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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Thema: Wissen

10 Zitate zu diesem Thema im Zitatenschatz:

  • Platon: Theaitetos (Theaetetus) 208bc, 209bc

    Der letzte Definitionsversuch von Wissen im Theaitet
    Sokrates: Vielleicht möchte jemand ihn [die wahrhafteste Bedeutung von ,Wissen‘] nicht so definieren, sondern nach der noch übrigen von den drei Möglichkeiten, wovon eine, wie wir sagten, derjenige annehmen, welcher das Wissen als eine richtige Meinung in Verbindung mit einer Begründung definiert.
    Theaitet: Richtig erinnerst Du Dich. [...] Was verstehst Du aber unter der dritten Möglichkeit?
    Sokrates: Was die Menge sagen würde, dass man ein Merkmal angeben kann, wodurch sich das Gefragte von Allem unterscheide. [...] Wohlan denn, beim Zeus, wie habe ich denn durch so etwas mehr dich gemeint als irgendeinen anderen. [...] Wenn ich mir nicht bloß einen Nase und Augen Habenden denke, sondern auch einen Krummnasigen und Glupschäugigen, werde ich dann mehr Dich denken als mich selbst und wer sonst noch so beschaffen ist?
    Theaitet: Um nichts mehr. [...]
  • Platon: Theaitetos (Theaetetus) 209e-210a

    Das endgültige Scheitern der Definition von „Wissen“ in Platons Theaitet
    Sokrates: Wenn auf der anderen Seite, Jungchen, mit dem Hinzufügen der Begründung ein Einsehen und nicht nur ein Meinen der Unterschiedlichkeit gemeint wäre, dann wäre es eine herrliche Sache mit dieser Aussage über Wissen. Nicht wahr?
    Theaitet: Ja.
    Sokrates: Wer also gefragt wird, was Wissen ist, soll, wie es scheint, antworten, wahre Meinung mit einem Wissen über die Unterschiedlichkeit. [...]. Und das ist doch auf alle Weise einfältig, wenn wir das Wissen untersuchen, zu sagen, es sei wahre Meinung verbunden mit Wissen, über den Unterschied oder über sonst etwas. Weder also die Sinneswahrnehmung, o Theaitet, noch die wahre Meinung noch die mit der wahren Meinung verbundene Erklärung kann Wissen sein.
  • Abaelard, Peter: Leidensgeschichte (Historia calamitatum) p. 63-65

    Peter Abaelard (1079-1142) über seinen Weg zur Philosophie:
    [1] Da mein Vater mich, den Erstgeborenen, besonders ins Herz geschlossen hatte, achtete er sehr sorgfältig auf meine Erziehung. Je schneller und leichter ich im Studium der Schriften vorankam, desto größer wurde meine Begeisterung für sie. Diese Liebe ging so weit, dass ich auf den Glanz ritterlichen Ruhmes samt meinem Erbe und den Vorrechten der Erstgeburt zugunsten meiner Brüder verzichtete und vom Gefolge des Mars ganz Abschied nahm, um im Schoß der Minerva aufgezogen zu werden.
    [2] Da ich die Bewaffnung mit dialektischen Argumenten allen Zeugnissen der Philosophie vorzog, vertauschte ich die anderen Waffen mit diesen und zog die Konflikte des Streitgesprächs allen allen Kriegstrophäen vor. Also wurde ich, indem ich disputierend durch verschiedene Provinzen zog – überall hin, wo ich von einer Blüte dieser Technik gehört hatte –, zu einem Nachahmer der Peripatetiker.
    [3] Schließlich kam ich nach Paris, wo diese Disziplin schon länger einen großen Aufschwung genommen hatte, zu Wilhelm von Champeaux, meinem Lehrer, der damals in diesem Fach an Können und Ansehen herausragte. Ich blieb einige Zeit bei ihm und war ihm zunächst willkommen. Später wurde ich ihm außerordentlich lästig, da ich manche seiner Ansichten zu widerlegen versuchte, immer wieder argumentative Angriffe gegen ihn führte und manchmal im Streitgespräch überlegen erschien. [...]
    [4] Hier nahm die Serie meiner Schicksalsschläge, die bis heute andauert ihren Anfang. Je mehr sich mein Ruhm ausbreitete, desto stärker loderte der Neid anderer.
  • Manfred (König von Sizilien): Begleitbrief (Epistula) Revue d. sc. philosoph. et théologiques 66, 1982

    Begleitbrief König Manfred von Siziliens (reg. 1250-1266) zu einigen übersetzten Büchern:
    [1] Den allgemeinen Lehrern des Pariser Studiums, die auf den Quadrigen der philosophischen Disziplin sitzen, Manfred, von Gottes Gnaden etc.
    [2] Obwohl uns die mühevolle Masse der Geschäfte häufig hinwegzieht, lassen wir nicht zu, dass irgendein bisschen Zeit, das wir der Beschäftigung mit den vertrauten Dingen entzogen haben, müßig abläuft. Vielmehr investieren wir es voll und ganz gerne in die unbezahlte Einübung des Lesens [...], zum Erwerb der Wissenschaft, ohne die das Leben der Menschen nicht geleitet wird. [...]
    [3] Als wir also einige Bücher [...] aufschlugen [...], kamen uns einige unter die Augen, die [...] entweder ein Fehler dieses Werkes oder eines Menschen noch nicht in die Kenntnis der lateinischsprachigen Welt geführt hatte. Da wir nun wollten, dass die altehrwürdige Autorität solcher Werke bei nicht durch eine mündliche Übersetzung, ohne einen Vorteil für viele, wieder jung wird, haben wir sogleich angeordnet, dass sie durch ausgewählte und beider Sprachen mächtige Männer, unter treuer Bewahrung der Jungfräulichkeit der Worte, übersetzt werden. [...]
    [4] Hier nun haben wir mit Überlegung vorgesehen, vor allem Euch, als den hochberühmten Zöglingen der Philosophie [...], einige Bücher vorzulegen, die das neugierige Studium und die treue Sprache der Übersetzter schon herrichten konnten.
  • Albertus Magnus: Physik (Albertus Magnus) (Physica) I 1

    Albertus Magnus über sein Projekt, die aristotelische Wissenschaft den Lateinern bekannt zu machen:
    [1] Unsere Intention in der Naturwissenschaft ist es, nach unserer Fähigkeit den Brüdern aus unserem Orden Genüge zu tun, die von uns schon seit vielen Jahren fordern, dass wir für sie ein Buch über die Physik zusammenstellen, in dem sie die Naturwissenschaft vollständig besitzen und durch das sie die Bücher des Aristoteles kompetent verstehen können. [...]
    [2] Unsere Vorgehensweise in diesem Werk wird aber darin bestehen, Aristoteles’ Anordnung und Meinung zu folgen und zu ihrer Erklärung und ihrem Beweis das zu sagen, was uns notwendig scheint, aber so, dass sein Text nicht erwähnt wird. Und außerdem werden wir Exkurse anstellen, die auftretende Probleme benennen und ergänzen. [...]
    [3] Weil es aber drei wesentliche Teile der realen Philosophie gibt – ich meine derjenigen, die nicht durch unsere Tätigkeit in unseren Werken in uns verursacht wird, so wie die Moralwissenschaft – [...], nämlich Naturphilosophie oder Physik, Metaphysik und Mathematik, ist es unsere Absicht, alle drei Teile, den Lateinern verständlich zu machen.
  • Alberich von Reims: Die Philosophie (Philosophia) S. 29. 32f. [Revue des sciences philosophiques et théologiques 68, 1984]

    Der ,Averroist’ Alberich von Reims (um 1250) über die Vorzüge der Philosophie
    [1] Drei sind es, wie Empedokles sagt, in erster Linie unter der gesamten Vielfalt der Dinge, die das großartigste Geschenk der Großzügigkeit Gottes, nämlich die Philosophie, erleuchten und erheben: die Verachtung des beweglichen Überflusses, das Streben nach der göttlichen Seligkeit und die Erleuchtung des Geistes. [...]
    [2] Denn das Sein des Menschen in seiner höchsten Vollkommenheit oder Vollständigkeit besteht darin, dass er durch die theoretischen Wissenschaften vollkommen ist, wie Averroes im Prolog [zum Kommentar] zum Achten Buch von [Aristoteles‘] Physik sagt. [...]
    [3] Nun werden wir [hierhin] durch ein natürliches Streben gezogen, wie die Göttin der Wissenschaften an ihrem Anfang darlegt: "Alle Menschen" usw. [streben von Natur aus zu wissen] (Metaphysik I 1, 980a 21). Hierzu sagt der Kommentator: "Wir haben ein natürliches Verlangen, die Wahrheit zu wissen". Zu Recht, denn, wie Aristoteles im Zehnten Buch der Nikomachischen Ethik sagt, ist der Mensch nur Intellekt (X 7, 1178a 2-7).
    [4] Dieser Intellekt wird aber, nach dem Zeugnis des genannten Averroes [...] durch die Philosophie vervollständigt. [...] Ihm stimmt Seneca zu, wenn er sagt: "Ohne Bildung" zu leben, "ist Tod und ein Begräbnis des lebenden Menschen" (Seneca, Brief 82, 3).
  • Albertus Magnus: Die fünfzehn Streitfragen (De quindecim problematibus) Einleitung

    Ein besorgter Dominikaner wendet sich an Albertus Magnus:
    Dem in Christus ehrwürdigen Vater und Herrn Albert [...] Bruder Aegidius aus dem Dominikanerorden. [...] Die Artikel, welche die Pariser Magister, die man als bedeutend in der Philosophie ansieht, in ihren Vorlesungen vortragen, [...] befand ich für wert, dass ihr diese, bereits in vielen Versammlungen bekämpft, durch den Hauch Eures Mundes auslöscht.
    I. Dass der Intellekt aller Menschen der Zahl nach ein und derselbe ist.
    II. Dass die Aussage ,der Mensch denkt’ falsch oder uneigentlich ist.
    III. Dass der menschliche Wille aus Notwendigkeit will und wählt.
    IV. Dass alles, was auf Erden geschieht, der Notwendigkeit der Himmelskörper unterliegt.
    V. Dass die Welt ewig ist. [...]
    VII. Dass die Seele, welche die Form des Menschen ist, insofern er Mensch ist, mit dem Untergang des Körpers untergeht. [...]
    X. Dass Gott einzelnes nicht erkennt.
  • Thomas von Aquin: Summa theologiae I (Summa theologiae) I 1, 5 ad 2

    Thomas von Aquin über die Philosophie als Magd der Theologie:
    Diese Wissenschaft [die Theologie] kann etwas von den philosophischen Disziplinen übernehmen, aber nicht, weil sie sie notwendig bräuchte. [...] Denn sie übernimmt ihre Prinzipien nicht von anderen Wissenschaften, sondern unmittelbar von Gott durch Offenbarung. Und daher übernimmt sie nichts von anderen Wissenschaften so wie von höheren, sondern sie gebraucht sie wie niedrigere und Mägde.
  • Hegel, Georg Wilhelm Friedrich : Phänomenologie des Geistes S. 21

    Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) über die Notwendigkeit, die Philosophie als System darzustellen:
    Unter mancherlei Folgerungen, die aus dem Gesagten fließen, kann diese herausgehoben werden, daß das Wissen nur als Wissenschafft oder als System wirklich ist, und dargestellt werden kann. Daß ferner ein sogenannter Grundsatz oder Princip der Philosophie, wenn es wahr ist, schon deswegen auch falsch ist, weil er Grundsatz oder Princip ist. [...] Mangelhaft [...] ist er, weil nur das Allgemeine oder Princip, der Anfang, ist.
  • Ibn Ṭufail : Ḥayy ibn Yaqẓān Auszüge v. S. 7f.

    Ibn Ṭufail erklärt den Unterschied der <i>unio mystica</i> von komplettem (philosophischem) Wissen
    Stell dir einen blind geborenen Menschen vor. [...] Seit es ihn gibt, wuchs er in einer bestimmten Stadt auf, in der er die einzelnen Bewohner [...], die Wege und Straßen der Stadt [...] durch das, was er von den übrigen Erkenntnisvermögen erfährt, ohne Einschränkungen kennt, so dass er sogar ohne Führer in der Stadt umhergeht und jeden, der ihm begegnet, sogleich erkennt. [...] Wenn ihm nun, nachdem er diese Stufe erreicht hat, seine Augen geöffnet werden und er die Sehkraft erlangt, dann wird er [...] nichts anders vorfinden, als es seiner Überzeugung davon entspricht, und nichts wird ihn täuschen [...], außer dass bei alldem zwei besonders wichtige Sachverhalte [...] neu für ihn sind: Erstens die gesteigerte Deutlichkeit und Helligkeit und zweitens die gewaltige Freude.