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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

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Thomas von Aquin: Summa theologiae I (Summa theologiae) I 48, 3 responsio u. ad 3

Thomas von Aquin definiert das Schlechte als einen Mangel am geschuldeten Gut
Nicht jede Entfernung eines Guts wird schlecht genannt. Denn ,Entfernung eines Gutsʻ kann sowohl privativ als auch negativ verstanden werden. Folglich hat die Entfernung eines Guts, wo sie negativ verstanden wird, nicht den Gehalt ,schlechtʻ. Sonst würde folgen, dass das, was auf keine Weise ist, schlecht wäre. [...] Aber die Entfernung eines Guts, wenn sie privativ verstanden wird, wird ,schlechtʻ genannt, so wie die Privation (Wegnahme) des Sehvermögens Blindheit genannt wird. [...]
Das Böse ist aber nicht als in seinem Subjekt in dem Guten, was ihm entgegengesetzt ist, sondern in einem anderen Guten. Das Subjekt der Blindheit ist aber nicht das Sehvermögen, sondern das Lebewesen.

Thomas von Aquin: Summa theologiae I (Summa theologiae) I 49, 2 responsio

Thomas von Aquin erklärt, wie es Schlechtes im Universum geben kann
Das Schlechte, das in einem Fehler des Handelns besteht, wird immer durch einen Fehler des Handelnden verursacht. In Gott aber ist kein Fehler vorhanden, sondern höchste Vollkommenheit. [...] Daher wird das Schlechte [...], was durch einen Fehler des Handelnden verursacht wird, nicht auf Gott als Ursache zurückgeführt. Aber das Schlechte, das im Vergehen irgendwelcher Dinge besteht, wird auf Gott als Ursache zurückgeführt. Und das ist sowohl für das Natürliche als auch für das Freiwillige klar. [...] Die Form, auf die Gott bei den geschaffenen Dingen in erster Linie abzielt, ist das Gut der Ordnung des Universums. Die Ordnung des Universums erfordert es aber [...], dass es einiges gibt, was Fehler aufweisen kann und manchmal Fehler aufweist. Und so verursacht Gott [...] infolge hiervon und gleichsam akzidentell das Vergehen von Dinegen. [...] Und deswegen ist Gott der Urheber des Schlechten, das die Strafe ist, nicht aber des Schlechten, das die Schuld ist.

Thomas von Aquin: Summa theologiae I-II (Summa theologiae) I-II, 19, 5, resp. und ad 1

Thomas von Aquin begründet, warum primär der individuellen Vernunft zu folgen ist
[1] Weil das Objekt des Willens das ist, was von der Vernunft vorgestellt wird, [...], nimmt der Wille, weil ihm etwas von der Vernunft als schlecht vorgestellt wird, den Gehalt des Schlechten an. [...] Zum Beispiel ist es etwas Gutes, sich vom Ehebruch zurückzuhalten; trotzdem wird der Wille zu diesem Gut nicht anders bewegt, als es ihm von der Vernunft vorgestellt wird. Wenn es also von einer irrenden Vernunft als schlecht vorgestellt wird, wird er hierzu unter dem Gehalt des Schlechten bewegt. [...] Daher muss man sagen, dass schlechthin jeder Wille, der von der Vernunft abweicht, egal ob sie richtig oder irrig ist, immer schlecht ist. [...]
[2] Wenn irgendein Mensch erkennen würde, dass die menschliche Vernunft etwas gegen ein Gebot Gottes vorschriebe, dann wäre er nicht verpflichtet, der Vernunft zu folgen. Aber in diesem Fall wäre die Vernunft nicht vollständig irrig.

Heinrich von Gent : Quodlibet I, p. 96. 100. 108

Der voluntaristische Denker Heinrich von Gent (ca. 1240-1293) betont, dass Freiheit im Willen und nicht in der Vernunft liegt
Wir [...] können nicht sagen, dass [...] in irgendjemandem ein Urteil der Vernunft einen schlechten Willen hervorgebracht hat. Es hätte dies nämlich aufgrund derselben Vernunft in jemand anderem hervorgebracht, weil wir annehmen, dass sie im Geiste auf gleiche Weise strukturiert gewesen sind. [...] Der Wille wendet sich allein durch sich selbst einerseits zum Guten, aufgrund seiner natürlichen Freiheit, durch die er ein gutes Geschöpf Gottes ist [...]; er wendet sich auch schlechthin durch selbst zum Schlechten, aufgrund der natürlichen Fehlbarkeit, durch die er aus dem Nichts stammt, durch welche er einen Fehler im Hinblick auf das Nichts der Schuld machen kann [...], welches schlecht und eine Sünde ist. Und aus einem solchen fehlbaren Prinzip heraus kann er, wenn etwas Schlechtes und etwas Gutes vorgeschlagen werden, das Schlechte bevorzugen – jedoch unter dem Gehalt irgendeines scheinbaren Gutes (denn er kann überhaupt nichts wählen [...] außer unter dem Gehalt irgendeines Gutes) –, und, wenn ein größeres und ein kleineres Gut vorgeschlagen werden, dass kleinere Gut bevorzugen und irgendeines von zwei gleichen vorgeschlagenen Gütern vorziehen.

Heinrich von Gent : Quodlibet IX, p. 196

Heinrich von Gent über den Einfluss der Vernunft auf den Willen und seine Grenzen
Wie sehr auch immer durch eine [...] beweisende Schlussfolgerung der Wille bestimmt wird – er kann dies frei zurückweisen, obwohl es ihm eine Last auferlegt, durch die er dazu geneigt wird, dies zu tun, wodurch das Gewissen beginnt, den Willen zu informieren, dass er dies tun muss, was er trotzdem, trotz des Gewissens, nicht machen kann. [...] Weil nämlich jene Last ihm von der Vernunft auferlegt wurde, weil ein Vorgang des Nachdenkens bestimmte, es sei als gut zu wollen, kann der Wille mit einem eigenen Befehl die Vernunft oder den Intellekt dazu antreiben, einen ebenso wirksamen Grund für das Gegenteil zu finden.

Wilhelm von Ockham: Verschiedene Probleme (Quodlibet ) VI q. 1; p. 68

Wilhelm von Ockham unterscheidet zwischen der geordneten und der absoluten Macht Gottes
Gott kann jedes für sich Bestehende, das von einem anderen unterschieden ist, von ihm abtrennen und ohne dieses im Sein erhalten. [...] Gott kann gewisse Dinge nach seiner geordneten Macht tun und einige nach seiner absoluten Macht. [...] ,Etwas könnenʻ wird manchmal im Blick auf die von Gott geordneten und erlassenen Gesetze verstanden. Dann wird gesagt, Gott könne das gemäß der geordneten Macht tun. Anders wird ,könnenʻ verstanden als all das machen können, was keinen Widerspruch in sich trägt – unabhängig davon, ob Gott angeordnet hat, dass er dies tun werde oder nicht. Denn Gott kann [...] vieles machen, was er nicht machen will. Hiervon heißt es, das mache Gott gemäß der absoluten Macht.

Duns Scotus, Johannes: Ordinatio (Ordinatio) III d. 37 q. un. nr. 18. 20. 25

Johannes Duns Scotus schränkt die Reichweite naturgesetzlicher Vorschriften ein
Von einigem kann man sagen, es gehört zum Naturgesetz [...] gleichsam als erste praktische Prinzipien, die aus ihren Begriffen selbst bekannt sind, oder notwendig folgende Konklusionen. [...] Es folgt notwendig: Wenn es Gott gibt, ist er als Gott zu lieben, und dass nichts anderes gleich wie ein Gott zu verehren ist und dass Gott Ehrfurcht zu erweisen ist. Und folglich kann Gott in diesen Bereichen nicht dispensieren, so dass jemand erlaubterweise das Gegenteil des so Verbotenen tun darf. [...] Auf andere Weise wird von einigem gesagt, es gehöre zum Naturgesetz, weil es sehr gut zu diesem Gesetz stimmt, obwohl es nicht notwendig aus den praktischen Prinzipien folgt

Wilhelm von Ockham: Fragen zum 2. Buch der Sentenzen (In II Sententiarum ) q. XV / 5 p. 352f.

Wilhelm von Ockham argumentiert für die Autonomie Gottes von moralischen Vorschriften
Obwohl Hass, Diebstahl, Ehebruch und Ähnliches nach dem allgemeinen Gesetz mit einem schlechten Umstand verbunden sind, insofern sie von jemandem ausgeführt werden, der durch göttliches Gebot zum Gegenteil verpflichtet ist, können sie trotzdem [...] von Gott ohne Verbindung mit irgendeinem schlechten Umstand ausgeführt werden. Und sie können auch vom Pilger [d.h. vom Menschen] verdienstvoll ausgeführt werden, wenn sie unter ein göttliches Gebot fielen. [...] Der geschaffene Wille wird durch ein Gebot Gottes zur Gottesliebe verpflichtet, und daher kann er, solange dieses Gebot gilt, Gott nicht auf gute Weise hassen oder einen Akt des Hasses verursachen. [...] Aber wie Gott einen Akt der Liebe schlechthin ohne moralische Güte oder Schlechtigkeit verursachen kann, weil moralische Güte oder Schlechtigkeit meinen, dass der Handelnde zu diesem Akt oder seinem Gegenteil verpflichtet ist, so kann er einen Akt des Gotteshasses schlechthin ohne jegliche Schlechtigkeit verursachen

Gregor von Rimini : Kommentar zum 2. Buch der Sentenzen des Petrus Lombardus d. 34-37, Art. 2

Der Ockham-Gegner Gregor von Rimini (ca. 1300-1358) betont, dass moralische Regeln selbst gelten würden, wenn es Gott nicht gäbe
Wenn gefragt werden sollte, warum ich eher uneingeschränkt von ,gegen die rechte Vernunft‘ spreche, als eingeschränkt von ,gegen die göttliche Vernunft‘, so antworte ich: Damit nicht der Eindruck entsteht, dass die Sünde schlechterdings gegen die göttliche Vernunft und in Bezug auf dasselbe nicht gegen jede rechte Vernunft verstoße [...]; denn wenn – gesetzt den unmöglichen Fall – es die göttliche Vernunft oder Gott selbst nicht gäbe oder jene Vernunft irren würde, würde immer noch sündigen, wer gegen die engelhafte oder menschliche oder eine andere rechte Vernunft (wenn es sie gäbe) handelt. Und wenn es ganz und gar keine rechte Vernunft gäbe, würde immer noch sündigen, wer gegen das handelt, was irgendeine rechte Vernunft – wenn es sie gäbe – als zu tun diktierte.

Gregor von Rimini : Kommentar zum 2. Buch der Sentenzen des Petrus Lombardus d. 34-37, Art. 2

Mithilfe einer Unterscheidung erklärt Gregor von Rimini, wieso es stets eine Sünde ist, Gott zu hassen
[1] ,Verbot‘ kann auf zwei Weisen verstanden werden, und ebenso ,Gebot‘ und ,Gesetz‘ [...], so dass nämlich einerseits vom indikativischen und andererseits vom imperativischen [Gebot bzw. Gesetz] gesprochen wird.
[2] Indikativisch ist dasjenige, durch das lediglich angezeigt wird, dass etwas nicht zu tun ist, oder etwas anderes, woraus folgt, dass es nicht zu tun ist, wie wenn angezeigt wird, etwas sei ungerecht oder schlecht. [...] Ich nenne es aber indikativisch, weil es im Wortlaut durch ein Verb im Indikativ ausgedrückt wird. [...] Hieraus ist klar, dass jede Erkenntnis, die ein Mensch über das hat, was zu tun oder zu vermeiden ist, irgendwie Gebot oder Verbot genannt wird und folglich eine indikativische oder ausgesprochene Erkenntnis.
[3] Imperativisch nenne ich aber dasjenige, wodurch jemandem befohlen wird, etwas zu tun oder nicht zu tun, und dies wird durch ein Verb im Imperativ ausgedrückt. [...]
[4] Wenn man auf die erste Weise von einem Verbot spricht [...], sage ich [...], dass es unmöglich ist, dass irgendwelche Sünden nicht von Gott verboten sind. [...] Wenn aber von einem Verbot im zweiten Sinn gesprochen wird [...], ist und war es möglich für Gott, niemandem irgendeinen derartigen Befehl zu geben [...]; jedoch würde jemand, wenn denn auch nichts so verboten wäre oder gewesen wäre, immer noch gewiss sündigen [...], wenn er Gott hassen würde.

Marsilius von Padua : Der Verteidiger des Friedens (Defensor pacis ) I 12, p. 66f.

Marsilius von Padua (ca. 1275/90 - 1342/3) macht die Gesamtheit der freien Bürger zu Gesetzgebern
[1] Nur bei dem liegt die Autorität der Gesetzgebung, durch den die erlassenen Gesetze besser oder überhaupt eingehalten werden. Dieser aber ist nur die Gesamtheit der Bürger; ihr kommt also die Autorität der Gesetzgebung zu.
[2] Der erste Satz dieses Beweises kommt den aus sich selbst klaren sehr nahe; denn das Gesetz wäre untätig, wenn es nicht eingehalten würde. [...] Den zweiten Satz beweise ich: Denn das Gesetz wird von jedem der Bürger am besten eingehalten, von welchem jeder meint, er habe es sich selbst auferlegt; so ist ein Gesetz, das durch Anhörung und Gebot der gesamten Menge der Bürger erlassen wurde. Der erste Satz dieses Vorsyllogismus erscheint gleichsam von selbst; denn weil ,die Bürgerschaft eine Gemeinschaft von Freien‘ ist, wie in [Aristoteles,] Politik III 4 geschrieben steht, muss jeder Bürger frei sein und darf die Despotie, d.h. die Sklavenherrschaft eines anderen nicht ertragen.

Wilhelm von Ockham: Dialog (Dialogus) III 1, 2, c. 6

Wilhelm von Ockham (ca. 1285-1347) erläutert Aristoteles‘ Konzept der Monarchie
[1] ,Eine königliche Alleinherrschaft‘ ist nach Aristoteles, Nikomachische Ethik VIII, die beste [Verfassung] gemäß der Art und Weise von ihm [dem Herrscher] selbst [...] [d.h.], wenn jemand in einem Königreich nicht gemäß einem Gesetz, sondern gemäß seinem Willen regiert und herrscht [...], der wegen des Gemeinwohls aller herrscht und von keinen menschlichen, rein positiven Gesetzen oder Gewohnheiten gebunden ist, sondern über derartigen Gesetzen steht, wenn er auch an die natürlichen Gesetze gebunden ist. [...] Er unterscheidet sich aber von einer despotischen Herrschaft, weil die despotische Herrschaft primär auf das eigene Wohl des Herrschenden gerichtet ist.
[2] Aber jemand, der in einer vorher beschriebenen königlichen Herschaft herrscht, kann die Untertanen und ihre Güter nicht gebrauchen, wie es ihm nur beliebt. [...] Und daher sind sie keine Knechte von ihm, sondern erfreuen sich der natürlichen Freiheit, denn zur natürlichen Freiheit gehört es, dass man keine Freien für den Nutzen des Benutzers gebrauchen kann. Aber es widerspricht der natürlichen Freiheit nicht, dass jemand die Freien vernunftgestützt für das Gemeinwohl gebraucht, denn jeder ist verpflichtet, das Gemeinwohl dem privaten vorzuziehen.

Wilhelm von Ockham: Dialog (Dialogus) 1, 1, c. 5

Wilhelm von Ockham plädiert für die Einschränkung der Macht des Papstes
[1] Das christliche [...] Gesetz ist von der Einsetzung durch Christus her ein Gesetz der Freiheit im Vergleich zum alten Gesetz, welches im Vergleich zum neuen Gesetz ein Gesetz der Knechtschaft war. Aber wenn der Papst von Christus her eine solche Fülle von Macht hätte, dass er alles dürfte, was weder gegen das göttliche Gesetz noch gegen das Naturgesetz ist, wäre das christliche Gesetz von der Einsetzung durch Christus her ein Gesetz von unerträglicher Knechtschaft und von viel größerer Knechtschaft als das alte Gesetz. Also hat der Papst nicht von Christus her eine solche Fülle der Macht sowohl im Geistlichen als auch im Zeitlichen [...].
[2] Denn wenn das der Fall wäre, wären alle Christen Knechte, und keiner wäre von freier Beschaffenheit [...], in der Weise, dass der Papst die Könige und alle anderen Christen ihrer Königreiche und aller Dinge berauben könnte, die Könige und Fürsten allen anderen unterwerfen und sie zu deren Knechten machen. Denn dies und Ähnliches ist weder gegen das göttliche Gesetz noch gegen das Naturgesetz. [...] Hieraus folgt, dass die genannte Meinung über die Fülle der Macht des höchsten Priesters nicht nur als falsch, sondern auch als häretisch eingeschätzt werden muss.

Cajetan, Thomas de Vio: Kommentar zur Summe der Theologie (Commentarium in Summam theologiae ) I-II, 96, 4 und 5, § 5

Kardinal Thomas de Vio Kajetan (1469-1534) zeigt, inwiefern das Gewissen des Herrschers an seine eigenen Gesetze gebunden ist
[1] Das positive Gesetz [...] macht indifferente Handlungen zu tugendhaften oder lasterhaften [...]; wenn es die Bezahlung von Zoll (gabella) verlangt, unterstellt es diese Handlung der Gerechtigkeit; wenn es einen Gottesdienst vorschreibt, unterstellt es ihn der Frömmigkeit; [...] und daher wird jemand, so wie er im Forum des Gewissens zu tugendhaften Handlungen angehalten ist [...] und sich nicht durch Furcht entschuldigen kann, usw., ebenso auch nicht von der Ungerechtigkeit, dem Sakrileg usw. entschuldigt, die er, wenn es von einem Gesetz so festgelegt wurde, verachtet, begeht usw. [...]
[2] Weil der Herrscher dem Gesetz nicht anders als im Hinblick auf Gott unterliegt – das ist dasselbe wie zu sagen, er unterliege dem Gesetz im Forum des Gewissens –, hat das Gesetz aus demselben Grunde die Kraft, den Herrscher zu verpflichten, aus dem es die Kraft hat, im Forum des Gewissens zu verpflichten. Wie aber in Artikel 4 gesagt wurde, hat das Gesetz verpflichtende Kraft im Forum des Gewissens vom ewigen Gesetz, aus dem es abgeleitet wird.

Cajetan, Thomas de Vio: Kommentar zur Summe der Theologie (Commentarium in Summam theologiae ) I-II, 96, 5, § 7

Kajetan bindet jedes menschliche Gesetz an das göttliche Gesetz zurück
Genau daraus nämlich, dass der Herrscher willentlich das Gesetz verkündet, will er, dass die Anordnung Gesetzeskraft hat. Und weil ,eine Anordnung erhält Gesetzeskraft‘ soviel heißt wie ,vom ewigen Gesetz geht eine Leitungskraft im Forum des Gewissens aus‘, dem auch der Herrscher untergeben ist, daher hat das menschliche Gesetz aus dem eigenen Willen des Herrschers und aus dem ewigen Gesetz verpflichtende Kraft für den Herrscher im Forum des Gewissens – wenn auch auf verschiedene Weise: vom ewigen Gesetz her als von der ewigen Ursache, von der die verpflichtende Kraft von derartigem stammt; vom Willen des Herrschers aber wie von etwas, das die universale Ursache zu einer speziellen Wirkung näher bestimmt.

Hölderlin, Friedrich : Lebenslauf Zweite Fassung

Friedrich Hölderlin umschreibt die Zentralität von Freiheit in den Wechselfällen des Lebens
Lebenslauf
Größeres wolltest auch du, aber die Liebe zwingt
All uns nieder, das Leid beugt gewaltiger,
Doch es kehret umsonst nicht
Unser Bogen, woher er kommt.

Aufwärts oder hinab! herrschet in heiliger Nacht,
Wo die stumme Natur werdende Tage sinnt,
Herrscht im schiefesten Orkus
Nicht ein Grades, ein Recht noch auch?

Dies erfuhr ich. Denn nie, sterblichen Meistern gleich,
Habt ihr Himmlischen, ihr Alleserhaltenden,
Daß ich wüßte, mit Vorsicht
Mich des ebenen Pfads geführt.

Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,
Daß er, kräftig genährt, danken für alles lern,
Und verstehe die Freiheit,
Aufzubrechen, wohin er will

Auctores varii: Brief der Magister aus Toulouse an die allgemeinen Studienorte, die an (Epistola transmissa a magistris Tholosanis ad univ) in: Johannis de Garlandia De triumphis ecclesiae, p. 96f.

Ein Werbeschreiben für die Universität Toulouse (2. Viertel d. 13. Jahrhunderts)
[1] Allen an Christus Gläubigen und vor allem den Magistern und Studenten, die sich überall auf der Welt bemühen [...] wünscht die Gesamtheit (universitas) der Magister und Studenten, die das Studium in Toulouse neu verwurzeln, ein Fortdauern des guten Lebens mit einem guten Ausgang. [...]. Viele Studenten kommen in Toulouse zusammen, da sie sehen, dass die Blumen in unserem Land schon erschienen sind. [...]
[2] Und daher soll unseren neuen Achill, der für die Philosophie streitet, keine Deidamia aufhalten, ein zweites Troja zu betreten, über das Status aus Toulouse aufs Neue das Folgende sagen könnte: Alle Ehre ist hier, hier streiten gewaltige Namen; [...] Und verhasst ist bei Gott, wen nur diese heutige Ehre Untätig verlässt. Jeder Redliche soll daher den mutigen Achill anziehen, damit nicht der kleingeistige Thersites den Lorbeer in Beschlag nimmt, der dem großherzigen Aias versprochen war. [...]
[3] Denn hier lehren Theologen [...] die Schüler, erziehen Logiker in den Künsten die Zöglinge des Aristoteles erziehen, verwandeln Grammatiker die Sprache der Stotternden in geregeltes Maß, erweichen Organisten die Ohren des Volkes durch eine Ogel von honigartiger Kehle; Juristen erheben den Justinian, und an ihrer Seite verkünden Mediziner den Galen.
[4] Die naturwissenschaftlichen Bücher, die in Paris verboten waren, werden hier diejenigen erklärt bekommen können, die den Busen der Natur besser erkunden wollen. Was also fehlt Euch? Studentische Freiheit? Keineswegs! Denn niemandes Zügeln unterworfen, werdet ihr Euch am eigenen Willen erfreuen.

Lambert von Hersfeld : Chronik (Lamperti annales ad annum 1073) 1073, S. 152

Die sächsischen Stände formulieren im Jahre 1073 Forderungen an den deutschen König Heinrich IV.
Sie fordern [...], dass er ihnen, die Gerechtes fordern, dies bereitwillig gewähre. [...] Wenn er dies tue, würden sie ihm, wie bisher, mit dem allerwilligsten Geist dienen, jedoch auf die Weise, auf welche einen Rechtstitel habende und in einem freien Reich geborene Menschen einem König dienen müssten; [...] wenn er gerecht, wenn er gesetzmäßig, wenn er nach der Sitte der Vorfahren die Dinge anleitete; wenn er zuließe, dass auch ihr Stand, ihre Würde, ihre Gesetze sicher und unverletzt bestehen blieben. [...] Wenn er dies [...] einmal verletzt hätte, dann würden sie schließlich, gleich wie gegen einen barbarischen Feind und einen Unterdrücker des christlichen Namens, einen gerechten Krieg führen und, solange der letzte Funken Lebenswärme übrig sei, für die Kirche Gottes, für den christlichen Glauben, und auch für ihre eigene Freiheit kämpfen.

Johann Ohneland (König von England): Große Urkunde der Freiheiten (Magna carta libertatum) § 1

Der englische König Johann ohne Land sichert schriftlich zu, die angestammten Freiheiten seiner Untertanen zu wahren (1215)
Johannes, von Gottes Gnaden König von England [...] [sagt, wir] habe[n] mit unserem vorliegenden Brief bestätigt [...], dass die englische Kirche frei sei, ihre Rechte unversehrt und ihre Freiheiten unverletzt besitze [...]. Das zeigt sich darin, dass wir die Freiheit der Wahlen, die für die englische Kirche sehr groß und allzu notwendig erachtet wird, mit reinem und bereitem Willen [...] beachten werden und wollen mit voller Überzeugung, dass sie von unseren Erben in Ewigkeit beachtet wird. Wir haben auch allen freien Menschen unseres Königreichs, für uns und unsere Erben in Ewigkeit, alle untenstehenden Freiheiten zum Besitzen und Behalten zugestanden, für sie und ihre Erben.

Urban II. (Papst) : Dekret des Gratian (Decretum Gratiani ) II 19 q. 2

Papst Urban II. (1035-1099) über Freiheit als Grundbedingung des mittelalterlichen Menschen
Zwei Gesetze [...] gibt es, ein öffentliches und ein privates; öffentlich ist das Gesetz, das von den heiligen Vätern geschrieben und festgesetzt wurd, z.B. das kanonische [d.h. das kirchliche] Recht. [...] Das private Gesetz aber, das eingesetzt wurde vom heiligen Geist, ist im Herzen geschrieben. [...] Jeder also, der von diesem Geist geführt wird, selbst wenn sein Bischof ihm widerspricht, soll mit unserer Autorität frei gehen. Für den Gerechten wurde nämlich kein Gesetz erlassen, und ,wo der Geist des Herrn ist, da ist die Freiheit‘ (2 Korinther 3, 17), und wenn ihr vom Geist Gottes geführt werdet, steht ihr nicht mehr unter einem Gesetz.