Peter Abaelard erläutert die philosophische und die christliche Definition des Glücklichseins
a) Philosoph: Diese Glückseligkeit nennt Epikur, wie ich meine, Lust, euer
Christus aber ,Königreich der Himmel‘. Was macht es, mit welchem Namen
sie benannt wird, solange nur die Sache dieselbe bleibt und bei den
Philosophen und den Christen weder die Glückseligkeit verschieden ist noch
eine andere Intention des gerechten Lebens vorgegeben wird? Denn so wie
ihr, so beabsichtigen auch wir, hier gerecht zu leben, damit wir dort
verherrlicht werden, und kämpfen hier gegen Laster, um dort wegen der
Verdienste der Tugenden gekrönt zu werden, wenn wir nämlich dieses
höchste Gut als Lohn empfangen.
b) Christ: Aber so weit ich sehe, sind hierin sowohl unsere und eure Intention
als auch die Verdienste verschieden, und sogar über das höchste Gut haben
wir nicht geringfügig unterschiedliche Ansichten.
Philosoph: Das, bitteschön, erkläre mir, wenn Du kannst.
c) Niemand nennt zu Recht etwas ,höchstes Gut‘, im Vergleich zu dem
etwas Größeres gefunden wird. [...] Aber jede menschliche Glückseligkeit
oder Herrlichkeit übersteigt die göttliche klarerweise bei weitem und
unaussagbar; also darf keine außer ihr zu Recht ,höchste‘ genannt werden,
und außer ihm wird nichts zu Recht ,höchstes Gut‘ genannt.
Philosoph: An dieser Stelle geht es uns nicht um das höchste Gut an sich,
sondern um das höchste Gut für den Menschen.
Christ: Aber auch ,höchstes Gut für den Menschen‘ nennen wir nichts zu
Recht, im Vergleich zu dem ein größeres Gut für den Menschen gefunden
wird.
Cicero referiert die Einteilung der Ziele der Philosophie nach dem Skeptiker
Karneades
Unser Lucius handelt also klug, wenn er in erster Linie vom
höchsten Gut hören will; denn wenn dieses festgelegt ist, ist in der Philosophie
alles festgelegt. [...] Wenn das höchste Gut unbekannt ist, dann muss
notwendigerweise der Gehalt des Lebens unbekannt sein. [...] Was es aber ist,
dass so bewegt und von Natur aus so seit der ersten Entstehung erstrebt wird,
steht nicht fest, und hierüber herrscht unter den Philosophen [...] größte
Uneinigkeit. [...] Einige meinen, das primäre Streben und das primäre
Vermeiden von Schmerz richte sich auf die Lust. Andere als sie erstreben das,
was sie Primäres der Natur nach nennen, wozu sie Unversehrtheit rechnen [...].
Diesem ähnlich ist das Primäre in den Seelen, wie die Funken und Samen der
Tugenden.
Die Verbindung der Freude mit der menschlichen Natur nach Epikur
Jedes
Lebewesen strebt, sobald es geboren ist, nach Genuss, freut sich daran als an
dem höchsten Gut und verschmäht Schmerz als das größte Übel und weist ihn
von sich, soweit es kann; dies tut es, wenn es noch nicht verdorben ist,
dadurch, dass seine Natur selbst unverfälscht und integer urteilt. Deshalb
bestreitet [Epikur], dass ein Argument oder eine Erörterung darüber benötige,
weshalb der Genuss anzustreben und der Schmerz zu meiden sei. Er ist der
Meinung, dass man diese Dinge ebenso merkt wie, dass Feuer heiß, der Schnee
weiß und der Honig süß ist. [...] Weil nämlich nichts mehr übrig ist, wenn man
vom Menschen die Sinne abzieht, muss notwendig von der Natur selbst
beurteilt werden, was ihr gemäß oder was wider die Natur ist. Was nimmt sie
nun wahr oder urteilt sie, was anzustreben oder zu meiden ist, außer Genuss
und Schmerz.
Epikurs Theorie der Unterscheidung verschiedener Freuden
(1) Von den
Begierden sind die einen natürlich, die anderen leer. Und von den natürlichen
sind die einen notwendig, die anderen nur natürlich. Von den notwendigen
wiederum sind die einen notwendig zum Glück, andere notwendig zur
störungsfreien Funktion des Körpers und die dritten notwendig zum Leben
selbst. (2) Denn eine unbeirrte Betrachtung hiervon weiß jedes Wählen und
Meiden auf die Gesundheit des Körpers und die Freiheit der Seele von
Verwirrung zurückzubeziehen. [...] Um dessentwillen nämlich tun wir alles,
damit wir weder Schmerzen erleiden noch Verwirrung empfinden. (3) Eben
deswegen [...] erkennen wir die Freude als das erste und verwandte Gut [...],
und wir kehren zu ihr zurück, indem wir jedes Gut anhand der Empfindung als
Richtmaß beurteilen.
(4) Aber wir übergehen gelegentlich viele Freuden, wenn
aus ihnen mehr Unangenehmes für uns folgt; auch halten wir viele Schmerzen
für besser als Freuden, wenn daraus für uns eine größere Freude folgt. [...] (5)
Wenn wir also sagen, die Freude sei das Ziel, meinen wir damit nicht die Lüste
der Hemmungslosen und jene, die im Genuss bestehen [...], sondern: weder
Schmerz im Körper noch Erschütterung in der Seele zu empfinden. Denn nicht
Trinken und Gelage [...] bringen das freudvolle Leben hervor, (6) sondern die
nüchterne Überlegung, welche sowohl die Ursachen jeden Wählens und
Meinens aufspürt als auch die Meinungen ausmerzt, aufgrund derer die Seelen
besonders große Verwirrung befällt. Der Anfang für all dies und das größte
Gute ist die Klugheit [...], aus der alle übrigen Tugenden hervorgehen.
Cicero referiert die Einteilung der Ziele der Philosophie nach dem Skeptiker Karneades
Unser Lucius handelt also klug, wenn er in erster Linie vom höchsten Gut hören will; denn wenn dieses festgelegt ist, ist in der Philosophie alles festgelegt. [...] Wenn das höchste Gut unbekannt ist, dann muss notwendigerweise der Gehalt des Lebens unbekannt sein. [...] Was es aber ist, dass so bewegt und von Natur aus so seit der ersten Entstehung erstrebt wird, steht nicht fest, und hierüber herrscht unter den Philosophen [...] größte Uneinigkeit. [...] Einige meinen, das primäre Streben und das primäre Vermeiden von Schmerz richte sich auf die Lust. Andere als sie erstreben das, was sie Primäres der Natur nach nennen, wozu sie Unversehrtheit rechnen [...]. Diesem ähnlich ist das Primäre in den Seelen, wie die Funken und Samen der Tugenden.
Boethius von Dakien, Philosophiedozent an der Artistenfakultät der Universität Paris, vertritt aktiv das philosophische Glücksideal im lateinischen Mittelalter
[1] Weil es für jede Art des Seienden irgendein mögliches höchstes Gut gibt, und der Mensch eine Art des Seienden ist, muss irgendein höchstes Gut für den Menschen möglich sein. Ich meine nicht das höchste Gut schlechthin, sondern das höchste für ihn [...].
[2] Was aber dieses höchste Gut ist, das dem Menschen möglich ist, wollen wir durch die Vernunft untersuchen.
[3] Das höchste Gut, das dem Menschen möglich, steht ihm gemäß seiner besten Tugend zu. [...] Die beste Tugend des Menschen aber sind die Vernunft und der Intellekt; denn die höchste menschliche Lebensführung besteht sowohl im Nachdenken als auch im Handeln. Also steht das höchste Gut, das dem Menschen möglich ist, ihm gemäß dem Intellekt zu.