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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Thema: Ich/Ich-Bewusstsein

6 Zitate zu diesem Thema im Zitatenschatz:

  • Augustinus von Hippo: Die freie Entscheidung (De libero arbitrio ) 2, 20f. (p. 239, 6-240, 16 Green)

    Augustinus stellt die Frage nach der Selbstexistenz als Grundlage seiner Reflexionen über den Willen
    Augustinus: Zuerst frage ich dich, um vom Offensichtlichsten den Anfang zu nehmen, ob du selbst bist. Oder fürchtest du vielleicht, dass du in dieser Frage getäuscht wirst? Denn wenn Du nicht wärest, könntest du deswegen überhaupt nicht getäuscht werden.
    Evodius: Schreite ruhig zum Weiteren voran.
    Augustinus: Weil also offensichtlich ist, dass du bist, und es dir nicht anders klar wäre, wenn Du nicht lebtest, ist auch dies klar, dass du lebst. Erkennst du, dass diese zwei am allerwahrsten sind?
    Evodius: Ganz und gar verstehe ich das.
    Augustinus: Also ist auch dieses dritte offensichtlich, d.h. dass du erkennst.
  • Augustinus von Hippo: Die freie Entscheidung (De libero arbitrio ) I 82f. 86 (p. 227, 27-36; 228, 54-57 Green)

    Augustinus fragt nach dem Willen und nach dem guten Willen und appelliert so an die Selbsterfahrung des Gesprächspartners
    [1] Augustinus: Ich frage Dich, ob es bei uns irgendeinen Willen gibt.
    Evodius: [...] Es kann nicht bestritten werden, dass wir einen Willen haben. [...]
    [2] Augustinus: Sage auch [...], ob Du meinst, dass Du auch einen guten Willen hast.
    Evodius: Was ist ein guter Wille?
    Augustinus: [...] Sieh nur, ob Du ein richtiges und ehrbares Leben nicht anstrebst [...] oder etwa zu bestreiten wagst, dass wir, wenn wir dies wollen, einen guten Willen haben. [...]
    [3] Was nämlich liegt so sehr im Willen wie der Wille selbst? Ein jeder, der diesen als guten hat, hat gewiss das, was allen irdischen Königreichen und allen Lüsten des Körpers weit vorzuziehen ist.
  • Plotin: Enneade IV 8, 1, 1-11

    Plotin entwickelt eine Grundfrage seiner Philosophie aus der eigenen Erfahrung einer mystischen Vereinigung mit dem Einen und berichtet selbst die Distanz von seinem Körper
    [1] Immer wieder wenn ich aus dem Leib aufwache in mich selbst, bin ich außerhalb des anderen, aber innerhalb von mir selbst, sehe eine wunderbar gewaltige Schönheit [...], verwirkliche höchstes Leben, bin in eins mit dem Göttlichen und auf seinem Fundament gegründet, denn ich bin gelangt zur höchsten Wirksamkeit und habe mich selbst gegründet über allem, was sonst geistig ist:
    [2] Nach diesem Stillestehen im Göttlichen, wenn ich da aus dem Geist herniedersteige ins Überlegen – da frage ich mich: [...] Wie ist einst die Seele in mir in den Leib geraten, die doch das ist, was sie mir als ihr Sein an sich gezeigt hatte?
  • Plotin: Enneade I 1 [53], 7, 1-6. 12-18

    Eine Besonderheit der Philosophie Plotins stellt es dar, im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit der Natur des Menschen als erster, die Frage zu stellen, was das ,Ich‘ (bzw. ,Wir‘) ist
    [1] Nun mag es das [aus Körper und Seele] Zusammengesetzte geben, vorausgesetzt, dass die in bestimmter Weise beschaffene Seele durch ihre Gegenwart nicht sich selbst dem Zusammengesetzten bzw. dessen anderem Teil zur Verfügung stellt, sondern aus dem in bestimmter Weise beschaffenen Körper und quasi einer Art Licht, das sie über sich selbst hinaus abgibt, die Natur des Lebewesens als etwas anderes herstellt, dem das sinnliche Wahrnehmen angehört und sonst alle genannten Empfindungen des Lebewesens. [...] Die äußere sinnliche Wahrnehmung ist folglich ein Abbild der Seele, während diese selbst in ihrem Sein wahrhaftiger und in empfindungsfreier Weise ausschließlich Schau von Formen ist. [...]
    [2] Hier sind wir mehr als irgendwo sonst. Was hingegen vor diesen kommt, ist unser; wir, wohlgemerkt, sind das von hier aus gesehen Obere und stehen an der Spitze des Lebewesens.
  • Plotin: Enneade I 1 [53], 10, 4-7

    Bei Plotin ergibt sich ein komplexer Status des „Wir“, d.h. der Person, unter der Bedingung einer Trennung von Seele und Körper, wie sie schon Platon annahm
    Denn auch von dem, was der Körper erleidet, sagen wir, dass wir es erleiden. Das „Wir“ ist also etwas Zweifaches – entweder es wird das Lebewesen mit dazugerechnet, oder es ist nur das, was bereits über diesem steht. D.h. das Tier ist der mit Leben versehene Körper; der wahre Mensch ist dagegen etwas anderes.
  • Priskian aus Lydien [Pseudo-Simplikios]: In De anima/Kommentar zu Aristoteles’ De anima III 7 (p. 268, 29-31; 269, 3-13 Hayduck)

    Priskian erläutert, ausgehend von Aristoteles’ Aussagen zum Gemeinsinn, die neuplatonische Deutung der Einheit des denkenden Subjekts
    Das Thema der vorliegenden Aussagen [des Aristoteles] ist […], uns von der Sinneswahrnehmung, wie von etwas Bekannterem, hinaufzuführen zu einem bestimmten Denken der Seele, das allgemein das irgendwie Gedachte unterscheidet. […] Es fasst auch alle Handlungen zusammen und erkennt sie, und zwar nicht nur die Gegensätze wie gut und schlecht in Liebesdingen oder bei der Ernährung, sondern auch beim Besitz, bei Furchtbarem und Schrecklichem und in ähnlicher Weise bei allem. Denn das Denkende sagt ja und erklärt: "Ich lebe maßvoll, gerecht, tapfer oder frei", und es kennt den Unterschied zwischen den Lebensweisen, die es sagt, und auch ihre Gemeinschaft miteinander, da es ihr Denken in etwas Ungeteiltem und Untrennbarem vollzieht. Gewiss gibt es auch etwas noch allgemeineres Denkendes in der Seele, das zugleich die praktischen und die theoretischen Gedanken zusammenfasst, und dieses wird auch die Unterschiedenheit und Gemeinsamkeit der praktischen und theoretischen Objekte untereinander, da es wiederum eines, dasselbe und ungeteilt ist und eine Mannigfaltigkeit ungeteilt auffasst.