Ein Vorbegriff (prolēpsis) macht für Epikur erst die Erkenntnis möglich
Der Vorbegriff ist, so sagen die Epikureer, sozusagen ein Auffassen oder eine
richtige Meinung oder ein Begriff oder ein allgemeines innewohnendes
Denken – d.h. eine Erinnerung – dessen, was uns häufig von außen erschienen
ist, wie z.B. ,so etwas ist ein Mensch‘. Denn sobald das Wort ,Mensch‘
geäußert wird, wird sofort mittels eines Vorbegriffs auch sein Umriss gedacht,
sofern Sinneswahrnehmungen vorangehen. Was also jeder Bezeichnung
ursprünglich zugrunde liegt, ist evident. Und wir würden das Gesuchte gar
nicht suchen, wenn wir davon kein Vorwissen hätten, wie z.B. bei ,Ist das in
der Ferne Stehende ein Pferd oder ein Rind?‘ Denn irgendwann vorher muss
man mittels eines Vorbegriffs die Form eines Pferds oder die eines Rinds
kennengelernt haben.
Grundbegriffe der stoischen Satzlogik
Ein Argument ist [...] das, was einer
Prämisse oder aus Prämissen sowie aus einer Zusatzprämisse und einer
Konsequenz besteht, z.B.: ,Wenn es Tag ist, ist es hell; nun ist es Tag; also ist
es hell‘. Hier ist nämlich ,Wenn es Tag ist, ist es hell‘ die Prämisse, ,nun ist es
Tag‘ die Zusatzprämisse und ,also ist es hell‘ die Konsequenz. Eine
Modusformel ist sozusagen das Schema des Arguments, z.B. ,wenn das Erste,
dann das Zweite; nun aber das Erste; also das Zweite‘. Ein Modusargument ist
das, was aus beidem zusammengesetzt ist, z.B. ,wenn Platon lebt, dann atmet
Platon; nun aber das Erste; also das Zweite‘. Eingeführt wurde das
Modusargument, um in den ausgedehnteren Ketten von Argumenten die
Zusatzprämisse, die dort ja lang ist, und die Konsequenz nicht mehr nennen zu
müssen und stattdessen schließen zu können ,nun das erste, also das zweite‘.
Was es für die Stoiker heißt, gemäß der Natur zu leben (Antike Philosophie I)<br />
Der Philosophiehistoriker Diogenes Laertios erklärt den Zusammenhang von stoischer Ethik und Theologie
Die Stoiker sagen, dass der primäre Impuls für jedes Lebewesen die Selbsterhaltung ist, weil
dieses der Natur von Anfang an zu eigen ist, wie Chrysipp sagt [...], wobei er
das primär Eigentümliche für jedes Lebewesen dessen eigene Verfasstheit und
das Bewusstsein von ihr nennt. [...] Und weil den rationalen Wesen die
Vernunft gemäß einer vollendeteren Anleitung gegeben ist, ist für diese das
Leben nach der Vernunft zu Recht der Natur entsprechend. Denn die Vernunft
kommt für sie als Hersteller des Impulses hinzu. [...] Deswegen gab [...] Zenon
[...] als Ziel das Leben in Übereinstimmung mit der Vernunft an, d.h. das
Leben gemäß der Tugend. Denn zu dieser leitet uns die Natur. [...] Das Leben
in der Nachfolge der Natur [...] bezieht sich [nach Chrysipp] sowohl auf die
eigene als auch auf die aller Dinge, wobei wir nichts tun, was das allgemeine
Gesetz üblicherweise verbietet, d.h. die rechte Vernunft, die durch alles
hindurchgeht, die dasselbe ist wie Zeus, der der Beherrscher des gesamten
Haushalts des Seienden ist.
Die Stoiker über verschiedene Arten von Gütern
(1) Die Stoiker sagen,
dass die seienden Dinge teils gut, teils schlecht, teils keines von beidem sind.
Gut sind die Tugenden: Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Besonnenheit und
dergleichen. Schlecht sind die Gegenteile davon, Unbesonnenheit,
Ungerechtigkeit usw. Keines von beidem ist alles, was weder nutzt noch
schadet, z.B. Leben, Gesundheit, Lust, Schönheit, Kraft, Reichtum, Ansehen,
adlige Abstammung, sowie die Gegenteile hiervon: Tod, Krankheit, Schmerz,
Hässlichkeit, Schwäche [usw.] [...]. Diese Dinge sind nämlich nicht gut,
sondern indifferent, Unterart ,bevorzugbar‘.
(2) Denn wie es für das, was warm ist, eigentümlich ist zu wärmen, nicht zu kühlen, so ist es auch für das, was gut ist, eigentümlich, zu nutzen, nicht zu schaden. Nun nutzt der Reichtum nicht
mehr, als er schadet, ebenso die Gesundheit. Also ist weder der Reichtum noch
die Gesundheit ein Gut.. Weiterhin sagen sie: Was man gut und schlecht
verwenden kann, das ist nicht etwas Gutes; Reichtum und Gesundheit kann
man gut und schlecht verwenden.
Der Philosophiehistoriker Diogenes Laertios (3. Jh.) über die Teile der Philosophie
Sie sagen, die der Philosophie entsprechende Struktur sei dreiteilig. Eines von ihr sei nämlich naturphilosophisch, ein anderes ethisch, ein drittes logisch. [...] Sie vergleichen aber die Philosophie mit einem Lebewesen, wobei sie die Logik mit den Knochen und Nerven gleichsetzen, die Ethik mit den fleischlichen Teilen, die Physik aber mit der Seele. Oder auch mit einem Ei: Das Äußere sei die Logik, das danach die Ethik, das Innerste die Physik
Das kynische Glücksideal des Antisthenes
[Antisthenes] bewies, dass die Tugend lehrbar ist. Diejenigen seien adlig, die tugendhaft seien. Die Tugend sei in sich hinreichend/autark zum Glück, sie benötige nichts außer sokratischer Kraft. Die Tugend gehöre zu den Werken, sie benötige weder viele Worte noch Lehren. Und der Weise sei in sich hinreichend/autark. Ihm gehöre alles, was den anderen gehöre. Das schlechte Ansehen sei gut und gleich der Bemühung. Der Weise führe sein Leben nicht gemäß den gegeben Gesetzen, sondern nach demjenigen der Tugend. Er solle heiraten, um Kinder zu zeugen und mit den wohlgestaltetsten Frauen zusammenkommen. Und er solle lieben. Denn der Weise allein wisse, was man lieben müsse.
Die kynische Lebensführung in der Öffentlichkeit wird am Beispiel von Anekdoten/Chrien über den eigentlichen Schulgründer Diogenes von Sinope (ca. 413-323 v. Chr.) dargestellt
Er war es gewohnt, alles in der Öffentlichkeit zu tun, auch die Dinge der Demeter und die der Aphrodite [d.h. die auf Nahrung und Liebe bezüglichen]. Und er brachte Syllogismen wie den folgenden auf: ,Wenn das Mittagessen nichts Absurdes ist, ist auch auf dem Marktplatz nichts Absurdes. Das Mittagessen ist aber nichts Absurdes. Also ist es auch auf dem Marktplatz nichts Absurdes‘.
Politische Aspekte der kynischen Lebensführung
Auf die Frage, was das Schönste unter den Menschen sei, antwortete er: ,Offene Rede‘. [...] Wenn Brüder einig seien, dann sei das Zusammenleben fester als jede Mauer. [...] Er riet den Athenern, die Esel durch Abstimmung zu Pferden zu erklären. Als sie das absurd fanden, sagte er: ,Aber bei Euch wird man auch Feldherr nur durch Handauflegung, ohne etwas gelernt zu haben‘.
Das Verhältnis des Kynikers zur Philosophie
Auf die Frage, was er durch die Philosophie gewinne, antwortete er: ,Fähig zu werden, mit mir selbst Gemeinschaft zu pflegen‘. [...] Zu jemandem, der sagte: ,Nichts wissend philosophierst Du‘ antwortete er: ,Wenn ich Weisheit auch nur vortäusche, ist das schon ein philosophieren‘. Zu dem, der ihm seinen Sohn vorstellte und sagte, wie äußerst wohlgeraten und hervorragend in den Sitten er sei, sagte er ,Was braucht er mich?‘ [...] Zu jemandem, der sagte: ,Viele loben Dich‘, meinte er: ,Was habe ich Schlechtes getan?‘ [...] Gegenüber jemandem, der sagte, es gebe keine Bewegung, stand er auf und ging umher. [...]
Beispiele für kynische Chrien (= Anekdoten mit lehrhaftem Charakter)
Als Antisthenes vorgeworfen wurde, mit schlechten Menschen zusammenzusein, sagte er: ,Auch die Ärzte sind zusammen mit den Kranken, bekommen aber kein Fieber‘ [...] Als ein verderbter Eunuch auf sein Haus geschrieben hatte ,Nichts Schlechtes komme herein‘, sagte er ,Wo nun soll der Hausherr eintreten?‘