Cajetan, Thomas de Vio: Kommentar zur Summe der Theologie (Commentarium in Summam theologiae ) I-II, 96, 4 und 5, § 5
Kardinal Thomas de Vio Kajetan (1469-1534) zeigt, inwiefern das Gewissen des Herrschers an seine eigenen Gesetze gebunden ist[1] Das positive Gesetz [...] macht indifferente Handlungen zu tugendhaften oder lasterhaften [...]; wenn es die Bezahlung von Zoll (gabella) verlangt, unterstellt es diese Handlung der Gerechtigkeit; wenn es einen Gottesdienst vorschreibt, unterstellt es ihn der Frömmigkeit; [...] und daher wird jemand, so wie er im Forum des Gewissens zu tugendhaften Handlungen angehalten ist [...] und sich nicht durch Furcht entschuldigen kann, usw., ebenso auch nicht von der Ungerechtigkeit, dem Sakrileg usw. entschuldigt, die er, wenn es von einem Gesetz so festgelegt wurde, verachtet, begeht usw. [...]
[2] Weil der Herrscher dem Gesetz nicht anders als im Hinblick auf Gott unterliegt – das ist dasselbe wie zu sagen, er unterliege dem Gesetz im Forum des Gewissens –, hat das Gesetz aus demselben Grunde die Kraft, den Herrscher zu verpflichten, aus dem es die Kraft hat, im Forum des Gewissens zu verpflichten. Wie aber in Artikel 4 gesagt wurde, hat das Gesetz verpflichtende Kraft im Forum des Gewissens vom ewigen Gesetz, aus dem es abgeleitet wird.