Aristoteles’ Gründe dafür, die Freude nicht für den Inhalt der Eudaimonie zu
halten
Jeder Aktivität ist eine eigentümliche Freude zugeordnet; die der
tugendhaften [Aktivität] zugeordnete [Freude] ist tugendhaft, die der
verwerflichen [zugeordnete] schlecht. Denn auch die Begierde nach Edlem ist
lobenswert, die nach Schändlichem tadelnswert. [...] Es scheint aber jedem
Lebewesen eine eigentümliche Freude zugeordnet zu sein, so wie auch eine
Tätigkeit. [...] Denn für die Esel ist die Nahrung freudvoller als Gold. [...] Bei
den Menschen freilich gibt es keine geringen Unterschiede. Denn dasselbe
erfreut den einen und bereitet dem anderen Leid und ist für die einen leidvoll
und verhasst, für die anderen aber freudvoll und willkommen. [...] Es ist für
den Fieberkranken nicht dasselbe wie für den Gesunden. [...] Wenn dies richtig
ist [...] und das Maß von allem die Tugend und der gute [Mensch] als solcher
sind, so wird auch Freude sein, was ihm so scheint, und freudvoll, voran er
Vergnügen hat.
Epikurs Begründung und Erklärung des Vorrangs der Freude (wörtlich zitiert von Cicero)
Ich für
meinen Teil kann nichts als das Gute begreifen, wenn ich die Genüsse abziehe,
die man durch den Geschmack wahrnimmt, die abziehe, die durch das
Liebesleben vermittelt werden, die abziehe, die durch das Hören von Gesängen
entstehen, und auch die abziehe, die sich beim Wahrnehmen von Gestalten als
angenehme Bewegungen durch die Augen bilden, oder auch alle Genüsse,
welche sonst noch von irgendeiner Sinneswahrnehmung im ganzen Menschen
hervorgebracht werden. Man kann aber sicherlich nicht sagen, dass nur die
Freude des Geistes ein Gut sei. Denn einen freudigen Geist erkenne ich an der
Erwartung all der Dinge, die ich eben erwähnt habe – dass sie ihrer Natur nach
so sind, dass er, wenn er sie sich aneignet, vom Schmerz frei ist. [...] Männer,
die man weise nannte, habe ich oft gefragt, was sie an Gütern denn noch
übrig ließen, wenn sie all jenes abzögen, außer sie wollten bloß leere Worte
verbreiten. Ich habe nichts von ihnen erfahren können. Wenn sie weiter von
Tugenden und Weisheiten schwatzen wollen, werden sie von nichts anderem
reden als dem Weg, auf dem eben die Genüsse hervorgebracht werden, von
denen ich oben sprach.
Die Verbindung der Freude mit der menschlichen Natur nach Epikur
Jedes
Lebewesen strebt, sobald es geboren ist, nach Genuss, freut sich daran als an
dem höchsten Gut und verschmäht Schmerz als das größte Übel und weist ihn
von sich, soweit es kann; dies tut es, wenn es noch nicht verdorben ist,
dadurch, dass seine Natur selbst unverfälscht und integer urteilt. Deshalb
bestreitet [Epikur], dass ein Argument oder eine Erörterung darüber benötige,
weshalb der Genuss anzustreben und der Schmerz zu meiden sei. Er ist der
Meinung, dass man diese Dinge ebenso merkt wie, dass Feuer heiß, der Schnee
weiß und der Honig süß ist. [...] Weil nämlich nichts mehr übrig ist, wenn man
vom Menschen die Sinne abzieht, muss notwendig von der Natur selbst
beurteilt werden, was ihr gemäß oder was wider die Natur ist. Was nimmt sie
nun wahr oder urteilt sie, was anzustreben oder zu meiden ist, außer Genuss
und Schmerz.
Epikurs Theorie der Unterscheidung verschiedener Freuden
(1) Von den
Begierden sind die einen natürlich, die anderen leer. Und von den natürlichen
sind die einen notwendig, die anderen nur natürlich. Von den notwendigen
wiederum sind die einen notwendig zum Glück, andere notwendig zur
störungsfreien Funktion des Körpers und die dritten notwendig zum Leben
selbst. (2) Denn eine unbeirrte Betrachtung hiervon weiß jedes Wählen und
Meiden auf die Gesundheit des Körpers und die Freiheit der Seele von
Verwirrung zurückzubeziehen. [...] Um dessentwillen nämlich tun wir alles,
damit wir weder Schmerzen erleiden noch Verwirrung empfinden. (3) Eben
deswegen [...] erkennen wir die Freude als das erste und verwandte Gut [...],
und wir kehren zu ihr zurück, indem wir jedes Gut anhand der Empfindung als
Richtmaß beurteilen.
(4) Aber wir übergehen gelegentlich viele Freuden, wenn
aus ihnen mehr Unangenehmes für uns folgt; auch halten wir viele Schmerzen
für besser als Freuden, wenn daraus für uns eine größere Freude folgt. [...] (5)
Wenn wir also sagen, die Freude sei das Ziel, meinen wir damit nicht die Lüste
der Hemmungslosen und jene, die im Genuss bestehen [...], sondern: weder
Schmerz im Körper noch Erschütterung in der Seele zu empfinden. Denn nicht
Trinken und Gelage [...] bringen das freudvolle Leben hervor, (6) sondern die
nüchterne Überlegung, welche sowohl die Ursachen jeden Wählens und
Meinens aufspürt als auch die Meinungen ausmerzt, aufgrund derer die Seelen
besonders große Verwirrung befällt. Der Anfang für all dies und das größte
Gute ist die Klugheit [...], aus der alle übrigen Tugenden hervorgehen.
Eine epikureische Definition der Freude bzw. Lust
Jetzt werde ich
erklären, was und wie beschaffen die Freude in sich ist. [...] Die Freude, der
wir nachgehen, ist nämlich nicht bloß die, die durch irgendeine
Annehmlichkeit unsere Natur bewegt und deren sinnliche Wahrnehmung von
einem gewissen Wohlbefinden begleitet ist. Als die größte Freude sehen wir
vielmehr diejenige an, die wahrgenommen wird, wenn einmal aller Schmerz
verschwunden ist. Da wir nämlich, wenn wir von Schmerz befreit werden, uns
eben über die Befreiung und das Lossein von von aller Beschwernis freuen und
da alles, worüber wir uns freuen, Freude ist – ebenso wie alles das Schmerz ist,
was uns wehtut – deswegen wird zu Recht jede Befreiung von Schmerz als
Freude bezeichnet.