Diotima erklärt das Gute als das der Glückseligkeit Zuträgliche:
Sprich, Sokrates, wer das Gute liebt, was liebt der?
Dass es ihm zuteil werde, sagte ich.
Und was wird folglich der werden, dem das Gute zuteil wird?
Das kann ich leichter beantworten, sagte ich, er wird glückselig werden.
Durch den Besitz des Guten, sagte sie, sind die Glückseligen glückselig. Und
hier bedarf es keiner weiteren Frage mehr, weshalb doch der glückselig sein
will, der es will, sondern die Antwort scheint vollendet zu sein.
Peter Abaelard erläutert die philosophische und die christliche Definition des Glücklichseins
a) Philosoph: Diese Glückseligkeit nennt Epikur, wie ich meine, Lust, euer
Christus aber ,Königreich der Himmel‘. Was macht es, mit welchem Namen
sie benannt wird, solange nur die Sache dieselbe bleibt und bei den
Philosophen und den Christen weder die Glückseligkeit verschieden ist noch
eine andere Intention des gerechten Lebens vorgegeben wird? Denn so wie
ihr, so beabsichtigen auch wir, hier gerecht zu leben, damit wir dort
verherrlicht werden, und kämpfen hier gegen Laster, um dort wegen der
Verdienste der Tugenden gekrönt zu werden, wenn wir nämlich dieses
höchste Gut als Lohn empfangen.
b) Christ: Aber so weit ich sehe, sind hierin sowohl unsere und eure Intention
als auch die Verdienste verschieden, und sogar über das höchste Gut haben
wir nicht geringfügig unterschiedliche Ansichten.
Philosoph: Das, bitteschön, erkläre mir, wenn Du kannst.
c) Niemand nennt zu Recht etwas ,höchstes Gut‘, im Vergleich zu dem
etwas Größeres gefunden wird. [...] Aber jede menschliche Glückseligkeit
oder Herrlichkeit übersteigt die göttliche klarerweise bei weitem und
unaussagbar; also darf keine außer ihr zu Recht ,höchste‘ genannt werden,
und außer ihm wird nichts zu Recht ,höchstes Gut‘ genannt.
Philosoph: An dieser Stelle geht es uns nicht um das höchste Gut an sich,
sondern um das höchste Gut für den Menschen.
Christ: Aber auch ,höchstes Gut für den Menschen‘ nennen wir nichts zu
Recht, im Vergleich zu dem ein größeres Gut für den Menschen gefunden
wird.
Die pyrrhoneische Hoffnung auf das Glücklichsein
Deswegen wüssten weder die Pyrrhoneer noch die anderen die Wahrheit in den Dingen, aber die, die nach einer anderen Richtung philosophierten, wüssten alles andere nicht und [..] auch eben dieses nicht, dass nichts von dem, was sie begriffen zu haben meinen, tatsächlich begriffen wurde. Der Philosoph im Sinne des Pyrrhon ist aber im Hinblick auf das andere glückselig, und er ist darin weise, ganz genau zu wissen, dass nichts von ihm in zuverlässiger Weise begriffen wurde.
Das Selbstdenken als Selbstbewegung und Bewegungsursache nach Alexander von Aphrodisias
Der erste Beweger [...] bewegt die bewegte Sache zu sich, insofern er im Geist (‘aql = νοῦς) erfasst wird, so wie das Geliebte den Liebenden bewegt. [...] Dasjenige, das wesentlich geliebt ist, bewegt sich selbst, und dasjenige, das wesentlich geliebt ist, ist dasjenige, was gut ist; [...] ferner ist es notwendig, dass es sich selbst bewegt, wenn es sich selbst denken (ja‘qul ḏātahā = νοεῖ ἑαυτόν) kann und sich kennt. Und dieses Bewegende ist nicht nur die Ursache für die Bewegung des göttlichen Körpers [...], sondern auch die Ursache für den Menschen in der irdischen Wohnstatt und das höchste Glücklichsein (sa‘āda = εὐδαιμονία).
Al-Fārābī über die Wege zum Glücklichsein, verstanden als die Eudaimonie im aristotelischen Sinne
Die menschlichen Dinge, durch deren Vorhandensein bei den Völkern und Städten, diesen hierdurch sowohl das niedrigere Glück im ersten Leben als auch das entferntere Glück im jenseitigen Leben zukommt, gehören zu vier Gattungen: die theoretischen Tugenden (al-faḍāʾil an-naẓarīya), die Verstandestugenden, die ethischen Tugenden und die praktischen Fertigkeiten. Die theoretischen Tugenden sind die Wissenschaften, deren letztes Ziel darin liegt, dass sie die existierenden Dinge, und das was zu ihnen gehört, zu Denkobjekten (maʿqūla) machen, da sie nur durch diese mit Gewissheit erkannt werden.
Thomas von Aquin über Grenzen der Notwendigkeit des Wollens
[1] Weil also Ratschläge und Wahlen sich auf Einzelnes erstrecken, auf das sich das Handeln bezieht, ist erforderlich, dass das, was als gut und angemessen aufgefasst wird, als gut und angemessen im Einzelnen aufgefasst wird, und nicht nur im Allgemeinen. Wenn also etwas im Hinblick auf alles Einzelne, was überhaupt betrachtet werden kann, als angemessenes Gut aufgefasst wird, wird es den Willen aus Notwendigkeit bewegen; und deswegen erstrebt der Mensch aus Notwendigkeit die Glückseligkeit. [...]
[2] ,Aus Notwendigkeit‘ sage ich aber im Hinblick auf die Bestimmung der Handlung, weil man das Gegenteil nicht wollen kann; aber nicht im Hinblick auf die Ausführung der Handlung, denn jemand kann zu diesem Zeitpunkt nicht an die Glückseligkeit denken wollen; denn auch die Handlungen des Intellektes und des Willens sind selbst Einzelnes.
Wenn es aber ein solches Gut ist, das nicht im Hinblick auf alles Einzelne, das betrachtet werden kann, gut gefunden wird, wird es auch im Hinblick auf die Bestimmung der Handlung nicht aus Notwendigkeit bewegen; denn jemand wird das Gegenteil davon wollen können, auch wenn er daran denkt, weil es wohl gut oder angemessen in Bezug auf irgendeinen anderen betrachteten Einzelgesichtspunkt ist, so wie das, was gut für die Gesundheit, nicht gut für die Freude ist.
Aristoteles über die Tugenden als zweitbeste Möglichkeit, glücklich zu werden
An zweiter Stelle [ist] dasjenige Leben [glückselig], das der sonstigen Tugend gemäß ist. Denn die dieser entsprechenden Tätigkeiten sind menschlicher Art. Gerechtes, Tapferes und die übrigen den Tugenden entsprechenden [Handlungen] üben wir gegeneinander im geschäftlichen Verkehr, in Notlagen, in Handlungen aller Art und bei den Emotionen dadurch aus, dass wir allem so viel zumessen, wie ihm gebührt. Dies sind aber alles offenbar menschliche Dinge.
Ainesidemos, der Begründer des kaiserzeitlichen Pyrrhonismus, über die Glückseligkeit als Resultat der Skepsis
Deswegen wüssten weder die Pyrrhoneer noch die anderen die Wahrheit in den Dingen, aber die, die nach einer anderen Richtung philosophierten, wüssten alles andere nicht und [..] auch eben dieses nicht, dass nichts von dem, was sie begriffen zu haben meinen, tatsächlich begriffen wurde. Der Philosoph im Sinne des Pyrrhon ist aber im Hinblick auf das andere glückselig, und er ist darin weise, ganz genau zu wissen, dass nichts von ihm in zuverlässiger Weise begriffen wurde.
Lukian präsentiert das philosophische Glücksideal als Chimäre
H.: Was hast du mir angetan, Lykinos! Mein Schatz – nichts als Kohlen! Und so viele Jahre, so viel Mühe – verschenkt!
L.: Aber, Hermotimos, du wirst weit weniger traurig sein, wenn du dir klarmachst, dass du nicht der einzige bist, dem das erhoffte Glück versagt bleibt, sondern dass alle sozusagen um des Esels Schatten kämpfen. [...] Du aber, mein Lieber, mach das nicht an mir fest. Ich habe eben einfach nur nicht weggeschaut, als du Schätze ausgegraben hast, geflogen bist und dich übernatürlichen Ansichten verschrieben und unerfüllbaren Hoffnungen hingegeben hast. Ich bin dein Freund, und deswegen, konnte ich nicht mit ansehen, wie du dein ganzes Leben einem Traum nachhängst, einem angenehmen Traum vielleicht, aber doch nur einem Traum. Vielmehr verlange ich von dir, dass du aufstehst und das Alltägliche erledigst, was dich außerdem dazu bringen wird, für den Rest des Lebens deine Aufmerksamkeit auf diese die Allgemeinheit betreffenden Dinge zu richten. Denn was du jedenfalls bis jetzt getan und gedacht hast, ist kaum zu unterscheiden von den Kentauren, den Chimären und den Gorgonen und all den anderen Hirngespinsten [...]. Und doch glaubt die Masse an sie.
Die Philosophie erklärt Boethius die unvollkommenen Güter und mahnt ihn, sein Verhältnis zu ihnen zu überdenken
[1] Erwäge nun, ob die Menschen durch das, wodurch sie Glück zu erreichen hoffen, zum festgesetzten Ziel zu gelangen vermögen. [...] Ich frage zuerst dich selbst, der du noch eben in Reichtum schwammst: Hat unter jenem Überfluss von Schätzen deinen Geist niemals Angst getrübt, die aus irgendeinem Unrecht erwuchs? – In der Tat, sagte ich, kann ich mich nicht erinnern, jemals so freien Geistes gewesen zu sein, dass mich nicht irgendeine Sorge geängstigt hätte. [...] [2] Aus alledem dürfen wir zusammenfassend sagen: Das, was weder die Güter, die es verspricht, beschaffen kann, noch durch die Vereinigung aller Güter vollendet ist, führt weder als Weg zum Glück noch macht es die Menschen glücklich.
Die Philosophie zeigt auf, dass Gott das vollendete Glück ist
Dass Gott, der Ursprung aller Dinge, gut ist, billigt ein allgemeiner Begriff des menschlichen Geistes. [...] Die Vernunft zeigt aber, dass Gott so gut ist, dass das vollendete Gut in ihm enthalten ist. [...] Wir haben aber festgestellt, dass das vollendete Gute auch die wahre Glückseligkeit ist; also muss notwendig in dem höchsten Gott auch die wahre Glückseligkeit gelegen sein.