Sokrates begründet die Ablehnung einer Flucht mit einer Berufung auf sein Verhältnis zu den Gesetzen
'Überlege also, o Sokrates,' würden die Gesetze vielleicht weiter sagen, 'wenn wir dies wahr gesprochen hätten, dass es dann nicht gerecht ist, was du uns jetzt antun willst. Denn wir, die wir dich zur Welt gebracht, auferzogen, unterrichtet und alles in sich Gute, was nur in unserem Vermögen stand, dir und jedem Bürger mitgeteilt haben, wir gestatten zugleich [...] jedem Athener, der will, daß [...] er das Seinige nehmen und fortgehen dürfe, wohin er nur will. [...] Du aber hast weder Lakedaimon vorgezogen noch Kreta [...] noch irgendeinen anderen von den griechischen Staaten. [...] So vorzüglich vor allen Athenern hat dir die Stadt gefallen und wir, die Gesetze, offensichtlich also auch. [...] Und jetzt willst dem Versprochenen nicht treu bleiben? [...] Aber, Sokrates, gehorche uns, deinen Erziehern und achte weder die Kinder noch das Leben noch irgend etwas anderes höher als das Gerechte, damit du, wenn du in die Unterwelt kommst, dies alles den dortigen Herrschern zu deiner Verteidigung anführen kannst.' [...] Merke wohl, lieber Freund Kriton, dass ich dies zu hören glaube, wie die, welche das Ohrenklingen habe, die Flöte zu hören glauben.
Platon (ca. 428/27-348/47 v. Chr.) über die Tugend als Ziel der Gesetzgebung
Der Athener: ,Du, Tyrtaios, lobst offensichtlich vor allem diejenigen, die sich in einem fremden und auswärtigen Krieg auszeichnen‘. [...] Wir aber behaupten, obwohl dies gute Männer sind, dass doch diejenigen noch besser sind, und zwar um vieles, die sich in dem größten Krieg als die besten hervortun. [...] Denn treu und anständig wird er in innerstaatlichen Auseinandersetzungen nicht sein ohne die gesamte Tugend [...] Mehr als jeder andere blickt gerade der hiesige, von Zeus unterwiesene Gesetzgeber, und überhaupt jeder, der ein bisschen etwas taugt, auf nichts anderes als in erster Linie auf die größte Tugend, wenn er die Gesetze gibt. [...] So wie es dem Wahren und Gerechten entspricht, wenn wir gemäß den guten Sitten reden, ordnete er die Gesetze nicht mit Blick auf einen Teil der Tugend an – und auch noch den schlechtesten –, sondern auf die gesamte Tugend.
Platon über die einzelnen Güter der Gesetzgebung
Der Athener: Die Güter aber sind doppelter Art, die einen menschlich, die anderen göttlich; von den göttlichen aber sind die anderen abhängig, und wenn ein Staat auch die größeren bei sich aufnimmt, so erwirbt er auch die geringeren; wo nicht, büßt er beide ein. [...] Was aber als erstes das leitende der göttlichen Güter ist, ist die Klugheit; das zweite ist die mit Vernunft verbundene besonnene Haltung; aus diesen, wenn sie mit Tapferkeit gemischt sind, ergibt sich als drittes die Gerechtigkeit, als viertes die Tapferkeit. Alle diese sind den übrigen [Gütern] von Natur aus übergeordnet, und daher muss sie auch der Gesetzgeber dementsprechend anordnen. Hierauf muss er den Bürgern einschärfen, dass auch die anderen ihnen gegebenen Verordnungen auf diese Güter hinzielen.
Wenn die Gesetze einmal stehen, gibt es nur sehr begrenzte Möglichkeiten, etwas an ihnen zu ändern (Antike Philosophie I)<br />
Platon über die Möglichkeiten der Kritik an Gesetzen (Gesetzt und Gewissen)
Wenn eure Gesetze auch maßvoll beschaffen sind, dann ist es gewiss eines der schönsten Gesetze, dass kein junger Mensch untersuchen soll, was an den Gesetzen richtig ist oder nicht, sondern dass mit einer Stimme und aus einem Munde alle einhellig erklären sollen, alles sei richtig angeordnet, da es Götter angeordnet hätten, und wenn jemand etwas anderes sagt, dürfe man es auf keinen Fall zulassen, ihn anzuhören. Wenn aber ein alter Mann etwas an euren Einrichtungen bemerkt, so soll er solche Argumente vor einem Amtsträger oder einem Altersgenossen äußern, ohne Gegenwart eines jungen Menschen.
Der Weg vom stoischen Naturgesetz zum menschlichen Gesetz nach Cicero
Das Gesetz ist die höchste Vernunft, die der Natur innewohnt, die das gebietet, was getan werden muss, und das Gegenteil verbietet. Dieselbe Vernunft ist, wenn sie im Verstand des Menschen befestigt und vollendet wurde, das Gesetz. [...] Und hiervon meinen einige [gelehrte Männer], es sei hinsichtlich seiner griechischen Bezeichnung nach der Zuteilung von, jedem das Seine‘ benannt worden, ich aber hinsichtlich unserer vom Auswählen. Denn so wie sie die Kraft der Gerechtigkeit, so setzen wir diejenige der Auswahl im Gesetz an. Und doch ist beides spezifisch für das Gesetz. [...] Aber [...] wir werden volkstümlich sprechen müssen und dasjenige Gesetz nennen, was schriftlich sanktioniert, was es will, entweder durch Befehlen [...]; den Ausgangspunkt für die Aufstellung des Rechts wollen wir aber von jenem höchsten Gesetze nehmen.
Theoretische Überlegungen des Maimonides zu den Gesetzen
„[1] Das Ziel für die Gesamtheit des Gesetzes besteht in zweierlei, nämlich das Gedeihen der Seele und das Gedeihen des Körpers. [...] Das wahre Gesetz [...], d.h. das Gesetz unseres Freundes Mose, ist nur gekommen, um uns zu den beiden Vollkommenheiten zusammen zu verhelfen. [...]
[2] Du sollst wissen, dass das Gesetz von den richtigen Meinungen, durch die die äußerste Vollkommenheit entsteht, nur ihren Gipfelpunkt angegeben und zum Überzeugtsein von ihnen nur im Allgemeinen aufgefordert hat, und dies ist die Existenz Gottes des Erhabenen, und seine Einheit und sein Wissen und seine Macht und sein Willen und seine Ewigkeit. Und all dies sind die äußersten Gipfelpunkte, die durch Aufteilen und Definieren nicht verdeutlicht werden können, das Äußerste an Wissen aus vielen Meinungen. Und ebenso forderte das Gesetz zu bestimmten Überzeugungen auf, von denen ein Überzeugtsein notwendig ist für den Frieden der Zustände der Stadt, wie zum Beispiel unser Überzeugtsein, dass der Zorn des Erhabenen über den, der ihm nicht gehorcht, heftig wird.
[3] Für jede Vorschrift [...] ist entweder im Hinblick auf das Gebot in sich selbst oder in seiner Notwendigkeit für die Entfernung von Unrecht oder für den Erwerb edler Sitten die Ursache für diese Vorschrift klar oder der Nutzen offensichtlich.
Das Ziel von Gesetzen und dessen Verfehlen bei schlechten Gesetzen
a) [1] Jedes Gesetz ist aber daraufhin geordnet, dass die Untertanen ihm gehorchen. [...] Weil es nun die Tugend ist, die den, der sie besitzt, gut macht, folgt, dass die eigentümliche Wirkung des Gesetzes darin besteht, diejenigen gut zu machen, denen es gegeben wird, entweder schlechthin oder in einer bestimmten Hinsicht.
[2 a] Denn wenn die Intention des Gesetzgebers auf ein wahres Gut gerichtet ist – d.h. auf das Gemeinwohl, wobei dies gemäß der göttlichen Gerechtigkeit geregelt ist – folgt daraus, dass durch dieses Gesetz die Menschen schlechthin gut werden.
b) [2 b] Wenn aber die Intention des Gesetzgebers sich zu etwas bewegt, was nicht schlechthin gut ist, sondern für ihn nützlich oder erfreulich oder der göttlichen Gerechtigkeit widerspricht, dann macht das Gesetz die Menschen nicht schlechthin gut, sondern in einer gewissen Hinsicht, nämlich in der Hinordnung auf eine solche Herrschaft. [...]
[3] Ein tyrannisches Gesetz ist nicht schlechthin ein Gesetz, weil es nicht der Vernunft entspricht, sondern eher eine bestimmte Verdrehung des Gesetzes. [...] Denn es hat nichts anderes vom Begriff des Gesetzes, als [...] dass es danach strebt, dass die Untertanen gut gehorsam sein sollen.
Das Verhältnis der politischen Tapferkeit zu den Gesetzen
Nimm an, dass auch wir uns nach Vermögen bemüht haben, als wir die Soldaten aussuchten und durch Musik und Gymnastik erzogen, und glaube nicht, dass wir irgendetwas anderes damit beabsichtigt haben, dass sie die Gesetze so gut wie möglich gehorsam [oder: überzeugt] annehmen wie eine Farbe. [...] Das derartige Vermögen und die dauerhafte Erhaltung der richtigen und gesetzlichen Meinung über das, was erschreckend ist, und was nicht, nenne und erkläre ich für Tapferkeit [...], und zwar für politische.
Cicero begründet die Notwendigkeit gleicher Gesetze in unterschiedlichen Verfassungen
Für ein einträchtiges Volk, das zudem alles auf seine Unversehrtheit und auf seine Freiheit bezieht, gibt es nichts Unveränderlicheres, nichts Festeres. Ganz leicht aber könne die Eintracht in dem Staat sein, in dem allen dasselbe nützt. Aus den Mannigfaltigkeiten der Vorteile, wenn anderen anderes zuträglich ist, entstünde Zwietracht. [...]
Weil das Gesetz das Band für die Bürgergemeinschaft ist, das Recht aber dem Gesetz gleichkommt, durch welches Recht kann die Gemeinschaft der Bürger erhalten werden, wenn die Situation der Bürger nicht gleich ist? Denn wenn es nicht angemessen ist, an Geld gleich zu sein, wenn die Begabungen aller nicht einheitlich sein können, müssen die Rechte derer gewiss untereinander einheitlich sein, die Bürger im gleichen Staat sind.
Kajetan bindet jedes menschliche Gesetz an das göttliche Gesetz zurück
Genau daraus nämlich, dass der Herrscher willentlich das Gesetz verkündet, will er, dass die Anordnung Gesetzeskraft hat. Und weil ,eine Anordnung erhält Gesetzeskraft‘ soviel heißt wie ,vom ewigen Gesetz geht eine Leitungskraft im Forum des Gewissens aus‘, dem auch der Herrscher untergeben ist, daher hat das menschliche Gesetz aus dem eigenen Willen des Herrschers und aus dem ewigen Gesetz verpflichtende Kraft für den Herrscher im Forum des Gewissens – wenn auch auf verschiedene Weise: vom ewigen Gesetz her als von der ewigen Ursache, von der die verpflichtende Kraft von derartigem stammt; vom Willen des Herrschers aber wie von etwas, das die universale Ursache zu einer speziellen Wirkung näher bestimmt.
Papst Urban II. (1035-1099) über Freiheit als Grundbedingung des mittelalterlichen Menschen
Zwei Gesetze [...] gibt es, ein öffentliches und ein privates; öffentlich ist das Gesetz, das von den heiligen Vätern geschrieben und festgesetzt wurd, z.B. das kanonische [d.h. das kirchliche] Recht. [...] Das private Gesetz aber, das eingesetzt wurde vom heiligen Geist, ist im Herzen geschrieben. [...]
Jeder also, der von diesem Geist geführt wird, selbst wenn sein Bischof ihm widerspricht, soll mit unserer Autorität frei gehen. Für den Gerechten wurde nämlich kein Gesetz erlassen, und ,wo der Geist des Herrn ist, da ist die Freiheit‘ (2 Korinther 3, 17), und wenn ihr vom Geist Gottes geführt werdet, steht ihr nicht mehr unter einem Gesetz.
Historisch gesehen, entstammt das Konzept der Freiheit dem politischen Bereich, wie Platon zeigt, wenn er den freien Menschen als einen wissenden versteht, der genau deswegen herrschen und nicht untertan sein muss
[1] Es ist notwendig, den Menschen Gesetze zu geben und gemäß Gesetzen zu leben oder sich in nichts von den allerwildesten Tieren zu unterscheiden [...], denn die Natur keines Menschen ist ausreichend fähig, das den Menschen Zuträgliche für die Staatsführung zu erkennen und, wenn es sie erkennt, das Beste immer zu vermögen und tun zu wollen.
[2] Denn erstens ist es schwierig zu erkennen, dass mit der politischen und wahren Fertigkeit nicht das Eigene, sondern das Gemeinschaftliche betrieben werden muss [...]; zweitens aber wird gewiss niemand, wenn er nun die Erkenntnis hinreichend verstanden hat, dass dies so ist, und dann nicht rechenschaftspflichtig und als eigener Herr eine Stadt regiert, an dieser Lehre jemals festhalten können.
[3] Wenn daher einer der Menschen, als hinreichender durch göttliches Schicksal entstanden, dies aufzunehmen fähig wäre, würde er keinerlei Gesetze benötigen, die ihn beherrschten. Denn weder ein Gesetz noch eine Ordnung ist stärker als Wissen, und Recht ist auch nicht Recht, dass der Geist jemandes Untertan oder Diener ist, sondern dass er alle beherrscht, wenn er von Natur aus ganz wahrhaft und frei ist.
Der Apostel Paulus berichtet über die Zerrissenheit seines eigenen Wollens
Denn ich weiß, dass in mir, das heißt in meinem Fleisch, das Gute nicht wohnt. Denn das Wollen des Schönen ist bei mir vorhanden, das Ausführen aber nicht. Denn nicht, was ich will, tue ich, das Gute, sondern was ich nicht will, das Schlechte, dies mache ich. Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, dann führe nicht mehr ich dieses aus, sondern die Sünde, die in mir wohnt. Ich finde also das Gesetz, da ich ja das Schöne tun will, weil bei mir das Schlechte vorhanden ist. Denn ich habe dem inneren Menschen nach Freude am Gesetz Gottes, aber ich sehe ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das dem Gesetz meiner Vernunft widerstreitet und mich in dem Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist, gefangennimmt.
Cicero entwickelt auf einer stoischen Grundlage eine äußerst einflussreiche Lehre darüber, dass Gesetze, die diesen Namen verdienen, gerecht sein müssen (Gesetz und Gewissen)<br />
Cicero über Bedingungen für die Gerechtigkeit menschlicher Gesetze (Antike Philosophie II)
[1] So wie jener göttliche Verstand das höchste Gesetz ist, ebenso ist es, wenn eines im Menschen perfekt ist, im Verstand des Weisen.
[2] Dasjenige aber, was verschiedenartig und zeitweise von den Völkern [als Gesetze] niedergelegt wurde, trägt die Bezeichnung ,Gesetze‘ eher aus Gutmütigkeit als der Sache wegen. Denn dass jedes Gesetz, das zu Recht ,Gesetz‘ genannt werden kann, lobenswert ist lehrt man mit in etwa solchen Argumenten. Es stehe fest, dass die Gesetze zum Heil der Bürger und zur Unversehrtheit der Staaten sowie zu einem ruhigen und glückseligen Leben der Menschen erfunden worden seien. [...]
[3] Ich frage Dich also, Quintus, so wie diese Leute es zu tun pflegen: Wenn ein Staat kein solches [Gesetz] hat, ist er [nicht] aus genau dem Grund, dass er es nicht hat, geringzuschätzen, und ist dieses Gesetz unter die Güter zu rechnen?
Der Kirchenvater Origenes deutet die von Paulus erwähnte Schwäche des Willens
a) Wer noch nicht geistig ist, wird also in diesen Einzelfällen besiegt, auch gegen seinen Willen. Denn dieser Wille ist noch nicht so stark und fest, dass er bei sich festlegt, dass bis zum Tode für die Wahrheit gekämpft werden muss. [...] Und daher kann er nicht tun, was er will, sondern was er nicht will. [...]
b) Und das natürliche Gesetz wird zu einer gewissen Übereinstimmung mit dem Gesetz Gottes geführt, so dass sie dasselbe wollen und dasselbe nicht wollen.
c) Aber wenn wir im Willen dem Gesetz Gottes zustimmen, dann tun nicht wir das Schlechte, was wir tun, sondern die Sünde, die in uns ist, tut es, d.h. das Gesetz und der Wille des Fleisches. [...] So wie der geistige Paulus seine Mühen nicht sich, sondern der Gnade Gottes, die in ihm tätig war, zuschrieb, so auch rechnet auch der fleischliche die schlechten Werke nicht sich, sondern der Sünde an.
Der Jude Philon von Alexandrien (1. Jhdt. n. Chr.) führt eine Theorie über das Gesetz des Kosmos und die Gesetze der Staaten an, die wahrscheinlich von den Stoikern übernommen ist
Der Kosmos ist die Polis im Großen und verfügt über eine einzige Staatsform und
ein einziges Gesetz. Der logos der Natur gebietet, was getan werden muss, und
verbietet, was nicht getan werden darf. Die Poleis aber an ihren Orten sind
nicht zählbar und verfügen über Staatsformen, die sich voneinander
unterscheiden und über Gesetze, die nicht dieselben sind. Denn bei
verschiedenen [Völkern] werden verschiedene Gesetze zusätzlich aufgefunden
und dazugesetzt.
Augustinus erläutert, wie die für das gute Handeln notwendige Gnade Gottes im Menschen wirkt
[1] Das Gesetz vergrößert die Begierde durch das Verbot und verpflichtet den durch Übertretung Schuldigen, indem es befiehlt, was die Menschen aus Schwäche nicht erfüllen können, wenn sie sich nicht aus Frömmigkeit zur Gnade Gottes bekehren. Daher wird von denen gesagt, sie seien unter dem Gesetz, die dieses beherrscht. Es beherrscht aber die, die es bestraft. Es bestraft aber alle Übertreter.
[2] Ganz allgemein übertreten die das Gesetz, die es angenommen haben, wenn sie nicht durch Gnade bekommen, das zu können, was es befiehlt. So kommt es, dass es die nicht beherrscht, die unter der Gnade stehen, es in Liebe erfüllen.
Die Definition des Gesetzes
Das Gesetz ist irgendeine Regel und ein Maßstab für Handlungen. [...] Aber die Regel und der Maßstab für die menschlichen Handlungen ist die Vernunft. [...] Denn es ist Aufgabe der Vernunft, zum Ziel hinzuordnen, welches dem Philosophen [Aristoteles] zufolge das erste Prinzip beim Handeln ist. [...] Und so kann aus den vier genannten Punkten die Definition des Gesetzes zusammengestellt werden, die nicht anders lautet als ,eine bestimmte Ordnung der Vernunft zum Gemeinwohl hin, und von dem verkündet, der die Fürsorge für die Gemeinschaft innehat
Der Sinn der menschlichen bzw. positiven Gesetze
Aus den Geboten des Naturgesetzes gleichwie aus bestimmten allgemeinen und nicht beweisbaren Prinzipien schreitet die menschliche Vernunft notwendigerweise dazu voran, einiges Konkretere anzuordnen. Und diese konkreten Anordnungen, die gemäß der menschlichen Vernunft hinzuerfunden wurden, werden menschliche Gesetze genannt, wenn die übrigen Bedingungen beachtet werden, die zum Begriff des Gesetzes gehören.
Augustinus entwickelt auf der Grundlage stoischer und ciceronischer Überlegungen die Idee eines ewigen Gesetzes, durch das die Welt gut regiert wird
[1] Augustinus: Wenn es dir recht ist, wollen wir also jenes Gesetz zeitlich nennen, welches, wenn es auch gerecht sein mag, dennoch im Verlaufe der Zeit gerechterweise geändert werden kann?
Evodius: Nennen wir es so.
Aug.: Wie? Jenes Gesetz, das die höchste Vernunft genannt wird, dem immer zu gehorchen ist und durch welches sich die Bösen das unglückliche, die Guten aber das glückliche Leben verdienen, und durch das schließlich das zeitlich zu nennende Gesetz zu Recht erlassen und zu Recht geändert wird – kann dieses Gesetz irgendeinem Einsichtigen anders als unwandelbar und ewig erscheinen? [...]
[2] Ich glaube, du siehst zugleich auch ein, dass in dem zeitlichen Gesetz nichts gerecht und richtig ist, was sich die Menschen nicht aus dem ewigen Gesetz hergeleitet haben. Denn wenn dieses Volk zu einer Zeit gerechterweise Ämter verliehen hat, zu einer anderen wiederum nicht, dann ist diese zeitliche Veränderung, um gerecht zu sein, aus jener Ewigkeit abgeleitet, durch die es immer gerecht ist, dass ein würdevolles [Gesetz] Ämter verleiht, ein ungefestigtes aber nicht. [...]
[3] Um also kurz den Begriff des ewigen Gesetzes, der uns eingeprägt ist, in Worten auszudrücken, soweit ich das vermag: Das ewige Gesetz ist das, wodurch es gerecht ist, dass alles bestens geordnet ist.
Mendelssohns nähere Bestimmungen des Sinns des jüdischen Gesetzes
[1] Das Judentum rühmt sich keiner ausschließenden Offenbarung ewiger Wahrheiten, die zur Seligkeit unentbehrlich sind. [...] Ein anderes ist geoffenbarte Religion; ein anderes geoffenbarte Gesetzgebung. Die Stimme, die sich an jenem großen Tage, auf Sinai hören ließ, rief nicht: ,ich bin der Ewige, Dein Gott! Das nothwendige, selbständige Wesen, das allmächtig ist und allwissend, das den Menschen in einem zukünftigen Leben vergilt, nach ihrem Thun‘. Dieses ist allgemeine Menschenreligion, nicht Judentum. [...]
[2] Nein! alles dieses ward vorausgesetzt, ward vielleicht in den Vorbereitungstagen gelehrt, erörtert und durch menschliche ausser Zweifel gesetzt, und nun rief die göttliche Stimme: ,Ich bin der Ewige, dein Gott! der dich aus dem Lande Mizraim geführt, aus der Sklaverey befreit hat u. s. w.‘ Eine Geschichtswahrheit, auf die sich die Gesetzgebung dieses Volks gründen sollte, und Gesetze sollten hier offenbaret werden; Gebote, Verordnungen, keine ewige Religionswahrheiten. [...]
[3] Wunder und ausserordentliche Zeichen sind nach dem Judentume, keine Beweismittel für oder wider ewige Vernunftwahrheiten. [...] Alle Zeugnisse und Autoritäten können keine ausgemachte Vernunftwahrheit umstoßen.
Epikur über die Bedingungen gültiger Gesetze
Von dem, was als gerecht
angesehen wird, muss dasjenige den Platz des Gerechten einnehmen, wovon
sich bestätigt, dass es den Erfordernissen der Gemeinschaft miteinander
zuträglich ist, ob es nun für alle dasselbe ist oder nicht. Wenn aber jemand ein
Gesetz erlässt und dieses nicht im Sinne des für die Gemeinschaft miteinander
zuträglichen wirkt, hat dieses nicht länger die Natur des Gerechten. Und falls
das, was im Sinne des Gerechten zuträglich ist, sich ändert, aber doch einige
Zeit zu dem Vorbegriff passt, so war es in dieser Zeit um nichts weniger
gerecht.
Augustinus nennt die Weltordnung auch das natürliche Gesetz und erklärt, warum nur besonders verrohte Menschen andere Menschen töten dürfen
[1] Aus dieser unsagbaren und erhabenen Verwaltung der Dinge, die durch die göttliche Vorsehung geschieht, ist das Naturgesetz in die rationale Seele gleichsam eingeschrieben, damit in der Führung dieses Lebens und in den irdischen Sitten die Menschen Abbilder solcher Verteilungen bewahren.
[2] Von daher erklärt es sich, dass ein Richter es für seiner Stellung unwürdig und verwerflich hält, einen Verurteilten zu töten. Auf seinen Befehl hin tut dies der Henker, der wegen seiner Begierde in seiner Amtsstellung den Platz in der Ordnung innehat, dass derjenige den durch das Maß der Gesetze Verurteilten tötet, der auch einen Unschuldigen mit der ihm eigenen Grausamkeit töten könnte.
Philon von Alexandrien (gest. ca. 40 n. Chr.) sieht die Ordnung der Welt in der Philosophie des Mose dargestellt
a) Manche Gesetzgeber haben das, was ihnen als gerecht galt, in ungeschminkter und einfacher Form angeordnet; andere haben ihre Ideen in ein schwülstiges Gewand gekleidet und die Volksmassen geblendet, indem sie mit mythischen Erdichtungen die Wahrheit verhüllten.
b) Moses aber hat beides vermieden, das eine, weil es unbedacht, bequem und unphilosophisch ist, das andere, weil es voll Lug und Trug ist. Er hat vielmehr seinen Gesetzen einen sehr schönen und erhabenen Anfang gegeben [...], da er die Weltherstellung schildert, um gleichsam anzudeuten, dass sowohl die Welt mit dem Gesetz als auch das Gesetz mit der Welt im Einklang steht und dass der gesetzestreue Mensch ohne weiteres ein Weltbürger ist, da er seine Handlungen nach dem Gesetz der Natur ordnet, nach dem auch die ganze Welt gelenkt wird.