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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Thema: Autobiographie

19 Zitate zu diesem Thema im Zitatenschatz:

  • Al-Ġazālī : Der Erretter aus dem Irrtum II (p. 12 Elschazlī = p. 18 Maḥmūd)

    Al-Ġazālī benennt die wichtigsten Strömungen der Gottsuche in der islamischen Geisteswelt seiner Zeit
    Ich sah dass, die Forscher auf vier Gruppen zurückgeführt werden können:
    1. Die Theologen (al-mutakallimūna): Sie behaupten, Menschen der Meinung und der Theorie zu sein;
    2. Die Bāṭiniten: Sie geben an, sie seien Menschen der Lehre. [...]
    3. Die Philosophen (al-falāsifa): Sie geben an, sie seien Menschen der Logik und des Beweises.
    4. Die Ṣūfīs: Sie behaupten, sie seien Menschen der persönlichen Anwesenheit [bei Gott] sowie Menschen der Schau und Enthüllung.
  • Al-Ġazālī : Der Erretter aus dem Irrtum IV (p. 40f. Elschazlī = p. 59. 61 Maḥmūd 1968)

    Al-Ġazālī über die Rolle der Mystik für den suchenden Menschen
    Nachdem ich mit den Wissenschaften fertig war, wandte ich mich in meinem Eifer dem Weg der Ṣūfīs zu. Ich erkannte, dass ihr Weg nur durch Wissen und Tätigkeit vollendet wird. Der Ertrag ihrer Tätigkeit besteht darin, die Hindernisse der Seele zu beseitigen [...], bis man hierdurch die Befreiung des Herzens von allem Nicht-Göttlichen erreicht sowie seine Erleuchtung durch das Gedenken an Gott. [...] Deshalb erkannte ich gewiss, dass diese Meister der Zustände [des mystischen Erlebens], nicht Freunde von Worten sind.
  • Augustinus von Hippo: Bekenntnisse (Confessiones) I 1 (p. 1, 10-169)

    Der bedeutendste lateinische Kirchenvater Augustinus berichtet in seinen <i>Bekenntnissen</i> seinen Lebensweg
    [1] Groß bist Du Gott, und sehr zu loben. Groß ist Deine Kraft, und Deine Weisheit hat kein Ende. Und der Mensch will Dich loben, irgendein Teil Deiner Schöpfung, und der Mensch, der seine Sterblichkeit herumträgt, der das Zeugnis seiner Sünde umherträgt und das Zeugnis, dass Du "den Hochmütigen widerstehst" (Brief des Jakobus 4, 6).
    [2] Und doch will Dich der Mensch loben, irgendein Teil Deiner Schöpfung. Du regst an, dass es Freude bereitet, Dich zu loben, denn Du hast uns auf Dich hin geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in Dir. [...]
    [3] Aber wer ruft Dich an, der Dich nicht kennt? Denn wer nicht kennt, kann etwas anderes anstelle von etwas anrufen. Oder wirst Du eher angerufen, damit Du gekannt wirst? Wie wird man aber jemand anrufen, an den man nicht geglaubt hat? Oder wie glaubt man ohne Verkündiger? [...] Ich will Dich suchen, Gott, indem ich Dich anrufe, und Dich anrufen, indem ich an Dich glaube.
  • Augustinus von Hippo: Bekenntnisse (Confessiones) III 7f

    Augustinus berichtet über seine Bekehrung zur Philosophie als Gottsuche nach der Lektüre von Ciceros <i>Hortensius</i>
    [1] Durch die übliche Ordnung des Lernens war ich zu einem Buch eines gewissen Cicero gelangt, dessen Sprache fast alle bewundern, seinen Gehalt hingegen nicht so sehr. Aber dieses Buch von ihm enthält eine Ermunterung zur Philosophie und wird Hortensius genannt.
    [2] Dieses Buch aber veränderte meine Geisteshaltung und verwandelte meine Bitten, Herr, zu Dir hin und machte meine Gebote und Begierden andere. [...]
    [3] Wie sehr brannte ich, mein Gott, wie sehr brannte ich danach, vom Irdischen zu Dir zurückzufliegen und wusste doch nicht, was Du mit mir tatest! Denn „bei Dir ist die Weisheit“ (Ijob 12, 13). Die Liebe zur Weisheit hat aber als griechische Bezeichnung, 'Philosophie', zu der mich diese Schrift entbrannte.
    [4] Es gibt Leute, die durch Philosophie verführen, indem sie ihre Irrtümer mit diesem großen, verführerischen und in sich guten Namen färben und kolorieren [...], und hierbei wird die heilsmäßige Ermahnung Deines Geistes klar [...]: „Seht zu, dass Euch niemand durch leere Philosophie täuscht“ (Kolosser 2, 8). [...]
    [5] Weil mir dieses Apostelwort noch nicht bekannt war, freute ich mich trotzdem allein hierdurch an dieser Ermahnung [zur Philosophie], dass ich [...] die Weisheit selbst, worin sie auch immer bestehe, liebte und suchte [...], und allein das [...] machte mich stutzig, dass der Name Christi dort nicht zu finden war.
  • Augustinus von Hippo: Bekenntnisse (Confessiones) VII 13f. 16

    Augustinus berichtet, wie er mithilfe platonischer Schriften einen Weg zum christlichen Glauben findet
    [1] Du verschafftest mir durch einen bestimmten Menschen, der vor gewaltigem Stolz geschwollen war, bestimmte Bücher der Platoniker, die aus der griechischen Sprache in die lateinische übersetzt waren.
    [2] Und dort las ich, dass, zwar nicht mit diesen Worten, aber ganz genau dasselbe mit vielen und vielfältigen Argumenten überzeugend angeraten wird: "Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort" (Johannes 1, 1) [...], aber "das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt" (Johannes 1, 13) las ich dort nicht. [...]
    [3] Und hierdurch ermahnt, zu mir selbst zurückzukehren, trat ich unter Deiner Führung in mein Innerstes ein und konnte dies, weil "Du mein Helfer geworden bist" (Psalm 29, 11).
    [4] Ich trat ein und sah mit irgendeinem Auge meiner Seele oberhalb desselben Auges meiner Seele, oberhalb meines Verstandes ein unveränderliches Licht, nicht das gewöhnliche und für jedes Fleisch sichtbare, noch war es gleichsam von derselben Art, nur größer – so als ob dieses viel, viel heller leuchtet und alles durch seine Größe belegte. Nicht dies war es, sondern etwas von allem, allem weit Verschiedenes.
  • Augustinus von Hippo: Bekenntnisse (Confessiones) II 9

    Augustinus konstruiert autobiographisch einen Fall, in dem er etwas Böses nur um des Bösen selbst willen getan hat
    [1] Gewiss, o Herr, bestraft dein Gesetz den Diebstahl, und das Gesetz, das in die Herzen der Menschen geschrieben ist, welches nicht einmal die Ungerechtigkeit selbst zerstört. [...]
    [2] Und ich wollte einen Diebstahl begehen, und ich beging ihn, von keiner Not gezwungen, es sei denn von Armut und Überdruss an Gerechtigkeit und durch die Mästung mit Ungerechtigkeit. Denn ich habe etwas gestohlen, was ich im Übermaß hatte und auch viel besser, und ich wollte auch nicht das genießen, was ich durch den Diebstahl erstrebte, sondern den Diebstahl selbst und die Sünde.
    [3] In der Nachbarschaft unseres Weinbergs stand ein Birnbaum, beladen mit Früchten, die weder durch Form noch durch Geruch anlockten. Um ihn leerzuschütteln und abzuernten, brachen wir verruchten jungen Kerle in einer windlosen Nacht auf [...] und trugen von dort gewaltige Lasten fort, nicht als unsere eigene Speise, sondern eher, um sie den Schweinen vorzuwerfen. Selbst wenn wir etwas davon aßen, so geschah von uns doch nur etwas, das deswegen gefiel, weil es sich nicht gehörte. [...]
    [4] Schau mein Herz an: Was suchte es dort, so dass ich freiwillig schlecht war und es keinen Grund für meine Schlechtigkeit gab als eben Schlechtigkeit?
  • Augustinus von Hippo: Bekenntnisse (Confessiones) VIII 10f

    Augustinus beschreibt die Zerrissenheit seines Wollens zu dem Zeitpunkt, als er sich entschieden hatte, Christ zu werden
    [1] Mein Wollen hielt der Feind gefangen und hatte mir daraus eine Kette gemacht und mich gefesselt. Deswegen wurde aus dem verdrehten Willen das Begehren, und während dem Begehren gedient wird, wurde es zur Gewohnheit, und während der Gewohnheit nicht widerstanden wird, wurde es zur Notwendigkeit. [...]
    [2] Der neue Wille aber, der bei mir zu sein begonnen hatte, dass ich Dich einfach so verehrte und Dich genießen wollte, Gott, sichere Heiterkeit, war noch nicht geeignet, den alten zu überwinden, der durch Alter gefestigt war.
    [3] So traten meine beiden Willen [...] in Konflikt miteinander und zerstreuten in ihrer Zwietracht meine Seele. So verstand ich an mir selbst als Beispiel, was ich gelesen hatte, wie "das Fleisch gegen den Geist begehrte und der Geist gegen das Fleisch" (Galater 5, 17).
  • Augustinus von Hippo: Bekenntnisse (Confessiones) 11, 36-38

    Augustinus erklärt die Zeit als die Ausdehnung unseres Geistes
    [1] In Dir also, mein Geist, messe ich die Zeiten. [...] Wer bestreitet also, dass Zukünftiges noch nicht ist? Und doch ist im Geist bereits die Erwartung des Zukünftigen. Und wer bestreitet, dass das Vergangene nicht mehr ist? Und doch ist die Erinnerung an das Vergangene noch im Geist. Und wer bestreitet, dass die Gegenwart keine Ausdehnung hat, weil sie im Moment vergeht? Und doch dauert die Aufmerksamkeit an, durch die das, was da sein wird, zum Fort-Sein hin eilt. [...]
    [2] Wenn ich ein Lied vorzutragen beginne, das ich kenne, richtet sich meine Erwartung, bevor ich beginne, auf das ganze [Lied]. Habe ich begonnen, dann erstreckt sich auch meine Erinnerung über das, was ich aus jener in die Vergangenheit abgelegt habe. Das Leben dieser meiner Tätigkeit spaltet sich dann auf in die Erinnerung, weil ich bereits vorgetragen habe, und die Erwartung, weil ich noch weiter vortragen werde. [...] Was so mit dem ganzen Lied geschieht, das wiederholt sich mit seinen einzelnen Abschnitten und in seinen einzelnen Silben.
  • Augustinus von Hippo: Bekenntnisse (Confessiones) I 2

    Augustinus findet Gott vor allem in sich selbst
    Und wie soll ich meinen Gott anrufen, meinen Gott und Herrn, wo ich ihn doch in mich selbst hineinrufen werde, wenn ich ihn anrufen werde? Und welcher Ort ist in mir, wohin mein Gott in mich kommen könnte? [...] Ist denn so, Herr mein Gott, etwas in mir, was Dich fassen würde? Aber Himmel und Erde, die Du geschaffen hast und in denen Du mich geschaffen hast – fassen sie Dich? Oder ist es so, dass deswegen, weil ohne Dich nichts von dem wäre, was ist, alles Dich fasst, was ist? Weil daher auch ich bin, was erstrebe ich, dass Du in mich kommst, der ich nicht wäre, wenn Du nicht in mir wärst?
  • Abaelard, Peter: Leidensgeschichte (Historia calamitatum) (p. 63-65 Monfrin)

    Peter Abaelard (1079-1142) über seinen Weg zur Philosophie
    [1] Da mein Vater mich, den Erstgeborenen, besonders ins Herz geschlossen hatte, achtete er sehr sorgfältig auf meine Erziehung. Je schneller und leichter ich im Studium der Schriften vorankam, desto größer wurde meine Begeisterung für sie. Diese Liebe ging so weit, dass ich auf den Glanz ritterlichen Ruhmes samt meinem Erbe und den Vorrechten der Erstgeburt zugunsten meiner Brüder verzichtete und vom Gefolge des Mars ganz Abschied nahm, um im Schoß der Minerva aufgezogen zu werden.
    [2] Da ich die Bewaffnung mit dialektischen Argumenten allen Zeugnissen der Philosophie vorzog, vertauschte ich die anderen Waffen mit diesen und zog die Konflikte des Streitgesprächs allen allen Kriegstrophäen vor. Also wurde ich, indem ich disputierend durch verschiedene Provinzen zog – überall hin, wo ich von einer Blüte dieser Technik gehört hatte –, zu einem Nachahmer der Peripatetiker.
    [3] Schließlich kam ich nach Paris, wo diese Disziplin schon länger einen großen Aufschwung genommen hatte, zu Wilhelm von Champeaux, meinem Lehrer, der damals in diesem Fach an Können und Ansehen herausragte. Ich blieb einige Zeit bei ihm und war ihm zunächst willkommen. Später wurde ich ihm außerordentlich lästig, da ich manche seiner Ansichten zu widerlegen versuchte, immer wieder argumentative Angriffe gegen ihn führte und manchmal im Streitgespräch überlegen erschien. [...]
    [4] Hier nahm die Serie meiner Schicksalsschläge, die bis heute andauert ihren Anfang. Je mehr sich mein Ruhm ausbreitete, desto stärker loderte der Neid anderer.
  • Abaelard, Peter: Leidensgeschichte (Historia calamitatum) (p. 72f. 79f. Monfrin)

    Peter Abaelard über persönliche Ablenkungen und ihre Folgen
    Unter dem Vorwand des Unterrichts gaben wir uns ganz der Liebe hin. Die wissenschaftliche Lektüre bot uns jene stillen Rückzugsmöglichkeiten, die sich die Liebe wünschte. Waren die Bücher aufgeschlagen, wurden mehr Worte über die Liebe als über den Lesestoff gewechselt, gab es mehr Küsse als Sätze, wanderten die Hände öfter zum Busen als zu den Büchern [...]. Der Onkel und seine Verwandten hörten davon [...]. Zutiefst entrüstet verschworen sie sich gegen mich. Eines Nachts [...] bestachen sie einen meiner Diener mit Geld und rächten sich an mir durch eine besonders grausame und schmachvolle Strafe, von der die Welt mit größtem Erstaunen hörte: Sie schnitten mir die Körperteile ab, mit denen ich begangen hatte, was sie beklagten. [...] Am meisten marterten mich [...] meine Studenten mit ihrem unerträglichen Geklage und Gejammere. Ich litt viel mehr unter ihrem Mitleid als am Leid aufgrund der Wunde, und ich fühlte mehr das Erröten als den Schlag. [...] Mir ging durch den Kopf, wie groß der Ruhm war, in dem ich eben noch gestanden hatte; wie schnell er durch diesen blamablen Fall verringert, ja ganz ausgelöscht worden war; wie gerecht das Urteil Gottes, das mich an jenem Teil des Körpers bestrafen ließ, mit dem ich Schuld auf mich geladen hatte.
  • Abaelard, Peter: Leidensgeschichte (Historia calamitatum) (p. 65f. Monfrin)

    Peter Abaelard über die Kernpunkte des Universalienstreits
    Als ich damals zu Wilhelm von Champeaux zurückgekehrt war [...], zwang ich ihn im Rahmen anderer Streitgespräche mit vollkommen überzeugenden Argumenten, seine alte Auffassung über die Universalien zu ändern, ja sogar zu widerlegen. Diese These zur Allgemeinheit der Universalien besagte, dass eine im Wesen identische Sache ganz und zugleich allen ihr zugehörigen Einzeldingen innewohne, zwischen denen es keinen Unterschied im Wesen, sondern nur eine Variation in der Menge der Akzidenzien gebe. Er hat diese seine These dahingehend korrigiert, dass er nicht mehr von einer "im Wesen" identischen Sache, sondern von einer "indifferent" identischen Sache sprach. Und weil bei den Dialektikern das Universalienproblem [...] immer herausragend ist [...], ist deswegen, weil er diese These korrigierte, seine Vorlesung auf eine solche Missachtung gestoßen, dass er Schwierigkeiten hatte, zu den übrigen Gebieten der Logik zugelassen zu werden.
  • Ibn Sīnā (Avicenna): Autobiographie (vita) Autobiographie (p. 32-35 Gohlmann)

    Ibn Sīnā (Avicenna) berichtet über seine Probleme beim Studium von Aristotelesʼ <i>Metaphysik</i>
    Ich las das Buch der Metaphysik, aber ich verstand nicht, was darin steht, und mir blieb das Ziel seines Verfassers dunkel, bis dass ich die Lektüre vierzigmal wiederholt hatte und es auswendig wusste, wobei ich es trotzdem nicht verstand und nicht das darin liegende Ziel. [...] Eines Tages zur Zeit des Nachmittagsgebets befand ich mich bei den Buchhändlern, als ein Makler herantrat und in seiner Hand einen Band hielt, den er zum Verkauf ausrief. Er reichte ihn mir, aber ich gab ihn angewidert zurück, weil ich meinte, dass diese Wissenschaft zu nichts nutze sei. Er aber sagte mir: „Kaufe ihn doch, sein Besitzer braucht das Geld. Er ist billig, und ich verkaufe ihn Dir für drei Dirham.“ So kaufte ich ihn, und siehe da, es war das Buch von Abū Naṣr al-Fārābī Über die Ziele des Buches der Metaphysik. Ich kehrte nach Hause zurück und ging eilends an die Lektüre. Da gingen mir mit einem Male die Ziele dieses Buches auf, denn ich kannte es ja bereits auswendig. Ich freute mich darüber und gab am folgenden Tag ein reichliches Almosen für die Armen aus Dankbarkeit gegen Gott, der erhaben ist.
  • Ibn Sīnā (Avicenna): Autobiographie (vita) (p. 28, 3-30, 2 Gohlmann)

    Ibn Sīnā (Avicenna) berichtet über Hilfsmittel zu philosophischer Kreativität
    Und aufgrund von denjenigen Fragen, über die ich unsicher war [...], suchte ich wiederholt die Moschee auf, betete und flehte zum Schöpfer des Alls. [...] Sooft mich der Schlaf überwältigte oder ich eine Schwäche verspürte, wandte ich mich ab, um einen Becher Wein zu trinken, auf dass meine Fähigkeit mir wiederkehrt. Wenn ich bei einer Frage in Verlegenheit war [...], pflegte ich deswegen die Moschee aufzusuchen und zum Schöpfer des Alls zu beten und zu flehen. [...] Wenn mich der Schlaf übermannen wollte oder ich eine Schwäche verspürte, wandte ich mich einem Becher Wein zu, um wieder zu Kräften zu kommen.
  • Platon: Briefe (Epistulae) 7, 324b-325d

    Platon berichtet über seine ersten Erfahrungen mit der Politik
    Damals, als ich jung war, ging es mir ebenso wie vielen: Ich glaubte, sobald ich mein eigener Herr wäre, sogleich zur Teilnahme an den öffentlichen Angelegenheiten mich anzuschicken. [...] Es fand nämlich, da unsere Staatsverfassung dem Tadel vieler unterlag, eine Umgestaltung derselben statt, und [...] dreißig bestimmte sie zu unumschränkten Oberherren des ganzen Staats. Nun traf es sich, dass von diesen mir einige verwandt oder bekannt waren; diese forderten mich alsbald auf, an den Staatsgeschäften als etwas mir Zukommendem mich zu beteiligen. [...] Ich glaubte nämlich, sie würden den Staat irgendwie so verwalten, dass sie aus einem Zustand der Ungerechtigkeit zu einer gerechten Lebensweise ihn hinführten [...]. Doch als ich sehen musste, wie diese Männer in kurzer Zeit die vorherige Verfassung noch als Gold erscheinen ließen, unter anderem einen mir befreundeten älteren Mann, den Sokrates, den ich fast unbedenklich für den gerechtesten seiner Zeit erklären möchte, zusammen mit anderen ausschicken, einen Mitbürger gewaltsam zur Hinrichtung zu holen, damit er denn bei ihrem Tun sich beteiligte, ob er wollte oder nicht (doch er gab ihnen kein Gehör und setze sich lieber der äußersten Gefahr aus, als dass er an ihrem frevelhaften Treiben teilnahm); – [...], da erfüllte es mich mit Unwillen, und ich selbst zog mich von dem damaligen schlechten Regimente zurück.
    Nach nicht langer Zeit wurden die dreißig gestürzt, und mit ihnen die ganze damalige Verfassung. [...] Unglücklicherweise zogen einige [neue] Gewalthaber wieder unsern schon erwähnten Freund, den Sokrates, vor Gericht und erhoben eine äußerst ruchlose Anklage gegen ihn, die am allerwenigsten für Sokrates angemessen war. Wegen Gottlosigkeit nämlich klagten ihn einige an, andere stimmten ihn für schuldig und ließen ihn hinrichten, ihn, der damals an der verbrecherischen Entführung eines der verbannten Freunde nicht hatte teilnehmen wollen, als es ihnen selbst in der Verbannung schlecht ging. Als ich mir dies nun anschaute: die, die Politik trieben, die Gesetze und Sitten, desto schwieriger kam es mir vor – je mehr ich das durchschaute und zugleich an Alter zunahm –, eine Staat richtig zu verwalten.
  • Ḥunain ibn Iṣḥāq: Über die seines Wissens übersetzten Bücher Galens und einige der nicht nr. 115; Arab. 47, 12-17; dt. 38

    Ḥunain ibn Iṣḥāq berichtet über seine Suche nach einem Werk Galens
    Bis zu diesem Zeitpunkt ist keinem von unseren Zeitgenossen eine vollständige Handschrift von Galens Buch „Über den Beweis“ (kitāb al-burhān) auf Griechisch in die Hände gekommen. [...] Ich habe [...], um es zu suchen, die Länder von ganz Mesopotamien und Syrien, Palästina und Ägypten bereist, bis ich nach Alexandrien gelangte, habe aber nichts davon gefunden, außer in Damaskus ungefähr die Hälfte davon, jedoch nicht aufeinanderfolgende und unvollständige Teile.
  • Ḥunain ibn Iṣḥāq: Über die seines Wissens übersetzten Bücher Galens und einige der nicht Prooemium; Arab. 2, 14-3, 2; dt. p. 2

    Ḥunain ibn Iṣḥāq (gest. 873), über das Interesse der Araber an Büchern
    Wir und die übrigen [...] Leser von Büchern auf Syrisch und Arabisch haben das Bedürfnis zu erfahren, welche von jenen Büchern in die syrische und arabische Sprache übersetzt sind und welche nicht übersetzt sind, [...] von welchen von diesen Büchern, so weit sie bis zu diesem Zeitpunkte noch nicht übersetzt sind, eine Handschrift auf Griechisch vorhanden ist, und von welchen von ihnen keine Handschrift vorhanden ist oder nur ein Stück. Denn dies ist etwas, was man braucht, um sich um die Übersetzung der Bücher, die vorhanden sind, zu bemühen, und um die zu suchen, die nicht vorhanden sind.
  • Ibn Abī ʿUṣaibiʾa: Geschichte der Medizin (Historia medicinae) (p. 558f.)

    Al-Fārābī gibt offensichtlich eine verlorene griechische Quelle über die Entstehung des Corpus Aristotelicum wieder
    [1] Die Sache der Philosophie war in den Tagen der hellenischen Könige nach dem Tod des Aristoteles in Alexandrien bis zu den letzten Tagen der Frau [= Kleopatra] verbreitet. Und als er starb, ging die Lehre in dieser Weise während der Regierung von 13 Königen durch weiter, und es folgten während der Dauer ihrer Regierung zwölf Lehrer der Philosophie aufeinander, von denen der letzte als Andronikos bekannt war.
    Und der letzte dieser Könige war die Frau, und sie besiegte der König Augustus aus dem Volk der Römer und tötete sie und bemächtigte sich der Herrschaft.
    [2] Und als sie für ihn gesichert war, richtete er die Aufmerksamkeit auf die Bibliotheken und die Produktion von Büchern. Und er fand Kopien der Bücher des Aristoteles, die in dessen Tagen und denen des Theophrast kopiert worden war. Und er fand Lehrer und Philosophen, die Bücher über die Themen erarbeitet hatten, über die auch Aristoteles gearbeitet hatte. Und er befahl, dass die Bücher, die in den Tagen des Aristoteles und seiner Schüler kopiert worden waren, kopiert werden sollten und dass auf ihrer Basis Lehre stattfinden solle und dass sie vom Rest getrennt werden sollten. Und er befahl Andronikos die Anordnung (tadbīr = σύνταξις ?) hiervon. Und er befahl ihm, Kopien zu erstellen, die er mit sich nach Rom nehmen solle, sowie Kopien, die er am Ort der Lehre in Alexandrien lassen solle. Und er befahl ihm, dass er einen Gelehrten als Vertreter einsetzen solle, um seine Stelle in Alexandrien einzunehmen, und selbst mit ihm nach Rom fahren solle. Und die Lehre erfolgte an beiden Orten.
  • Ibn Abī ʿUṣaibiʾa: Geschichte der Medizin (Historia medicinae) (p. 558f. = Bd. 2, S. 134f. Müller)

    Al-Fārābī über den Weg der Philosophie von der griechischen Spätantike in die islamischen Länder
    [1] Und so lief die Sache [der Philosophie], bis das Christentum kam, und dann verschwand die Lehre aus Rom und blieb in Alexandrien bestehen [...]. Und die Bischöfe [...] meinten, dass aus den Büchern der Logik bis zum Ende der assertorischen Syllogismen (Analytica priora I 7) gelehrt werden soll [...]. Und der offizielle Umfang der Lehre blieb dieser, und was man von dem Rest untersuchte, war privat, bis nach langer Zeit der Islam kam.
    [2] Da wurde der Unterricht aus Alexandrien nach Antiochien überführt und blieb dort eine lange Zeit, bis ein einziger Lehrer übrigblieb. Von ihm lernten zwei Männer und zogen fort, wobei sie die Bücher mitnahmen. Der eine von ihnen stammte aus Harran und der andere aus Marw. Von dem aus Marw lernten zwei Männer, der eine war Ibrāhīm al-Marwazī, der andere war Yūḥannā ibn Hailān. [...] Und Ibrāhīm al-Marwazī begab sich nach Bagdad. [...].
    [3] Abū Naṣr al-Fārābī berichtet von sich selbst, dass er bei Yūḥannā ibn Ḥailān bis zum Ende des Buches vom Beweis (kitāb al-burhān = Analytica posteriora) lernte.