Eusebios zitert einen Überblick über die stoische Physik aus einem verlorenen Werk des Aristotetelikers Aristokles von Messene:
[1] Als das Urelement des Seienden sieht Zenon das Feuer an, ebenso wie Heraklit, als dessen Prinzipien die Materie und Gott, so wie Platon. Aber er sagt, dass sie beide Körper seien, sowohl das Wirkende als auch das der Wirkung Unterliegende, während Platon sagt, die erste bewirkende Ursache sei unkörperlich [...] Dann aber, zu gewissen vom Schicksal festgelegten Zeiten, verbrenne die gesamte Welt und werde dann wieder neu durchgeordnet.
[2] Das erste Feuer sei nun wie ein Same, der die Gehalte und die Ursachen des Vergangenen, des Gegenwärtigen und des Zukünftigen enthalte. Deren Verbindung und Ordnung sei ein Schicksal, ein Wissen, eine Wahrheit und ein Gesetz für das Seiende, dem weder zu entlaufen noch zu entfliehen ist. Auf diese Weise werde alles im Kosmos mehr als gut verwaltet, so wie in der am besten geordneten Stadt.
Cicero über die stoische Theorie der Freiheit
Unter den alten Philosophen gab es zwei Auffassungen; die einen meinten, alles geschehe durch das Fatum, und zwar in der Weise, dass dieses Fatum die Gewalt einer Notwendigkeit mit sich bringe. [...] Die anderen meinten, es gebe freiwillige Bewegungen des Geistes, die ohne jedes Fatum erfolgten. Wie mir scheint, wollte daraufhin Chrysipp sozusagen als Ehrenschiedsrichter einen Mittelweg finden. [...] Aber bei der Darstellung seiner eigenen Auffassung gleitet er in Schwierigkeiten, so dass er, ohne es zu wollen, die Notwendigkeit des Fatums behauptet. [...] ,Wie alsoʻ, sagt er, ,derjenige, der die Walze angestoßen hat, ihr zwar den Beginn der Bewegung, aber nicht die Fähigkeit zur Drehung vermittelte, so wird ein gesehener Gegenstand dem Geist zwar die entsprechende Vorstellung einprägen und ihr seine Gestalt gleichsam einzeichnen; aber die Zustimmung dazu wird in unserer Macht liegen: Nachdem sie, wie das an der Walze erläutert worden ist, den Anstoß von außen empfangen hat, wird sie sich von da mit eigener Kraft und aus ihrer eigenen Natur heraus bewegen.
Der innere Zusammenhang von Determination und Verantwortlichkeit nach den Stoikern
a) Es ist aber nicht so, dass das Schicksal von dieser Art ist, es aber keine Schicksalsbestimmung gibt, und auch nicht so, dass es zwar eine Schicksalsbestimmung, aber keinen Anteil daran gibt, und auch nicht so, dass es zwar einen Anteil daran gibt, aber kein Maß in der Zuteilung, und auch nicht so, dass es zwar ein Maß in der Zuteilung, aber kein Gesetz gibt, und auch nicht so, dass es zwar ein Gesetz, aber keine richtige Vernunft gibt, die anordnet, was zu tun, und verbietet, was zu lassen ist. Nun sind aber die falschen Handlungen verboten, die richtigen aber geboten. Es ist also nicht so, dass das Schicksal von dieser Art ist, es aber keine falschen und richtigen Handlungen gibt. b) Wenn es aber falsche und richtige Handlungen gibt, dann gibt es Tugend und Laster; und wenn es diese gibt, dann gibt es in sich Gutes und Schändliches. Das in sich Gute aber ist lobenswert, das Schändliche aber tadelnswert. Also ist es nicht so, dass zwar das Schicksal von dieser Art ist, es aber nichts Lobens- und Tadelnswertes gibt. Nun verdient aber das Lobenswerte Ehrung und das Tadelnswerte Strafe. Also ist es nicht so, dass zwar das Schicksal von dieser Art ist, es aber keine Ehrung und Strafe gibt.
Die stoische Lebenshaltung nach Seneca (Antike Philosophie II) <br />
Lucius Annaeus Seneca über das stoische Lebensideal (Gesetz und Gewissen)
Führe, o Vater, und Herrscher des hohen Himmels
Wohin immer Du magst; beim Gehorchen gibt es kein Zögern,
eifrig bin ich bereit; will ich nicht, so folge ich stöhnend
und als Schlechter erleid’ich, was zu tun dem Guten erlaubt war.
Den Willigen führen die Schicksale, den Unwilligen ziehen sie.
Seneca (ca. 1-65 n. Chr.) erklärt die Lebenshaltung des Stoikers
Zu nichts werde ich gezwungen, nichts erleide ich unwillig, nicht diene ich Gott, sondern ich stimme ihm zu, und zwar umso mehr, als ich weiß, dass alles nach einem zuverlässigen und auf ewig erlassenen Gesetz seinen Gang geht. [...] Ursache folgt aus Ursache; Privates und Öffentliches zieht die lange Reihe der Dinge mit. Daher gilt es, alles tapfer zu ertragen, weil uns ja alles nicht, wie wir glauben, zustößt, sondern zukommt. Längst wurde festgelegt, weshalb du froh, weshalb du traurig bist. [...] Wieso sind wir also entrüstet? Wieso klagen wir? Hierzu wurden wir gezeugt. [...]. Was gehört sich für einen guten Mann? Sich dem Schicksal darzubieten. Es ist ein großer Trost, dass wir mit dem Universum dahingerissen werden. Was immer es ist, was uns so zu leben, so zu sterben befahl – mit der gleichen Notwendigkeit bindet es auch die Götter.
Die allgemeine These der Stoiker über Handlungsfreiheit
Auch die Stoiker
bekräftigten, dass alles dem Fatum untersteht und bedienten sich des folgenden
Beispiels: Wenn ein Hund an ein Fuhrwerk angebunden ist, dann wird er, falls
er folgen will, gezogen und folgt und tut so das Selbstgewählte zusammen mit
der Notwendigkeit [...]. Falls er hingegen nicht folgen will, wird er dazu doch
schlechthin gezwungen. Genauso ist es auch mit den Menschen. Denn selbst
wenn sie nicht folgen wollen, werden sie schlechthin gezwungen, in das
hineinzugehen, was ihnen bestimmt ist.
Augustinus konstatiert eine sachliche Nähe der Christen zur Stoa in der Frage nach der göttlichen Bestimmung der Welt
a) Mit denen, die die Verbindung und Reihe aller Ursachen, durch die alles geschieht, was geschieht, mit dem Begriff ,fatumʻ (Schicksal) bezeichnen, muss man sich nicht lange in einem Streit um Worte abmühen und auseinandersetzen, weil sie ja die Ordnung der Ursachen und eine bestimmte Verbindung dem Willen und der Macht des höchsten Gottes zuschreiben, von dem man sowohl glaubt, dass er alles am besten und wahrhaftigsten weiß, bevor es geschieht, als auch, dass er nichts ungeordnet lässt.
b) Von ihm stammen alle Mächte, obwohl von ihm nicht alle Willensentscheidungen stammen.
Augustinus (354-430) referiert Ciceros (106-44 v. Chr.) Meinung zum Problem von göttlicher Vorherbestimmung und Freiheit
[1] Cicero […] bestreitet Gottes Vorwissen und versucht, jegliche Prophetie […] aufzuheben. Was ist es, was Cicero am Vorwissen des Künftigen fürchtete? […] Gewiss Folgendes: Wenn alles Zukünftige vorher gewusst wird, wird es in der Ordnung eintreffen, in der das Eintreffende vorhergewusst wurde; und wenn es in dieser Ordnung eintrifft, dann ist die Ordnung der Dinge für den vorherwissenden Gott sicher; und wenn die Ordnung der Dinge sicher ist, dann ist die Ordnung der Ursachen sicher […].
[2] Diese versucht Cicero so zu widerlegen [...], dass er bestreitet, dass es ein Vorwissen des Künftigen [...] entweder bei einem Menschen oder bei Gott gibt [...], weil nämlich alles Zukünftige dann, wenn es vorhergewusst wird, in der Ordnung kommen wird, in der vorhergewusst wird, dass es kommen wird. [...]
[3] Aber wenn das so ist, steht nichts in unserer Macht, und es gibt keine freie Entscheidung des Willens. Aber wenn wir das zugestehen, sagt er, wird das gesamte menschliche Leben aufgehoben, die Gesetze werden umsonst gegeben, umsonst wird Lob und Tadel, Kritik und Ermunterung angewandt, und aufgrund von keinerlei Gerechtigkeit wurden für die Guten Lohn und für die Schlechten Strafen festgelegt.
[4] Wir sagen, entgegen diesen gotteslästerlichen und schändlichen Kühnheiten, dass Gott alles weiß, bevor es geschieht, und dass wir durch den Willen all das tun, wovon wir fühlen und wissen, dass es von uns nicht anders als wollend getan wird.
Augustinus löst das somit entstehende Problem von Gottes Vorwissen und Freiheit, indem er erklärt, dass Gott Entscheidungen des Willens nur als solche vorab wissen kann, wenn es tatsächlich Willensentscheidungen sind
[1] Wir [...] behaupten, dass Gott alles weiß, bevor es geschieht, und dass wir durch unseren Willen alles bewirken, von dem wir fühlen und wissen, dass es nur durch uns als Wollende bewirkt wird. [...]
[2] Denn wir bewirken vieles, das wir, wenn wir es nicht wollten, keineswegs bewirken würden. Hierzu gehört zunächst einmal das Wollen selbst; denn wenn wir wollen, dann ist es da, wenn wir nicht wollen, dann ist es nicht da. [...] Also ist nicht deswegen nichts in unserem Willen, weil Gott vorher wusste, was in unserem Willen sein wird. Denn der, der das vorher wusste, wusste nicht nichts vorher, [...] sondern er wusste etwas vorher.
[3] Folglich sind die Gesetze, der Tadel, das Lob und die Kritik nicht vergeblich, weil er vorher wusste, dass sie da sein werden.
Nach Meinung des Peripatetikers Alexander von Aphrodisias (um 200 n. Chr.) sind neben dem Schicksal auch die Wahl und die Natur Ursachen, die das Weltgeschehen mit bestimmen
[1] Und worüber die Vorzugswahl bestimmt (das ist das, was gemäß Tugend und Schlechtigkeit getan wird), auch dies scheint von uns abhängig zu sein. Wenn dies aber von uns abhängig ist, über dessen Getan-Werden und Nicht-Getan-Werden wir anscheinend bestimmen [...], bleibt zu sagen übrig, dass das Schicksal in dem von Natur aus Geschehenden ist, so als ob das Schicksal und die Natur dasselbe wären. [...]
[2] Deswegen nennen sie [= die Stoiker] auch die ersten der für das Geschehen der Natur gemäß verantwortlichen Ursachen [...] Ursachen des Schicksals. Denn das Prinzip für jedes Geschehen ist ein irgendwie geartetes Verhalten des Göttlichen zum Hiesigen gemäß der Bewegung. [...]
[3] Aber das gemäß der Natur Geschehende geschieht nicht aus Notwendigkeit, sondern das Entstehen des so Geschehenden wird manchmal [...] verhindert. [...] Deswegen wird jemand auch zu Recht sagen, die eigene Natur eines jeden sei der Ursprung und die Ursache für die Ordnung des gemäß der Natur in ihm Geschehenden. [...] Wir sehen nämlich, dass der Körper, weil seine Natur so oder so ist, sich in Krankheiten und Bedrängnissen der natürlichen Zusammensetzung folgend verhält, aber nicht aus Notwendigkeit.
Bardaiṣān von Edessa führt seine Freiheitslehre weiter aus
(1) Den Menschen wurde nichts zu tun befohlen, außer dem, was sie zu tun vermögen. Zwei Gebote wurden uns nämlich vorgelegt: Das eine, dass wir uns von allem, was schlecht ist und von dem wir nicht wollen, dass es von uns geschieht, fernhalten; das andere, dass wir tun, was gut ist, dies lieben und gutheißen, dass es von uns so geschieht. [...]
(2) Ich sage nun: Es gibt je eine Macht für Gott und für die Engel und für die Mächte und für die Regenten und für die Elemente und für die Menschen und für die Tiere; und allen diesen Ordnungen, die ich genannt habe, ist nicht in jeder Hinsicht Macht gegeben [...], damit sie in dem, was sie vermögen, die Güte Gottes erkennen, und in dem, was sie nicht vermögen, erkennen, dass es für sie einen Herrn gibt. [...]
(3) Von uns Menschen stellt man fest, dass wir von Natur aus gleich geleitet werden, und vom Schicksal verschieden, und jeder von der Freiheit, wie er nur will.