Gregor von Nyssa begegnet in seinem Dialog ,Über die Seele und die Auferstehung‘ seiner Schwester Makrina als tröstender Lehrerin
[1] Und ich sagte: "Wie kann man dies unter den Menschen richtig aufnehmen, wo doch in einem jeden eine Art natürliches Misstrauen gegenüber dem Tod besteht und wo die, welche Sterbende sehen, den Anblick nicht wohlmeinend aufnehmen und die, denen der Tod naht, ihn fliehen, soweit es möglich ist?" […]
[2] "Was aber", sagte die Lehrerin, "scheint Dir selbst an genau diesem, dem Tod, am meisten betrüblich?" Gregor: Wenn wir […] vom Ausgang der Seele hören, sehen wir das übrig Gebliebene und wissen doch über das von ihm Getrennte nicht, was es der Natur nach ist und wohin es herübergeschritten ist, da weder Erde, noch Luft, noch Wasser, noch irgendein anderes Element in ihm die Kraft erkennen lässt, die den Körper verlassen hat.
Im Horizont des Auferstehungsglaubens betont Gregor die bleibende Verbindung der unkörperlichen Entitäten Gott und Seele mit den Elementen Makrina: Nun haben wir keinen Zweifel daran, dass die unsagbare Weisheit Gottes, welche im All die göttliche Natur und Kraft widerspiegelt, in allem Seienden ist, so dass alles im Sein bleibt: Obwohl die göttliche Wesenheit, wenn Du nach dem Logos ihrer Natur fragst, unendlich weit entfernt ist von dem, was sich in der Schöpfung zeigt und gedacht wird, so besteht doch Einigkeit, dass dieses der Natur nach Entfernte in ihnen ist. Ebenso ist es keineswegs unglaubwürdig, dass auch die Wesenheit der Seele, die von sich aus etwas ganz anderes ist […] nicht in verhindernder Weise gegenüber dem Sein des im Kosmos auf die Weise der Elemente Betrachteten besteht, das ihr gemäß dem Logos der Natur nicht zukommt.
Gregor von Nyssa (ca. 335/40-394), einer der besten Philosophen unter den griechischen Kirchenvätern, erläutert den Anlass seines Dialogs mit seiner Schwester Makrina
a) Als der unter den Heiligen große Basileios das menschliche Leben zu Gott hin verließ und den Kirchen ein allgemeiner Ansturm der Trauer zustieß, aber die Schwester und Lehrerin noch im Leben zugegen war, da ging ich eifrig zu ihr, um mit ihr zusammen zu sein angesichts des Unglücks, das den Bruder betraf; und schmerzbeladen war mir die Seele, überreich an Leid wegen dieses großen Verlustes, und ich suchte einen Gefährten der Tränen, der dieselbe Last der Trauer trug wie ich.
b) Als wir einander vor Augen standen, da wärmte mir die Lehrerin, als sie vor den Augen erschien, das Leiden auf, denn auch sie wurde schon von der Schwäche zum Tode hingehalten. Sie aber, die mir, auf die Weise der Meister der Reitkunst, eingegeben hatte, ein wenig von der Wucht des Leides fortgetragen zu werden, ging danach daran, dies zu begrenzen, indem sie mit dem Wort, wie mit einem Zügel, durch das eigene Nachdenken das Ungeordnete der Seele wiederherstellte, und von ihr wurde das Apostelwort vorgebracht, man brauche nicht über die Entschlafenen zu trauern, denn dieses Leiden passe nur zu denen, die keine Hoffnung haben.
Gregors/Makrinas Argument für die Unsterblichkeit der Seele mithilfe der Lehre vom Menschen als Mikrokosmos/Kleine Welt
Von den Weisen wird gesagt, der Mensch sei ein kleiner Kosmos, der in sich die Elemente umfasse, durch die das All vollständig ist. Wenn aber diese Aussage richtig ist, und so scheint es zu sein, dann dürften wir wohl keine weitere Unterstützung brauchen, um es für uns gewiss zu machen, was wir über die Seele angenommen haben.
Gregors/Makrinas Argument für die Unsterblichkeit der Seele
[1] Wir haben aber angenommen, sie (= die Seele) bestehe für sich selbst in einer abgehobenen und eigentümlichen Natur neben der körperlichen Schwerfälligkeit.
[2] Es ist so, wie wenn wir den ganzen Kosmos durch die sinnliche Wahrnehmung erkennen und durch genau diese Aktivität der Wahrnehmung zur Einsicht in die Tatsache [= die Idee] und das Denken jenseits der Sinneswahrnehmung geführt werden: Das Auge wird uns zum Erklärer der mit vielen Vermögen versehenen Weisheit [Gottes], die durch das All eingesehen wird. [...]
[3] Genauso haben wir, wenn wir auf den Kosmos in uns blicken, keine geringen Anregungen dazu, um durch das Erscheinende auch das Verborgene aufzufinden. Verborgen ist aber das, was, da es in sich selbst geistig und ohne Gestalt ist, die sinnliche Auffassung flieht.