Gregor von Nyssa begegnet in seinem Dialog <i>Über die Seele und die Auferstehung</i> seiner Schwester Makrina als tröstender Lehrerin
[1] Und ich sagte: "Wie kann man dies unter den Menschen richtig aufnehmen, wo doch in einem jeden eine Art natürliches Misstrauen gegenüber dem Tod besteht und wo die, welche Sterbende sehen, den Anblick nicht wohlmeinend aufnehmen und die, denen der Tod naht, ihn fliehen, soweit es möglich ist?" […]
[2] "Was aber", sagte die Lehrerin, "scheint Dir selbst an genau diesem, dem Tod, am meisten betrüblich?" Gregor: Wenn wir […] vom Ausgang der Seele hören, sehen wir das übrig Gebliebene und wissen doch über das von ihm Getrennte nicht, was es der Natur nach ist und wohin es herübergeschritten ist, da weder Erde, noch Luft, noch Wasser, noch irgendein anderes Element in ihm die Kraft erkennen lässt, die den Körper verlassen hat.
Im Horizont des Auferstehungsglaubens betont Gregor die bleibende Verbindung der unkörperlichen Entitäten Gott und Seele mit den Elementen Makrina: Nun haben wir keinen Zweifel daran, dass die unsagbare Weisheit Gottes, welche im All die göttliche Natur und Kraft widerspiegelt, in allem Seienden ist, so dass alles im Sein bleibt: Obwohl die göttliche Wesenheit, wenn Du nach dem Logos ihrer Natur fragst, unendlich weit entfernt ist von dem, was sich in der Schöpfung zeigt und gedacht wird, so besteht doch Einigkeit, dass dieses der Natur nach Entfernte in ihnen ist. Ebenso ist es keineswegs unglaubwürdig, dass auch die Wesenheit der Seele, die von sich aus etwas ganz anderes ist […] nicht in verhindernder Weise gegenüber dem Sein des im Kosmos auf die Weise der Elemente Betrachteten besteht, das ihr gemäß dem Logos der Natur nicht zukommt.
Der neuplatonische Philosoph Porphyrios von Tyros (233-301/5) benennt Pythagoras als den Erfinder der Seelenwanderungslehre
Am meisten wurden jedoch folgende Lehren bei allen bekannt: erstens, dass er behauptete, die Seele sei unsterblich; zweitens dass sie sich in andere Gattungen von Lebewesen hinein verändere; außerdem, dass das Entstehende nach gewissen Zeitumläufen erneut entstehe und dass nichts schlechthin neu sei; schließlich, dass man alles Entstehende, das beseelt ist, als verwandt betrachten muss. Es wird überliefert, dass Pythagoras als erster diese Dogmen nach Griechenland einführte.
Gregor von Nyssa (ca. 335/40-394), einer der besten Philosophen unter den griechischen Kirchenvätern, erläutert den Anlass seines Dialogs mit seiner Schwester Makrina
[1] Als der unter den Heiligen große Basileios das menschliche Leben zu Gott hin verließ und den Kirchen ein allgemeiner Ansturm der Trauer zustieß, aber die Schwester und Lehrerin noch im Leben zugegen war, da ging ich eifrig zu ihr, um mit ihr zusammen zu sein angesichts des Unglücks, das den Bruder betraf; und schmerzbeladen war mir die Seele, überreich an Leid wegen dieses großen Verlustes, und ich suchte einen Gefährten der Tränen, der dieselbe Last der Trauer trug wie ich.
[2] Als wir einander vor Augen standen, da wärmte mir die Lehrerin, als sie vor den Augen erschien, das Leiden auf, denn auch sie wurde schon von der Schwäche zum Tode hingehalten. Sie aber, die mir, auf die Weise der Meister der Reitkunst, eingegeben hatte, ein wenig von der Wucht des Leides fortgetragen zu werden, ging danach daran, dies zu begrenzen, indem sie mit dem Wort, wie mit einem Zügel, durch das eigene Nachdenken das Ungeordnete der Seele wiederherstellte, und von ihr wurde das Apostelwort vorgebracht, man brauche nicht über die Entschlafenen zu trauern, denn dieses Leiden passe nur zu denen, die keine Hoffnung haben.
Gregors/Makrinas Argument für die Unsterblichkeit der Seele mithilfe der Lehre vom Menschen als Mikrokosmos/Kleine Welt
Von den Weisen wird gesagt, der Mensch sei ein kleiner Kosmos, der in sich die Elemente umfasse, durch die das All vollständig ist. Wenn aber diese Aussage richtig ist, und so scheint es zu sein, dann dürften wir wohl keine weitere Unterstützung brauchen, um es für uns gewiss zu machen, was wir über die Seele angenommen haben.
Gregors/Makrinas Argument für die Unsterblichkeit der Seele
[1] Wir haben aber angenommen, sie (= die Seele) bestehe für sich selbst in einer abgehobenen und eigentümlichen Natur neben der körperlichen Schwerfälligkeit.
[2] Es ist so, wie wenn wir den ganzen Kosmos durch die sinnliche Wahrnehmung erkennen und durch genau diese Aktivität der Wahrnehmung zur Einsicht in die Tatsache [= die Idee] und das Denken jenseits der Sinneswahrnehmung geführt werden: Das Auge wird uns zum Erklärer der mit vielen Vermögen versehenen Weisheit [Gottes], die durch das All eingesehen wird. [...]
[3] Genauso haben wir, wenn wir auf den Kosmos in uns blicken, keine geringen Anregungen dazu, um durch das Erscheinende auch das Verborgene aufzufinden. Verborgen ist aber das, was, da es in sich selbst geistig und ohne Gestalt ist, die sinnliche Auffassung flieht.
Ibn Sῖnā erklärt das Verhältnis von Seele und Körper
[1] Im Hinblick darauf, dass die Seele beim Tode des Körpers nicht stirbt, so ist jede Sache, die beim Zugrundegehen einer anderen Sache zugrunde geht, mit ihr auf eine Art des Zusammenhangs verbunden. […] Und wenn die Verbindung der Seele mit dem Körper erforderlich für das Sein und ein wesentlicher Aspekt dafür ist, kein akzidenteller, so steht jedes von beidem [Körper und Seele] in einer wesentlichen Relation zum anderen. […] Und wenn dies ein akzidenteller, nicht wesentlicher Aspekt ist, dann wird, wenn eines der beiden zugrunde geht, das andere Akzidens von seiten der Relation vernichtet, aber das Wesen geht bei dessen Zugrundgehen von seiten dieser Verbindung nicht zugrunde.
[2] Wenn nun die Materie des Körpers neu entsteht, so dass es sich fügt, dass das Werkzeug für die Seele und ihr Königreich da ist, bringen die abgetrennten Ursachen die Einzelseele hervor, und sie wird so von ihnen hervorgebracht. Nun ist ihr Hervorvorbringen ohne spezifizierende Ursache, als Hervorbringen einer ohne die andere, absurd, und die Realität einer Vielheit der Zahl nach unmöglich. […].
[3] Und auch, wenn es möglich wäre, dass eine Einzelseele entsteht und ihr Werkzeug nicht entsteht, durch das sie sich vollendet und tätig ist, so wäre sie nutzlos in ihrem Sein. Aber es gibt nichts Nutzloses in der Natur. Und wenn das unmöglich ist, so gibt es keine Macht dazu.
[4] Und wenn das Neuentstehen einer Sache beim Neuentstehen einer anderen Sache erfolgt, ist es nicht notwendig, dass sie bei deren Zerstörung zerstört wird. Das ist nur der Fall, wenn das Wesen der Sache durch und in dieser Sache liegt. […] Und was das Sein der Seele konstituiert, ist eine unkörperliche Sache und keine Kraft in einem Körper. Vielmehr ist es ein beständiges Wesen, das frei ist von Materie und von Ausdehnung.
Ibn Sῖnā begründet die Unzerstörbarkeit der Seele als solcher
[1] Und ich sage auch, dass keine andere Ursache die Seele gänzlich vernichten kann. […] Wir sagen, dass bei zusammengesetzten Sachen und einfachen Sachen, die nicht dauerhaft in der Zusammensetzung bestehen, ein Akt der Fortdauer zusammen mit einer Möglichkeit des Zugrundegehens bestehen kann. Und bei einfachen, in ihrem Wesen abgetrennten Sachen können diese Aspekte nicht zusammen bestehen. […]
[2] Und wenn die Seele schlechthin einfach ist, so dass sie nicht in Materie und Form geteilt werden kann, und wenn sie [mit einem Körper bzw. anderen Seelenvermögen] zusammengesetzt ist, wollen wir das Zusammengesetzte beiseite lassen und die Substanz betrachten, die ihre Materie ist, und wir wollen die Rede lenken auf die ihre Materie selbst und über diese sprechen. Wir sagen also: Diese Materie ist entweder dauerhaft so teilbar […] – und das ist absurd; oder die Sache, welche die Substanz und Wurzel ist, ist unzerstörbar. […] Und das ist, was wir Seele nennen. […] Und dann ist klar, dass es in der Substanz der Seele nicht die Möglichkeit gibt, dass sie zugrunde geht.
Al-Ġazālī verteidigt die Idee einer Auferstehung der Toten und einer Körperlichkeit des Paradieses gegen die philosophische Lehre von der Unsterblichkeit der unköperlichen Seele
[1] (25) Was [im Koran] über die letzten Dinge versprochen wurde, ist, durch die Macht Gottes des Erhabenen, nicht absurd. Also muss man dem klaren Sinn der Rede (ṯāhir al-kalām) folgen, aber in ihrem Inhalt, der augenfällig in ihr steht. (26) Und wenn gesagt wird "Rationale Beweise haben die Unmöglichkeit der Auferweckung der Toten gezeigt" [...], dann verlangen wir deren Darlegung.
(46) [Die Philosophen sagen:] "Wenn der Körper des auferweckten Menschen aus Stein wäre, aus Saphir, aus Perlen oder aus purer Erde, dann wäre er kein Mensch." Vielmehr kann man ihn sich nicht als Mensch vorstellen, außer er ist in der spezifischen Gestalt eines Menschen geformt, zusammengesetzt aus Knochen, Adern, Fleisch, Knorpeln und Mischungen. [...] Aber dann ist es nicht möglich, dass ein Körper neu entsteht, damit die Seele in ihn zurückgeführt wird, außer durch diese Dinge, und für diese gibt es viele Ursachen. [...] Und die Aussage: "Es wird ihm doch gesagt ,sei, und er ist‘" (kun wajakūn: Koran 40, 68 [vgl. Vorlesung 2]), ist nicht rational nachvollziehbar, weil Erde nicht angesprochen werden kann und ihr Umschlagen (inqilāb) in einen Menschen ohne das Zurückführen durch diese Phasen [d.h. die Entstehung der menschlichen Organe durch natürliche Prozesse] absurd ist. [...]
[2] (48) [Al-Ġazālīs Antwort:] Freilich geben wir zu, dass der Aufstieg durch diese Phasen unabdingbar ist, bevor etwas der Körper eines Menschen entsteht. [...] Aber das ist in einem Moment möglich oder über eine längere Dauer. [...] Aber das ist nicht die Frage, sondern die Untersuchung geht nur darum, ob der Aufstieg durch diese Phasen schlichtweg durch Macht (bi-muǧarrad qudra), ohne etwas Mittleres, oder durch irgendeine Ursache (bi-sabab min al-asbāb) abläuft. Und für uns ist, wie wir erwähnt haben, beides möglich. [...] Die Verbindung von in ihrer Existenz verbundenen Dingen besteht nicht auf die Weise der Notwendigkeit, sondern eine Unterbrechung der gewöhnlichen Abläufe kann vorkommen, so dass diese Dinge durch die Macht Gottes des Erhabenen ohne Existenz ihrer Ursachen zustande kommen.
Augustinus’ Definition des Todes als Tod von Körper und Seele
Denn obgleich die menschliche Seele klarerweise wahrhaft unsterblich ist, hat sie doch auch selbst einen bestimmten eigenen Tod. Denn sie wird deswegen unsterblich genannt, weil sie auf eine bestimmte, beliebig kleine Weise nicht aufhört, zu leben und zu empfinden; der Körper aber ist deswegen sterblich, weil er von jedem Leben verlassen werden kann und kein Stückchen durch sich selbst lebt. Der Tod der Seele erfolgt also, wenn Gott sie verlässt, so wie der des Körpers, wenn die Seele diesen verlässt. Also ist der Tod von ihnen beiden, also der des gesamten Menschen, wenn eine von Gott verlassene Seele den Körper verlässt.