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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Zitatfinder

Duns Scotus, Johannes: Ordinatio (Ordinatio) III d. 37 q. un. nr. 18. 20. 25

Johannes Duns Scotus schränkt die Reichweite naturgesetzlicher Vorschriften ein
Von einigem kann man sagen, es gehört zum Naturgesetz [...] gleichsam als erste praktische Prinzipien, die aus ihren Begriffen selbst bekannt sind, oder notwendig folgende Konklusionen. [...] Es folgt notwendig: Wenn es Gott gibt, ist er als Gott zu lieben, und dass nichts anderes gleich wie ein Gott zu verehren ist und dass Gott Ehrfurcht zu erweisen ist. Und folglich kann Gott in diesen Bereichen nicht dispensieren, so dass jemand erlaubterweise das Gegenteil des so Verbotenen tun darf. [...] Auf andere Weise wird von einigem gesagt, es gehöre zum Naturgesetz, weil es sehr gut zu diesem Gesetz stimmt, obwohl es nicht notwendig aus den praktischen Prinzipien folgt

Wilhelm von Ockham: Fragen zum 2. Buch der Sentenzen (In II Sententiarum ) q. XV / 5 p. 352f.

Wilhelm von Ockham argumentiert für die Autonomie Gottes von moralischen Vorschriften
Obwohl Hass, Diebstahl, Ehebruch und Ähnliches nach dem allgemeinen Gesetz mit einem schlechten Umstand verbunden sind, insofern sie von jemandem ausgeführt werden, der durch göttliches Gebot zum Gegenteil verpflichtet ist, können sie trotzdem [...] von Gott ohne Verbindung mit irgendeinem schlechten Umstand ausgeführt werden. Und sie können auch vom Pilger [d.h. vom Menschen] verdienstvoll ausgeführt werden, wenn sie unter ein göttliches Gebot fielen. [...] Der geschaffene Wille wird durch ein Gebot Gottes zur Gottesliebe verpflichtet, und daher kann er, solange dieses Gebot gilt, Gott nicht auf gute Weise hassen oder einen Akt des Hasses verursachen. [...] Aber wie Gott einen Akt der Liebe schlechthin ohne moralische Güte oder Schlechtigkeit verursachen kann, weil moralische Güte oder Schlechtigkeit meinen, dass der Handelnde zu diesem Akt oder seinem Gegenteil verpflichtet ist, so kann er einen Akt des Gotteshasses schlechthin ohne jegliche Schlechtigkeit verursachen

Gregor von Rimini : Kommentar zum 2. Buch der Sentenzen des Petrus Lombardus d. 34-37, Art. 2

Der Ockham-Gegner Gregor von Rimini (ca. 1300-1358) betont, dass moralische Regeln selbst gelten würden, wenn es Gott nicht gäbe
Wenn gefragt werden sollte, warum ich eher uneingeschränkt von ,gegen die rechte Vernunft‘ spreche, als eingeschränkt von ,gegen die göttliche Vernunft‘, so antworte ich: Damit nicht der Eindruck entsteht, dass die Sünde schlechterdings gegen die göttliche Vernunft und in Bezug auf dasselbe nicht gegen jede rechte Vernunft verstoße [...]; denn wenn – gesetzt den unmöglichen Fall – es die göttliche Vernunft oder Gott selbst nicht gäbe oder jene Vernunft irren würde, würde immer noch sündigen, wer gegen die engelhafte oder menschliche oder eine andere rechte Vernunft (wenn es sie gäbe) handelt. Und wenn es ganz und gar keine rechte Vernunft gäbe, würde immer noch sündigen, wer gegen das handelt, was irgendeine rechte Vernunft – wenn es sie gäbe – als zu tun diktierte.

Gregor von Rimini : Kommentar zum 2. Buch der Sentenzen des Petrus Lombardus d. 34-37, Art. 2

Mithilfe einer Unterscheidung erklärt Gregor von Rimini, wieso es stets eine Sünde ist, Gott zu hassen
[1] ,Verbot‘ kann auf zwei Weisen verstanden werden, und ebenso ,Gebot‘ und ,Gesetz‘ [...], so dass nämlich einerseits vom indikativischen und andererseits vom imperativischen [Gebot bzw. Gesetz] gesprochen wird.
[2] Indikativisch ist dasjenige, durch das lediglich angezeigt wird, dass etwas nicht zu tun ist, oder etwas anderes, woraus folgt, dass es nicht zu tun ist, wie wenn angezeigt wird, etwas sei ungerecht oder schlecht. [...] Ich nenne es aber indikativisch, weil es im Wortlaut durch ein Verb im Indikativ ausgedrückt wird. [...] Hieraus ist klar, dass jede Erkenntnis, die ein Mensch über das hat, was zu tun oder zu vermeiden ist, irgendwie Gebot oder Verbot genannt wird und folglich eine indikativische oder ausgesprochene Erkenntnis.
[3] Imperativisch nenne ich aber dasjenige, wodurch jemandem befohlen wird, etwas zu tun oder nicht zu tun, und dies wird durch ein Verb im Imperativ ausgedrückt. [...]
[4] Wenn man auf die erste Weise von einem Verbot spricht [...], sage ich [...], dass es unmöglich ist, dass irgendwelche Sünden nicht von Gott verboten sind. [...] Wenn aber von einem Verbot im zweiten Sinn gesprochen wird [...], ist und war es möglich für Gott, niemandem irgendeinen derartigen Befehl zu geben [...]; jedoch würde jemand, wenn denn auch nichts so verboten wäre oder gewesen wäre, immer noch gewiss sündigen [...], wenn er Gott hassen würde.

Marsilius von Padua : Der Verteidiger des Friedens (Defensor pacis ) I 12, p. 66f.

Marsilius von Padua (ca. 1275/90 - 1342/3) macht die Gesamtheit der freien Bürger zu Gesetzgebern
[1] Nur bei dem liegt die Autorität der Gesetzgebung, durch den die erlassenen Gesetze besser oder überhaupt eingehalten werden. Dieser aber ist nur die Gesamtheit der Bürger; ihr kommt also die Autorität der Gesetzgebung zu.
[2] Der erste Satz dieses Beweises kommt den aus sich selbst klaren sehr nahe; denn das Gesetz wäre untätig, wenn es nicht eingehalten würde. [...] Den zweiten Satz beweise ich: Denn das Gesetz wird von jedem der Bürger am besten eingehalten, von welchem jeder meint, er habe es sich selbst auferlegt; so ist ein Gesetz, das durch Anhörung und Gebot der gesamten Menge der Bürger erlassen wurde. Der erste Satz dieses Vorsyllogismus erscheint gleichsam von selbst; denn weil ,die Bürgerschaft eine Gemeinschaft von Freien‘ ist, wie in [Aristoteles,] Politik III 4 geschrieben steht, muss jeder Bürger frei sein und darf die Despotie, d.h. die Sklavenherrschaft eines anderen nicht ertragen.

Wilhelm von Ockham: Dialog (Dialogus) III 1, 2, c. 6

Wilhelm von Ockham (ca. 1285-1347) erläutert Aristoteles‘ Konzept der Monarchie
[1] ,Eine königliche Alleinherrschaft‘ ist nach Aristoteles, Nikomachische Ethik VIII, die beste [Verfassung] gemäß der Art und Weise von ihm [dem Herrscher] selbst [...] [d.h.], wenn jemand in einem Königreich nicht gemäß einem Gesetz, sondern gemäß seinem Willen regiert und herrscht [...], der wegen des Gemeinwohls aller herrscht und von keinen menschlichen, rein positiven Gesetzen oder Gewohnheiten gebunden ist, sondern über derartigen Gesetzen steht, wenn er auch an die natürlichen Gesetze gebunden ist. [...] Er unterscheidet sich aber von einer despotischen Herrschaft, weil die despotische Herrschaft primär auf das eigene Wohl des Herrschenden gerichtet ist.
[2] Aber jemand, der in einer vorher beschriebenen königlichen Herschaft herrscht, kann die Untertanen und ihre Güter nicht gebrauchen, wie es ihm nur beliebt. [...] Und daher sind sie keine Knechte von ihm, sondern erfreuen sich der natürlichen Freiheit, denn zur natürlichen Freiheit gehört es, dass man keine Freien für den Nutzen des Benutzers gebrauchen kann. Aber es widerspricht der natürlichen Freiheit nicht, dass jemand die Freien vernunftgestützt für das Gemeinwohl gebraucht, denn jeder ist verpflichtet, das Gemeinwohl dem privaten vorzuziehen.

Wilhelm von Ockham: Dialog (Dialogus) 1, 1, c. 5

Wilhelm von Ockham plädiert für die Einschränkung der Macht des Papstes
[1] Das christliche [...] Gesetz ist von der Einsetzung durch Christus her ein Gesetz der Freiheit im Vergleich zum alten Gesetz, welches im Vergleich zum neuen Gesetz ein Gesetz der Knechtschaft war. Aber wenn der Papst von Christus her eine solche Fülle von Macht hätte, dass er alles dürfte, was weder gegen das göttliche Gesetz noch gegen das Naturgesetz ist, wäre das christliche Gesetz von der Einsetzung durch Christus her ein Gesetz von unerträglicher Knechtschaft und von viel größerer Knechtschaft als das alte Gesetz. Also hat der Papst nicht von Christus her eine solche Fülle der Macht sowohl im Geistlichen als auch im Zeitlichen [...].
[2] Denn wenn das der Fall wäre, wären alle Christen Knechte, und keiner wäre von freier Beschaffenheit [...], in der Weise, dass der Papst die Könige und alle anderen Christen ihrer Königreiche und aller Dinge berauben könnte, die Könige und Fürsten allen anderen unterwerfen und sie zu deren Knechten machen. Denn dies und Ähnliches ist weder gegen das göttliche Gesetz noch gegen das Naturgesetz. [...] Hieraus folgt, dass die genannte Meinung über die Fülle der Macht des höchsten Priesters nicht nur als falsch, sondern auch als häretisch eingeschätzt werden muss.

Cajetan, Thomas de Vio: Kommentar zur Summe der Theologie (Commentarium in Summam theologiae ) I-II, 96, 4 und 5, § 5

Kardinal Thomas de Vio Kajetan (1469-1534) zeigt, inwiefern das Gewissen des Herrschers an seine eigenen Gesetze gebunden ist
[1] Das positive Gesetz [...] macht indifferente Handlungen zu tugendhaften oder lasterhaften [...]; wenn es die Bezahlung von Zoll (gabella) verlangt, unterstellt es diese Handlung der Gerechtigkeit; wenn es einen Gottesdienst vorschreibt, unterstellt es ihn der Frömmigkeit; [...] und daher wird jemand, so wie er im Forum des Gewissens zu tugendhaften Handlungen angehalten ist [...] und sich nicht durch Furcht entschuldigen kann, usw., ebenso auch nicht von der Ungerechtigkeit, dem Sakrileg usw. entschuldigt, die er, wenn es von einem Gesetz so festgelegt wurde, verachtet, begeht usw. [...]
[2] Weil der Herrscher dem Gesetz nicht anders als im Hinblick auf Gott unterliegt – das ist dasselbe wie zu sagen, er unterliege dem Gesetz im Forum des Gewissens –, hat das Gesetz aus demselben Grunde die Kraft, den Herrscher zu verpflichten, aus dem es die Kraft hat, im Forum des Gewissens zu verpflichten. Wie aber in Artikel 4 gesagt wurde, hat das Gesetz verpflichtende Kraft im Forum des Gewissens vom ewigen Gesetz, aus dem es abgeleitet wird.

Cajetan, Thomas de Vio: Kommentar zur Summe der Theologie (Commentarium in Summam theologiae ) I-II, 96, 5, § 7

Kajetan bindet jedes menschliche Gesetz an das göttliche Gesetz zurück
Genau daraus nämlich, dass der Herrscher willentlich das Gesetz verkündet, will er, dass die Anordnung Gesetzeskraft hat. Und weil ,eine Anordnung erhält Gesetzeskraft‘ soviel heißt wie ,vom ewigen Gesetz geht eine Leitungskraft im Forum des Gewissens aus‘, dem auch der Herrscher untergeben ist, daher hat das menschliche Gesetz aus dem eigenen Willen des Herrschers und aus dem ewigen Gesetz verpflichtende Kraft für den Herrscher im Forum des Gewissens – wenn auch auf verschiedene Weise: vom ewigen Gesetz her als von der ewigen Ursache, von der die verpflichtende Kraft von derartigem stammt; vom Willen des Herrschers aber wie von etwas, das die universale Ursache zu einer speziellen Wirkung näher bestimmt.

Hölderlin, Friedrich : Lebenslauf Zweite Fassung

Friedrich Hölderlin umschreibt die Zentralität von Freiheit in den Wechselfällen des Lebens
Größeres wolltest auch du, aber die Liebe zwingt
All uns nieder, das Leid beugt gewaltiger,
Doch es kehret umsonst nicht
Unser Bogen, woher er kommt.

Aufwärts oder hinab! herrschet in heiliger Nacht,
Wo die stumme Natur werdende Tage sinnt,
Herrscht im schiefesten Orkus
Nicht ein Grades, ein Recht noch auch?

Dies erfuhr ich. Denn nie, sterblichen Meistern gleich,
Habt ihr Himmlischen, ihr Alleserhaltenden,
Daß ich wüßte, mit Vorsicht
Mich des ebenen Pfads geführt.

Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,
Daß er, kräftig genährt, danken für alles lern,
Und verstehe die Freiheit,
Aufzubrechen, wohin er will.

Auctores varii: Brief der Magister aus Toulouse an die allgemeinen Studienorte, die an (Epistola transmissa a magistris Tholosanis ad univ) in: Johannis de Garlandia De triumphis ecclesiae, p. 96f.

Ein Werbeschreiben für die Universität Toulouse (2. Viertel d. 13. Jahrhunderts)
[1] Allen an Christus Gläubigen und vor allem den Magistern und Studenten, die sich überall auf der Welt bemühen [...] wünscht die Gesamtheit (universitas) der Magister und Studenten, die das Studium in Toulouse neu verwurzeln, ein Fortdauern des guten Lebens mit einem guten Ausgang. [...]. Viele Studenten kommen in Toulouse zusammen, da sie sehen, dass die Blumen in unserem Land schon erschienen sind. [...]
[2] Und daher soll unseren neuen Achill, der für die Philosophie streitet, keine Deidamia aufhalten, ein zweites Troja zu betreten, über das Status aus Toulouse aufs Neue das Folgende sagen könnte: Alle Ehre ist hier, hier streiten gewaltige Namen; [...] Und verhasst ist bei Gott, wen nur diese heutige Ehre Untätig verlässt. Jeder Redliche soll daher den mutigen Achill anziehen, damit nicht der kleingeistige Thersites den Lorbeer in Beschlag nimmt, der dem großherzigen Aias versprochen war. [...]
[3] Denn hier lehren Theologen [...] die Schüler, erziehen Logiker in den Künsten die Zöglinge des Aristoteles erziehen, verwandeln Grammatiker die Sprache der Stotternden in geregeltes Maß, erweichen Organisten die Ohren des Volkes durch eine Ogel von honigartiger Kehle; Juristen erheben den Justinian, und an ihrer Seite verkünden Mediziner den Galen.
[4] Die naturwissenschaftlichen Bücher, die in Paris verboten waren, werden hier diejenigen erklärt bekommen können, die den Busen der Natur besser erkunden wollen. Was also fehlt Euch? Studentische Freiheit? Keineswegs! Denn niemandes Zügeln unterworfen, werdet ihr Euch am eigenen Willen erfreuen.

Lambert von Hersfeld : Chronik (Lamperti annales ad annum 1073) 1073, S. 152

Die sächsischen Stände formulieren im Jahre 1073 Forderungen an den deutschen König Heinrich IV.
Sie fordern [...], dass er ihnen, die Gerechtes fordern, dies bereitwillig gewähre. [...] Wenn er dies tue, würden sie ihm, wie bisher, mit dem allerwilligsten Geist dienen, jedoch auf die Weise, auf welche einen Rechtstitel habende und in einem freien Reich geborene Menschen einem König dienen müssten; [...] wenn er gerecht, wenn er gesetzmäßig, wenn er nach der Sitte der Vorfahren die Dinge anleitete; wenn er zuließe, dass auch ihr Stand, ihre Würde, ihre Gesetze sicher und unverletzt bestehen blieben. [...] Wenn er dies [...] einmal verletzt hätte, dann würden sie schließlich, gleich wie gegen einen barbarischen Feind und einen Unterdrücker des christlichen Namens, einen gerechten Krieg führen und, solange der letzte Funken Lebenswärme übrig sei, für die Kirche Gottes, für den christlichen Glauben, und auch für ihre eigene Freiheit kämpfen.

Johann Ohneland (König von England): Große Urkunde der Freiheiten (Magna carta libertatum) § 1

Der englische König Johann ohne Land sichert schriftlich zu, die angestammten Freiheiten seiner Untertanen zu wahren (1215)
Johannes, von Gottes Gnaden König von England [...] [sagt, wir] habe[n] mit unserem vorliegenden Brief bestätigt [...], dass die englische Kirche frei sei, ihre Rechte unversehrt und ihre Freiheiten unverletzt besitze [...]. Das zeigt sich darin, dass wir die Freiheit der Wahlen, die für die englische Kirche sehr groß und allzu notwendig erachtet wird, mit reinem und bereitem Willen [...] beachten werden und wollen mit voller Überzeugung, dass sie von unseren Erben in Ewigkeit beachtet wird. Wir haben auch allen freien Menschen unseres Königreichs, für uns und unsere Erben in Ewigkeit, alle untenstehenden Freiheiten zum Besitzen und Behalten zugestanden, für sie und ihre Erben.

Urban II. (Papst) : Dekret des Gratian (Decretum Gratiani ) II 19 q. 2

Papst Urban II. (1035-1099) über Freiheit als Grundbedingung des mittelalterlichen Menschen
Zwei Gesetze [...] gibt es, ein öffentliches und ein privates; öffentlich ist das Gesetz, das von den heiligen Vätern geschrieben und festgesetzt wurd, z.B. das kanonische [d.h. das kirchliche] Recht. [...] Das private Gesetz aber, das eingesetzt wurde vom heiligen Geist, ist im Herzen geschrieben. [...] Jeder also, der von diesem Geist geführt wird, selbst wenn sein Bischof ihm widerspricht, soll mit unserer Autorität frei gehen. Für den Gerechten wurde nämlich kein Gesetz erlassen, und ,wo der Geist des Herrn ist, da ist die Freiheit‘ (2 Korinther 3, 17), und wenn ihr vom Geist Gottes geführt werdet, steht ihr nicht mehr unter einem Gesetz.

Platon: Timaios (Timaeus) 34b-35a

Zentral für die Herstellung der Welt ist zunächst die Schaffung der Weltseele, die, wie jede Seele, an der Grenze von göttlicher und körperlicher Welt steht (Antike Philosophie I)<br /> In der Mitte von Platons Weltbild steht die Seele (Judentum und Islam)
Timaios: Eine Seele setzte er also in die Mitte der Welt, dehnte sie durch alles hindurch aus und deckte von außen den Körper über sie. [...] Er gestaltete die ihrer Entstehung und Vorzüglichkeit nach dem Körper gegenüber frühere und ehrwürdigere Seele als Gebieterin und künftige Beherrscherin des ihr unterworfenen Körpers aus folgenden Bestandteilen und auf folgende Weise: Zwischen dem unteilbaren und immer sich gleich verhaltenden Sein und dem teilbaren, im Bereich der Körper werdenden, mischte er aus beiden in der Mitte eine Form des Seins, zwischen der Natur des Identischen und der des Verschiedenen.

Platon: Timaios (Timaeus) 37c-e

Innerhalb des Alls schafft der Schöpfer die Zeit als bewegliches Abbild der Ewigkeit
[1] Als der zeugende Vater aber erkannte, dass das All ein bewegtes und lebendes Standbild der ewigen Götter geworden ist, freute er sich und überlegte erfreut, es noch dem Urbild noch ähnlicher zu gestalten. [...]
[2] Die Natur des Lebewesens war nun eine ewige, und dies dem Gezeugten vollständig anzuhaften, war nicht möglich. Er überlegte, ein in Bewegung befindliches Abbild der Ewigkeit zu machen. Als er dann den Himmel ordnete, machte er, während die Ewigkeit in einem blieb, ein der Zahl gemäß voranschreitendes ewiges Abbild, welches er nun „Zeit“ nannte.
[3] Denn da es Tage und Nächte und Monate und Jahre nicht gab, bevor der Himmel entstand, bewerkstelligte er zusammen mit dessen Zusammenstellung ihre Entstehung. All dies sind Teile der Zeit, und das „war“, das „wird sein“ entstandene Formen der Zeit, welche wir nicht zu Recht unaufmerksam auf das ewige Sein übertragen.

Platon: Timaios (Timaeus) 39e-40a

Platon schildert die Entstehung der Sterne und der Lebewesen
Dies Übrige des Alls erarbeitete er nun, indem er es nach dem Typos des Urbildes gestaltete. Als also der Geist die Ideen betrachtete, die dem, was ein Lebewesen ausmacht, innewohnen, wie beschaffen und wie viele sie sind, überlegte er, dass auch dieses All so beschaffene und so viele enthalten müsse. Es sind nun viererlei, eine das himmlische Geschlecht der Götter, eine andere das Geflügelte und in der Luft Reisende, eine dritte die Form im Wasser, eine mit Füßen versehene irdische die vierte. Von dem Göttlichen verfertigte er den Großteil der Idee aus Feuer, damit es möglichst hell zu sehen und möglichst schön sei, wobei er es, indem er es mit dem All verglich, wohlgerundet machte.

Platon: Timaios (Timaeus) 48e-49a; 49d-e

Die Körperwelt kann nicht ohne Materie als Grundlage erschaffen werden
a) Jetzt aber haben wir eine dritte Gattung zu erläutern. Denn zwei waren für das vorher Gesagte ausreichend, ein als Form des Urbildes Angenommenes [...] und eine Nachahmung des Urbildes als zweites [...]. Ein drittes haben wir aber damals nicht unterschieden, da wir glaubten, die beiden wären ausreichend.
b) Jetzt aber scheint uns das Argument zu zwingen daranzugehen, eine schwierige und undeutliche Form mit Worten zu verdeutlichen: [...] eine Aufnahmestelle so wie eine Amme für jedes Werden zu sein. [...]
c) Immer wenn wir sehen, dass etwas zu einem anderen Zeitpunkt anders wird, so wie das Feuer, dann können wir nicht dieses, sondern das so Beschaffene jeweils als „Feuer“ bezeichnen, und auch nicht dieses als „Wasser“, sondern stets nur das so Beschaffene. Auch als etwas anderes [...], wovon wir glauben, wir könnten es beim Zeigen verdeutlichen, indem wir den Ausdruck „das da“ oder „dieses“ verwenden, können wir es niemals bezeichnen. Denn, ohne zu bleiben, flieht es vor „das da“, „dieses“, „diesem“ und jedem Ausdruck, welcher es feststehend als etwas Seiendes anzeigt.

Platon: Timaios (Timaeus) 414a-e; 42b

Für die Erschaffung des Gesamtmenschen werden auch die niederen Götter herangezogen, die den menschlichen Körper verfertigen
a) Weil also alle Götter, die offensichtlich herumwandern, sowie die, die erscheinen, sofern sie wollen, entstanden waren, sprach der, der dieses All erschaffen hatte, zu ihnen Folgendes: "Götter der Götter, deren Hersteller und Vater ihrer Werke ich bin, welche durch mich unauflöslich geworden sind, solange ich es will. [...] Wendet euch gemäß der Natur der Herstellung der Lebewesen zu, indem ihr meine Kraft im Hinblick auf Eure Entstehung nachahmt. Und insoweit es ihnen zukommt, den Unsterblichen zu entsprechen, werde ich [...] ein göttlich zu nennendes Leitvermögen [...] geben, im Übrigen verfertigt ihr Lebewesen, indem ihr diesem Unsterblichen etwas Sterbliches hinzuwebt [...]."
b) Dies sagte er, und wiederum ergriff er den ersten Mischkrug, indem er die Seele des Alls durch Rühren mischte, und mischte das vom Früheren Übrige in gewissem Sinne auf dieselbe Weise, aber nicht mehr ganz in derselben Weise unvermischt, sondern als Sekundäres und Tertiäres. Der Zusammensteller des Alls teilte nun ebenso viele Seelen ab, wie es Sterne gibt [...] und sprach zu ihnen schicksalhafte Gesetze: [...] Es sei nötig [...], dass sie verstreut in die jeder zukommenden zeitlichen Werkzeuge das Gottgleicheste der Lebewesen hervorbrächten. [...] Und der, der die ihm zukommende Zeit gut gelebt habe, werde, indem er wieder zu der Behausung des ihm zustehenden Sternes reise, sein glückseliges und gewohntes Leben haben.

Aristoteles: Kategorien (Categoriae) 5, 2a 11-16

Aristoteles unterscheidet in den Kategorien eine erste und eine zweite Substanz
,Substanz‘ im eigentlichsten Sinne und in erster Linie und am meisten wird die genannt, wie weder von etwas Zugrundeliegendem ausgesagt wird noch in etwas Zugrundeliegendem ist, wie der einzelne Mensch oder das einzelne Pferd. Zweite Substanzen werden die genannt, in denen, wie in Arten, die in erster Linie genannten Substanzen vorhanden sind, diese und die Gattungen dieser Arten.