sodann sagen wir auch nicht, wenn wir exakt in Bezug auf ein Wahrnehmungsobjekt aktiv sind, dass dieses von uns als ein Mensch vorgestellt wird, sondern eher, wenn wir nicht klar wahrnehmen.