Peter Abaelard diskutiert in seinem Dialog das Verhältnis von Ethik und Theologie
a) Christ: Nun brechen wir schließlich, wie ich es auffasse, zum Ziel und zur
Vollendung aller Disziplinen auf, die ihr gewöhnlich Ethik, d.h. Morallehre,
wir Theologie nennen. Dabei nennen wir sie nämlich nach dem so, zu dessen
Erreichen gestrebt wird, d.h. nach Gott, ihr aber nach dem, wodurch dorthin
gelangt wird, d.h. nach den guten Sitten, die ihr Tugenden nennt.
Philosoph: Ich stimme dem zu, was auf der Hand liegt, und billige die neue
Benennung durch euren Namen durchaus. Weil ihr nämlich das, zu dem hin
gelangt wird, für würdiger haltet als das, wodurch der Fortschritt entsteht,
und weil angelangt sein glücklicher ist als fortschreiten, ist diese Benennung
durch euren Namen ehrenvoller und zieht den Leser vom Ursprung der
eigenen Herleitung her ganz besonders an. Wenn sie in der Lehre so
herausragt wie im Worte, dann ist ihr, denke ich, keine Disziplin zu
vergleichen.
b) Jetzt wollen wir also, wenn es recht ist, dass Du festsetzt, worin die Summe
der wahren Ethik besteht und was wir aus dieser Disziplin betrachten sollen
und wodurch, wenn es denn erlangt ist, ihre Intention vollendet sein wird.
Christ: Wie ich meine, lässt sich die Summe dieser Disziplin darin
zusammenfassen, dass sie erklärt, was das höchste Gut ist und auf welchem
Weg wir dorthin gelangen können.
Peter Abaelard erläutert die philosophische und die christliche Definition des Glücklichseins
a) Philosoph: Diese Glückseligkeit nennt Epikur, wie ich meine, Lust, euer
Christus aber ,Königreich der Himmel‘. Was macht es, mit welchem Namen
sie benannt wird, solange nur die Sache dieselbe bleibt und bei den
Philosophen und den Christen weder die Glückseligkeit verschieden ist noch
eine andere Intention des gerechten Lebens vorgegeben wird? Denn so wie
ihr, so beabsichtigen auch wir, hier gerecht zu leben, damit wir dort
verherrlicht werden, und kämpfen hier gegen Laster, um dort wegen der
Verdienste der Tugenden gekrönt zu werden, wenn wir nämlich dieses
höchste Gut als Lohn empfangen.
b) Christ: Aber so weit ich sehe, sind hierin sowohl unsere und eure Intention
als auch die Verdienste verschieden, und sogar über das höchste Gut haben
wir nicht geringfügig unterschiedliche Ansichten.
Philosoph: Das, bitteschön, erkläre mir, wenn Du kannst.
c) Niemand nennt zu Recht etwas ,höchstes Gut‘, im Vergleich zu dem
etwas Größeres gefunden wird. [...] Aber jede menschliche Glückseligkeit
oder Herrlichkeit übersteigt die göttliche klarerweise bei weitem und
unaussagbar; also darf keine außer ihr zu Recht ,höchste‘ genannt werden,
und außer ihm wird nichts zu Recht ,höchstes Gut‘ genannt.
Philosoph: An dieser Stelle geht es uns nicht um das höchste Gut an sich,
sondern um das höchste Gut für den Menschen.
Christ: Aber auch ,höchstes Gut für den Menschen‘ nennen wir nichts zu
Recht, im Vergleich zu dem ein größeres Gut für den Menschen gefunden
wird.
Petrus Abaelardus (ca. 1079-1142) sieht die Idee Gottes als Grundlage rationaler Auseinandersetzung an
Ich schaute in einer Erscheinung der Nacht – und siehe: drei Männer, die auf unterschiedlichen Wegen kamen, stellten sich vor mich hin. Ich fragte sie gleich nach der Art einer Vision, zu welchem Bekenntnis sie gehörten und warum sie zu mir gekommen seien. ,Menschen sind wir‘, sagten sie, ,die verschiedenen Glaubensrichtungen nachgehen. Zwar bekennen wir alle gleichermaßen, Verehrer eines einzigen Gottes zu sein, doch dienen wir ihm mit einem unterschiedlichen Leben und Glauben. Einer von uns, ein Heide, gehört zu denen, die man Philosophen nennt, und ist mit dem natürlichen Sittengesetz zufrieden. Die anderen zwei aber haben Schriften; von ihnen wird der eine Jude, der andere Christ genannt.
Peter Abaelard erklärt die Gutheit des göttlichen Handelns in der Freiheit, die er dem Teufel lässt
Egal, ob Gott dem Teufel gestattet, gegen die Heiligen oder gegen die Ungerechten zu wüten, es steht völlig außer Zweifel, dass er das, dessen Gestatten gut ist, nicht anders als gut gestattet, dass der Teufel aber nicht anders als schlecht dasjenige tut, dessen Getan-Werden trotzdem gut ist und eine vernünftige Ursache hat, warum es getan wird, auch wenn sie uns unbekannt ist. [...] Denn es wäre nicht gut, sie zu gestatten, wenn es nicht gut wäre, dass sie geschehen, und derjenige wäre nicht vollkommen gut, der das, dessen Geschehen nicht gut wäre, nicht verhinderte, obwohl er es könnte. Vielmehr wäre er eindeutig deswegen anzuklagen, weil er dem Geschehen von etwas zustimmte, dessen Geschehen nicht gut war. [...] Deswegen ist es auch gut, dass das Schlechte existiere oder geschehe, obwohl das Schlechte selbst keinesfalls gut ist.