Der Komödiendichter Aristophanes erklärt in Platons Symposion narrativ die
Unvollkommenheit des Menschen: Aristophanes: Die ganze Gestalt eines Menschen war rund, so dass Rücken und
Brust im Kreise herumgingen. Und vier Hände hatte jeder und ebenso viele
Schenkel wie Hände und zwei Gesichter auf einem kreisrunden Hals, einander
genau gleich, und einen gemeinschaftlichen Kopf für beide einander
gegenüberstehenden Gesichter und vier Ohren, auch zweifache Schamteile und
alles übrige, wie es sich hieraus ein jeder weiter ausbilden kann.
Der bedeutendste lateinische Kirchenvater Augustinus berichtet in seinen ,Bekenntnissen‘ seinen Lebensweg
[1] Groß bist Du Gott, und sehr zu loben. Groß ist Deine Kraft, und Deine Weisheit hat kein Ende. Und der Mensch will Dich loben, irgendein Teil Deiner Schöpfung, und der Mensch, der seine Sterblichkeit herumträgt, der das Zeugnis seiner Sünde umherträgt und das Zeugnis, dass Du ,den Hochmütigen widerstehst‘ (Brief des Jakobus 4, 6).
[2] Und doch will Dich der Mensch loben, irgendein Teil Deiner Schöpfung. Du regst an, dass es Freude bereitet, Dich zu loben, denn Du hast uns auf Dich hin geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in Dir. [...]
[3] Aber wer ruft Dich an, der Dich nicht kennt? Denn wer nicht kennt, kann etwas anderes anstelle von etwas anrufen. Oder wirst Du eher angerufen, damit Du gekannt wirst? Wie wird man aber jemand anrufen, an den man nicht geglaubt hat? Oder wie glaubt man ohne Verkündiger? [...] Ich will Dich suchen, Gott, indem ich Dich anrufe, und Dich anrufen, indem ich an Dich glaube.
Alkuin (ca. 735-804) oder ein spätantiker Autor begründet die Würde des
Menschen
Die Würde der Stellung des Menschen ist erkennbarerweise so bedeutend,
dass [...] der Mensch nach dem Ratschluss der heiligen Trinität und durch
eine Tat der göttlichen Majestät geschaffen wurde. [...] Die Seele ist
Intellekt, die Seele ist Wille, die Seele ist Erinnerung, doch sind es nicht drei
Seelen in einem Körper, sondern eine Seele, die drei Würden hat. Und in
diesen dreien realisiert unserer innerer Mensch in seiner Natur auf
wunderbare Weise das Bild der Trinität, und aus diesen gleichsam
herausragendsten Würden der Seele sind wir gehalten, den Schöpfer zu
lieben.
Robert von Melun über das Problem der menschlichen Identität
[1] Seele und Fleisch sind nämlich eine Person aus der personalen
Vereinigung und nicht aus der substantiellen Identität heraus, so wie auch
ein Mensch die menschliche Seele und das menschliche Fleisch ist, weil sich
aus ihrer Vereinigung miteinander der Grund ergibt, warum etwas ein
Mensch ist und so genannt werden kann.
[2] Es ist aber ein Mensch, der sagt, er diene dem Gesetz Gottes und im
Fleisch dem Gesetz der Sünde (Röm 7) [...]. Denn der innere und äußere
Mensch ist ein Mensch, weil in der Einheit der Person das zusammenkommt,
was ein Mensch ist, über den Verschiedenes ausgesagt wird wegen der
verschiedenen Substanzen, die in der Identität der Person in diesem
Menschen verbunden sind. [...]
[3] Denn nicht auf falsche Weise wird gesagt, Petrus sei in Rom und im
Himmel, sondern wir bitten ihn, der im Himmel existiert, für uns zu beten,
wenn wir sagen „Heiliger Petrus, bitte für uns“, und wir verehren ihn, der in
Rom liegt, mit der schuldigen Frömmigkeit und sagen, dass der, der im
Himmel verherrlicht ist, kein anderer ist als der, der in Rom begraben ruht.
Siger von Brabant vertritt die averroistische These, dass
alle Menschen nur einen Intellekt haben
Beachte aber am Beginn der Antwort, dass es dann, wenn der Intellekt
durch seine Substanz die Vollendung des Körpers wäre, gar keine Frage
wäre, ob die Intellekte sich entsprechend der Menge der verschiedenen
Menschen vermehren. Vielmehr ist klar, dass es so ist. Wenn Du also sagst,
dass der Intellekt sich wegen der Materien vermehrt, denen er sich anpasst,
dann soll gefragt werden, was die Ursache der Anpassung ist. Anscheinend
kann es keine andere Erklärung geben als anzunehmen, dass der Intellekt
eine Kraft im Körper ist. [...] Und deswegen argumentiert Averroes, [...] dass
der Intellekt einer ist, nicht vermehrt gemäß der Vielzahl der individuellen
Menschen, weil er so eine Kraft im Körper der verschiedenen Menschen
wäre.
Giovanni Pico della Mirandola entwirft, auf Grundlagen aus Spätantike
und Mittelalter, ein Menschenbild aus der Perspektive der Renaissance <br /><br /> Giovanni Pico della Mirandola betont die Würde des Menschen, welche die Engel neidisch macht (VL Freiheit)
[1] Ehrwürdige Väter! In den Schriften der Araber habe ich gelesen, der Sarrazene Abdallah habe auf die Frage, was auf dieser „Bühne der Welt“ am meisten zu bewundern sei, geantwortet, dass nichts bewundernswerter erscheine als der Mensch. Zu dieser Aussage stimmt das Wort des Hermes Trismegistos: ,Ein großes Wunder, o Asklepios, ist der Mensch‘. […] [2] Warum sollen wir nicht die Engel selbst und die seligsten Chöre des Himmels mehr bewundern? Endlich habe ich den Eindruck, verstanden zu haben, warum der Mensch das allerglücklichste, ja jeder Bewunderung würdiges Lebewesen ist, und was schließlich der Zustand sei, den er in der Reihung des Alls erhalten hat, der nicht nur den Tieren, sondern den Sternen, sondern den überweltlichen Verständen Neid erregt.
Giovanni Pico della Mirandola beschreibt den Menschen als Bildhauer
seiner selbst <br /><br /> Giovanni Pico della Mirandola findet diese Würde in der Freiheit
[1] So beschloss der beste Werkmeister, dass der, dem er nichts Eigenes mehr
geben konnte, an allem zugleich teilhätte, was den Einzelnen sonst je für
sich zugeteilt war. [2] Also [...] sprach er zu ihm: ,Keinen festen Ort haben wir
Dir zugewiesen und kein eigenes Aussehen, wir haben Dir keine spezielle
Gabe verliehen, damit Du, o Adam, den Ort, das Aussehen, die Gaben, die
Du Dir wünschst, nach eigenem Ermessen erhalten und besitzen sollst. [3] Die
bestimmte Natur der übrigen Wesen wird von Gesetzen eingegrenzt, die wir
vorgeschrieben haben. Du sollst Deine Natur, von keinen Beschränkungen
eingegrenzt, nach Deiner Entscheidung, in deren Hand ich Dich gegeben
habe, Dir selbst vorschreiben [...], damit Du Dich, gleichsam als
entscheidender und ehrenvoller Bildhauer und Gestalter Deiner selbst, in der
Weise bildest, die Du lieber willst‘.
Bardaiṣān betont, dass die Suche nach Wissen angemessener ist als ein bloßer Glaube
a) Bardaiṣān sagte: "Verständig sprichst Du. Aber wisse, dass der, der recht fragt und überzeugt werden will und sich ohne Streit auf den Weg der Wahrheit begibt, nicht schuldig ist und sich nicht schämen muss, denn er bereitet [...] dem, der gefragt wird, Freude." [...]
b) ʿAvīdā sagte: "[...] Meine Brüder [...] wollten mich nicht überzeugen, sondern sie sagten: 'Glauben musst Du, und Du kannst alles erkennen!' Aber ich kann nicht glauben, wenn ich nicht überzeugt werde." [...]
Bardaiṣān betont, wie in der alten Kirche üblich, die Freiheit der Menschen als Ursache für das Böse
[1] Bardaiṣān sagte: "[...] Worin also unterscheidet sich der Mensch von der Kithara, auf der ein anderer spielt, oder von dem Wagen, den ein anderer fährt? [...] Sie sind Werkzeuge, gemacht zum Gebrauch dessen, der Wissen besitzt.
[2] In seiner Milde wollte Gott den Menschen nicht so machen, sondern er erhob ihn in Freiheit über viele Dinge und stellte ihn mit den Engeln auf eine Stufe. [...] Denn wenn er so gemacht wäre, dass er nichts Böses tun könnte, so dass er hierdurch nicht schuldig würde, so stammte auch das Gute, das er täte, nicht von ihm her, und er wäre hierdurch nicht gerechtfertigt."
Aristoteles definiert den Staat als natürlich und den Mensch als politisches Lebewesen
Endlich ist die aus mehreren Dörfern bestehende vollendete Gemeinschaft bereits ein Staat, der sozusagen das Maß der gesamten Autarkie besitzt, zunächst um des Lebens willen entstanden, dann aber um des guten Leben willens bestehend. Darum besteht der Gesamtstaat von Natur aus. [...] Die Autarkie ist aber das Ziel und das Beste. Daraus ergibt sich, dass der Staat zu den natürlichen Dingen gehört und dass der Mensch von Natur aus ein politisches Lebewesen ist; derjenige, der [...] außerhalb des Staates lebt, ist entweder schlecht oder stärker als ein Mensch.
Augustinus findet Gott vor allem in sich selbst
Und wie soll ich meinen Gott anrufen, meinen Gott und Herrn, wo ich ihn doch in mich selbst hineinrufen werde, wenn ich ihn anrufen werde? Und welcher Ort ist in mir, wohin mein Gott in mich kommen könnte? [...] Ist denn so, Herr mein Gott, etwas in mir, was Dich fassen würde? Aber Himmel und Erde, die Du geschaffen hast und in denen Du mich geschaffen hast – fassen sie Dich? Oder ist es so, dass deswegen, weil ohne Dich nichts von dem wäre, was ist, alles Dich fasst, was ist? Weil daher auch ich bin, was erstrebe ich, dass Du in mich kommst, der ich nicht wäre, wenn Du nicht in mir wärst?
Augustinus berichtet, wie er mithilfe platonischer Schriften einen Weg zum christlichen Glauben findet
[1] Du verschafftest mir durch einen bestimmten Menschen, der vor gewaltigem Stolz geschwollen war, bestimmte Bücher der Platoniker, die aus der griechischen Sprache in die lateinische übersetzt waren.
[2] Und dort las ich, dass, zwar nicht mit diesen Worten, aber ganz genau dasselbe mit vielen und vielfältigen Argumenten überzeugend angeraten wird: "Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort" (Johannes 1, 1) [...], aber "das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt" (Johannes 1, 13) las ich dort nicht. [...]
[3] Und hierdurch ermahnt, zu mir selbst zurückzukehren, trat ich unter Deiner Führung in mein Innerstes ein und konnte dies, weil "Du mein Helfer geworden bist" (Psalm 29, 11).
[4] Ich trat ein und sah mit irgendeinem Auge meiner Seele oberhalb desselben Auges meiner Seele, oberhalb meines Verstandes ein unveränderliches Licht, nicht das gewöhnliche und für jedes Fleisch sichtbare, noch war es gleichsam von derselben Art, nur größer – so als ob dieses viel, viel heller leuchtet und alles durch seine Größe belegte. Nicht dies war es, sondern etwas von allem, allem weit Verschiedenes.
Der christliche Apologet Quintus Septimius Florens Tertullianus (ca. 150-220) fasst die Argumentation seines Gegners Markion zusammen
Oh ihr Hunde [...], die ihr den Gott der Wahrheit anbellt, das sind die Knochen von Argumentationen, die ihr abnagt: "Wenn Gott gut ist, sowie die Zukunft vorherwissend und mächtig genug, das Schlechte abzuwehren, warum hat er es zugelassen, dass der Mensch, und zwar sein eigenes Bild und Gleichnis (Gen. 1, 26) [...], vom Gesetzesgehorsam zum Tode hin abglitt, umschlichen vom Teufel? [...] Aber wenn dies geschah, dann ist es im Gegenteil so aufgelöst, dass man weder an einen guten noch an einen vorherwissenden noch an einen mächtigen Gott glauben darf."
Der Kirchenvater Tertullians sieht die menschliche Freiheit der Entscheidung (libertas arbitrii) als den wichtigsten Grund für die Schöpfung an
Von Natur aus gut ist allein Gott. Denn wer das, was er ist, anfanglos besitzt, hat dies nicht durch ein Einrichten, sondern von Natur aus. [...] Damit also der Mensch sein eigenes Gut besitze, als ein für ihn von Gott freigegebenes, und eine Eigenschaft bzw. in gewissem Sinne eine Natur des Guten entstehe, wurde ihm durch Einrichtung [...] die Freiheit und Macht der Entscheidung zugeschrieben, die bewirkte, dass vom Menschen aus eigenem Antrieb schon ein gleichsam eigentümliches Gut bereitgestellt wurde, weil dies der Gehalt der Güte erforderte, die freiwillig ausgeübt werden musste, nämlich aus der Freiheit der Entscheidung heraus.
Bardaiṣān von Edessa führt seine Freiheitslehre weiter aus
(1) Den Menschen wurde nichts zu tun befohlen, außer dem, was sie zu tun vermögen. Zwei Gebote wurden uns nämlich vorgelegt: Das eine, dass wir uns von allem, was schlecht ist und von dem wir nicht wollen, dass es von uns geschieht, fernhalten; das andere, dass wir tun, was gut ist, dies lieben und gutheißen, dass es von uns so geschieht. [...]
(2) Ich sage nun: Es gibt je eine Macht für Gott und für die Engel und für die Mächte und für die Regenten und für die Elemente und für die Menschen und für die Tiere; und allen diesen Ordnungen, die ich genannt habe, ist nicht in jeder Hinsicht Macht gegeben [...], damit sie in dem, was sie vermögen, die Güte Gottes erkennen, und in dem, was sie nicht vermögen, erkennen, dass es für sie einen Herrn gibt. [...]
(3) Von uns Menschen stellt man fest, dass wir von Natur aus gleich geleitet werden, und vom Schicksal verschieden, und jeder von der Freiheit, wie er nur will.