Aristoteles: Über die Seele (De anima) II 1, 412a 11-b 9
Aristoteles’ umrisshafte Definition von Seele[1] Substanzen scheinen in erster Linie die Körper zu sein, und von diesen die natürlichen. […] Von den natürlichen haben manche Leben, manche aber nicht. Leben nennen wir Ernährung, Wachstum und Schrumpfen durch sich selbst. Folglich ist jeder natürliche Körper, der am Leben Anteil hat, eine Substanz […] als zusammengesetzte. Weil auch das so Beschaffene ein Körper ist, nämlich einer, der Leben hat, ist die Seele folglich kein Körper. […]
[2] Die [Seele als] Substanz ist aber Entelechie […] für einen so beschaffenen Körper. Diese wird aber auf zweierlei Weise ausgesagt, zum einen so wie ein Wissen, zum anderen so wie ein Betrachten. Nun ist klar, dass sie wie ein Wissen [so ist]. Denn dadurch, dass die Seele vorhanden ist, gibt es Schlaf und Wachsein. Das Wachsein verhält sich aber analog zum Betrachten, der Schlaf zum Haben und nicht Aktiv-Sein. […] Wenn man nun etwas Gemeinsames über jede Seele sagen muss, ist sie gewisse eine erste Entelechie eines natürlichen organischen Körpers.
[3] Wenn man nun etwas Gemeinsames von jeder Seele sagen soll, so ist sie wohl die erste Vollendung eines natürlichen, organischen Körpers. Daher darf man auch nicht fragen, ob die Seele und der Körper eines sind, ebenso wenig wie bei dem Wachs und der Figur oder überhaupt der Materie von irgendetwas und dem, dessen Materie sie ist. Denn da das Eine und das Sein in mehrfacher Bedeutung ausgesagt werden, ist die Vollendung beides in entscheidender Bedeutung.