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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

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Albertus Magnus: Über die Ursachen und den Hervorgang des Universums aus der ersten Ursache (De causis et processu universitatis a prima causa) I 17 (Editio Coloniensis 17, 2, p. 17, 48-18, 18 Fauser)

Albertus Magnus übernimmt aus der indirekten Avicenna-Überlieferung die These, die erste Ursache sei ein notwendiges Sein
[1] Das Erste ist auch allein ein Notwendig-Sein schlechthin und in jeder Hinsicht. […] Denn das Notwendig-Sein […] als eine Sache besteht darin, so ein Notwendig-Sein zu sein, dass folgt, ohne dass eine Voraussetzung gemacht würde, dass das Sein selbst unmöglich nicht sein kann.
[2] Ferner schließen sich das Notwendig-Sein und das Möglich-Sein in demselben Gegenstand aus. Denn was ein Möglich-Sein ist, von dem ist es auch in irgendeiner Weise möglich, nicht zu sein. […]
[3] Ferner weisen das Notwendig-Sein, das Möglich-Sein und das Kontingent-Sein untereinander eine Ordnung auf. Denn es wurde von uns in Metaphysik VI bewiesen, dass das, was häufig, und das, was selten ist, durch einen Mangel an dem verursacht werden, was immer ist. Aber immer zu sein heißt notwendig zu sein. […] Das Mögliche und das Kontingente werden also von dem verursacht, was immer ist.

Siger von Brabant: Fragen zur Metaphysik (Quaestiones in Metaphysicam) Reportatio Viennensis, l. VII, q. 1 (W. Dunphy, Louvain-la-neuve 1981, p. 380, 19-36; 381, 79-82)

Siger von Brabant interpretiert Avicennas These der notwendigen Wirkung jeder Ursache im Sinne der Differenzierungen der aristotelischen Naturphilosophie
[1] So meint es Avicenna, wenn er sagt, dass jede Wirkung im Hinblick auf ihre Ursache notwendig ist: nämlich deswegen, weil jede Wirkung notwendigerweise aus ihrer Ursache hervogeht, wenn man diese als nicht gehinderte versteht, so wie Gott das vorgesehen hat. […]
[2] Aber man muss beachten, dass es einen großen Unterschied macht, ob etwas aus Notwendigkeit in der ersten Weise geschieht – nämlich deswegen, weil es aufgrund einer Ursache geschieht, die nicht nur nicht gehindert wird, sondern auch gar nicht hinderbar ist – oder ob etwas aus Notwendigkeit […] aufgrund einer Ursache geschieht, die, obwohl sie nicht gehindert wird, trotzdem hinderbar ist. Das heißt, es macht einen Unterschied, ob etwas schlechthin aus Notwendigkeit geschieht oder ob etwas aus Notwendigkeit aufgrund einer Ursache in kontingenter Weise und auf eine Art geschieht, bei der es möglich ist, dass es sich anders verhält. Denn dass etwas auf die erste Weise aus Notwendigkeit geschieht, hebt […] unsere Entscheidung unsere Überlegungen auf, weil es nichts nützen würde zu überlegen oder sich Mühe zu geben, dass das Gegenteil davon geschieht. […]
[3] Jede Wirkung, die aus einer Ursache heraus geschieht, geschieht entweder aus einer notwendigen Ursache heraus (das heißt aus einer nicht hinderbaren heraus), oder es geschieht aus einer Ursache heraus, die nicht immer Ursache für ihre Wirkung ist, sondern in den allermeisten Fällen (und diese ist so geartet, dass sie gehindert werden kann), oder sie geschieht aus einer akzidentellen Ursache heraus.

Thomas von Aquin: Summa theologiae I-II (Summa theologiae) I-II 18, 1 resp

Die Vollständigkeit einer Handlung als Grundprinzip
Insofern irgendeiner Handlung etwas von der Vollständigkeit des Seins mangelt, das einer menschlichen Handlung geschuldet wird, insofern mangelt sie an Güte, und so wird sie schlecht genannt; z.B. wenn ihr entweder eine bestimmte Menge gemäß der Vernunft oder der angemessene Ort oder etwas derartiges mangelt.

Abaelard, Peter: Antwort auf das 20. Problem Heloisas Bd. I (p. 271)

Das Grundgebot der Vernunft, das Gute zu tun sowie auch das Böse zu lassen, wird bei Abaelard durch die Goldene Regel ausbuchstabiert
Die beiden Vorschriften des Naturgesetzes beziehen sich auf die Nächstenliebe [...]. ,Was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, (das tut auch ihr ihnen)‘ (Matthäus 7, 12), meint Folgendes: Was ihr in eurem Gewissen billigt, dass es euch von den anderen geschehen soll. Denn keiner billigt im Gewissen, dass man ihm bei etwas Schlechtem zustimme, sondern bei dem, was er für gut hält und wert zu geschehen. [...] Auch das Wort des Tobias ,sieh zu, dass du das, wovon du hasst, dass es dir von einem anderen geschieht, einmal einem anderen antust‘ (Tobit 4, 16), beinhaltet durchaus ein Problem, weil nämlich jemand, der einen anderen aus Gerechtigkeit tötet, dies niemals von einem einem anderen her aushalten will. [...] Ihm wird deswegen vorgeschrieben, dass er das, wovon er hasst, dass es ihm geschieht, einem anderen nicht antut, weil dann, wenn er jemanden zu Recht tötet, dies eher Gott oder das Gesetz tut als ein Mensch.

Robert von Melun: Zusammenstellung der Lehrsätze (Sententiae ) I, II, [0], 144

Robert von Melun erkennt jedem Menschen einen natürlichen Willen zum Guten an
So wie es für die Seele natürlich ist, das Gute vom Schlechten zu unterscheiden, so ist es ihr natürlich, das Gute zu wollen und natürlich zu ihm hinzustreben. Das macht sie auch immer dann, wenn sie keinerlei Lohn für ein Verdienst davon hat, weil sie das auch tut [...], wenn sie in jedem beliebigen Verbrechen befangen ist, nämlich natürlicherweise das Gute zu wollen und es natürlicherweise zu lieben. [...] Weil es keinen Menschen gibt, der natürlicherweise nicht den Zustand des Lebens wünscht und begehrt, in dem weder ein Seufzen noch ein Schmerz da sein kann, gibt es keinen, der nicht natürlicherweise die ewige Seligkeit wünscht und begehrt. [...] Hieraus kann geschlossen werden, dass jeder Mensch natürlicherweise das höchste Gut besitzen und es natürlicherweise lieben will. Das würden [...] selbst die, die in der Hölle sind, [...] gerne besitzen. Denn wenn sie es nicht zu besitzen wünschten, wäre es für sie niemals eine Qual, es zu entbehren.

Augustinus von Hippo: Der Gottesstaat (De civitate dei) XIII 2

Augustinus’ Definition des Todes als Tod von Körper und Seele
Denn obgleich die menschliche Seele klarerweise wahrhaft unsterblich ist, hat sie doch auch selbst einen bestimmten eigenen Tod. Denn sie wird deswegen unsterblich genannt, weil sie auf eine bestimmte, beliebig kleine Weise nicht aufhört, zu leben und zu empfinden; der Körper aber ist deswegen sterblich, weil er von jedem Leben verlassen werden kann und kein Stückchen durch sich selbst lebt. Der Tod der Seele erfolgt also, wenn Gott sie verlässt, so wie der des Körpers, wenn die Seele diesen verlässt. Also ist der Tod von ihnen beiden, also der des gesamten Menschen, wenn eine von Gott verlassene Seele den Körper verlässt.

Gregor von Nyssa: Über die Seele und die Auferstehung (De anima et resurrectione) (p. 148 Migne)

Gregor von Nyssa erklärt die Auferstehung
Die Auferstehung ist die Wiederherstellung in den alten Zustand unserer Natur. Aber im ersten Leben, dessen Schöpfer Gott selbst geworden ist, gab es, wie es recht ist, weder Alter, noch Kindheit, noch die Leiden aufgrund der vielgestaltigen Schwächen noch eine andere körperlichen Not; denn es war nicht recht, dass Gott solches schafft. Vielmehr war die menschliche Natur ein göttliches Ding, bevor das Menschengeschlecht in das Streben nach dem Bösen geriet; dies alles aber kam mit dem Einzug des Schlechten zusammen auf uns. Folglich gibt es keinerlei Notwendigkeit, dass das Leben ohne Schlechtigkeit in den hierdurch zustande gekommenen Zufälligkeiten befangen ist.

Thomas von Aquin: Summa theologiae I (Summa theologiae) 79, 13 responsio

Thomas von Aquin über die Aufgaben des Gewissens
Man sagt, dass das Gewissen bezeugt, bindet oder antreibt, und auch, dass es anklagt, beißt oder tadelt. Und all das folgt aus einer Anwendung irgendeiner Erkenntnis oder eines Wissens von uns auf das, was wir tun. Diese Anwendung geschieht auf dreifache Weise. Auf die eine Weise, indem wir anerkennen, dass wir etwas getan oder nicht getan haben [...], und demgemäß wird gesagt, dass das Gewissen bezeugt. Auf eine andere Weise geschieht eine Anwendung, indem wir durch unser Gewissen urteilen, etwas sei zu tun oder nicht zu tun, und demgemäß wird gesagt, dass das Gewissen antreibe oder binde. Auf die dritte Weise geschieht eine Anwendung, indem wir durch das Gewissen urteilen, dass etwas, das getan wurde, gut oder nicht gut getan worden sei, und demgemäß wird gesagt, das Gewissen entschuldige oder klage an, oder es beiße.

Kant, Immanuel : Metaphysik der Sitten Tugendlehre A 98f

Immanuel Kant über das Gewissen als innerer Gerichtshof
Ein jeder Pflichtbegriff enthält objektive Nötigung durchs Gesetz [...] und gehört dem praktischen Verstande zu, der die Regel gibt; die innere Zurechnung aber einer Tat, als eines unter dem Gesetz stehenden Falles [...] gehört zur Urteilskraft (iudicium), welche [...] ob sie als Tat (unter einem Gesetz stehende Handlung) geschehen sei oder nicht, rechtskräftig urteilt; worauf denn der Schluß der Vernunft (die Sentenz), d.i. die Verknüpfung der rechtlichen Wirkung mit der Handlung (die Verurteilung oder Lossprechung) folgt [...]. Das Bewußtsein eines inneren Gerichtshofes im Menschen (»vor welchem sich seine Gedanken einander verklagen oder entschuldigen«) ist das Gewissen.

Abaelard, Peter: Dialog zwischen einem Juden, einem Philosophen und einem Christen (Collationes) II

Peter Abaelard über natürliches und positives Recht
Man darf aber [...] nicht nur die Schranke des natürlichen Rechts, sondern auch die der positiven Gerechtigkeit nicht überschreiten. Vom Recht wird etwas natürlich, etwas anderes positiv genannt. Das natürliche Recht ist dabei das, bei dem die Vernunft, die allen [Menschen] natürlicherweise innewohnt, dazu überredet, es im Handeln auszuführen; und daher bleibt es bei allen erhalten, zum Beispiel Gott zu verehren, die Eltern zu lieben, die Bösen zu bestrafen, und all das, dessen Erfüllung für alle notwendig ist [...] Zur positiven Gerechtigkeit aber gehört das, was sich als menschliche Einrichtung zur sichereren Befestigung oder Mehrung des Nutzens oder der Güte entweder auf Gewohnheit oder auf die Autorität von Geschriebenem stützt. Beispiele sind die Strafen für Verbrechen oder die Urteile der Gerichte bei der Untersuchung von Anklagen, wenn bei den einen Duelle oder erhitztes Eisen üblich ist, aber bei anderen das Ende eines ein Eid ist und die ganze Debatte Zeugen anvertraut wird.

Polybios: Historien II 38, 6

Polybios über die Kennzeichen wahrer Demokratie
Man wird gewiss keine vollkommenere Ordnung und Entscheidung zu gleicher Beteiligung und freier Rede und überhaupt zu wahrer Demokratie finden als die bei den Athenern bestehende.

Chrysipp von Soloi: Fragmente Institutiones I = Long/Sedley 67R = Stoicorum Veterum Fragmenta III 314

Chrysipps Lob des Gesetzes
Das Gesetz ist König aller göttlichen und menschlichen Angelegenheiten; notwendigerweise ist es der Lenker, der Herr und Herrscher über das Schöne und Schimpfliche, und demgemäß die Richtschnur für das, was gerecht und ungerecht ist, und so auch dasjenige, das den von Natur aus politischen Lebewesen gebietet, was getan werden muss, und verbietet, was nicht getan werden darf.

Paulus von Tarsus (Apostel): 1. Korintherbrief 8, 7-11

Der Apostel Paulus über die Rücksicht auf den Nächsten
Aber nicht in allen gibt es Erkenntnis. Einige essen es aus der bis jetzt reichenden Vertrautheit mit dem Götterbild wie Götzenopferfleisch, und ihr Gewissen, das schwach ist, wird befleckt. Speise bringt uns Gott nicht nahe. Weder werden wir, wenn wir nicht essen, Mangel leiden, noch werden wir, wenn wir essen, Überfluss haben. Seht aber zu, dass diese eure Entscheidungskraft den Schwachen nicht zum Anstoß wird. Denn wenn jemand sieht, dass du, der Erkenntnis hat, am Götzenheiligtum daliegst, wird nicht das Gewissen von ihm, dem Schwachen, dazu erbaut, Götzenopferfleisch zu essen? Denn der Schwache verdirbt an Deiner Erkenntnis, der Bruder, dessentwegen Christus gestorben ist.

Thomas von Aquin: Summa theologiae I-II (Summa theologiae) I-II 18, 9 resp. et ad 2

Es gibt keine menschlichen Handlungen, die nicht gut oder schlecht sind
Es kommt manchmal vor, dass eine Handlung ihrer Art nach indifferent ist, obwohl sie individuell betrachtet gut oder schlecht ist [...], so wie bestimmte Dinge einem individuellen Menschen seinen individuellen Eigenschaften gemäß entsprechen, obwohl sie dem Menschen gemäß des Gehalts seiner Art nicht entsprechen. [...] Denn weil es Aufgabe der Vernunft ist zu ordnen, widerspricht jede Handlung, die aus einer überlegenden Vernunft hervorgeht, wenn sie nicht auf ein pflichtschuldiges Ziel hingeordnet ist, ebendeswegen der Vernunft und enthält den Gehalt ,schlecht‘. [...] ,Schlecht‘ nennen wir hier allgemein alles, was der rechten Vernunft widerspricht.

Gaius Musonius Rufus: Diatriben (Diatribae) 3; 4 (p. 8f., 14 Hense)

Der Stoiker Musonius Rufus betont die Fähigkeit der Frauen zur Philosophie
[1] Als jemand von ihm wissen wollte, ob auch Frauen philosophieren sollen, begann er in etwa so zu lehren, dass sie philosophieren sollen:
[2] Die Frauen haben, sagte er, die gleiche Vernunft von den Göttern erhalten wie die Männer, die wir untereinander verwenden und mit der wir über jede Angelegenheit nachdenken, sie gut oder schlecht, schön oder schändlich ist. […]. Ferner entwickelt sich ein Streben und eine Vorbereitung zur Tugend von Natur aus nicht nur bei den Männern, sondern auch bei den Frauen.
[3] Dass aber die Tugenden der Frau keine anderen als die der Männer sind, ist leicht zu begreifen. Zunächst einmal muss, ebenso wie der Mann, auch die Frau klug sein. Welchen Nutzen brächte ein unkluger Mann oder eine unkluge Frau? Sodann muss der eine nicht weniger gerecht leben als der andere. Der Mann wird doch gewiss kein guter Bürger sein, wenn er ungerecht ist, und die Frau wird gewiss den Haushalt nicht gut führen, wenn sie es nicht gerecht tut. Zum Ehebruch anzustiften und angestiftet zu werden bestrafen die Gesetze gleichermaßen.

Gaius Musonius Rufus: Diatriben (Diatribae) 3; 4 (p. 8f., 14 Hense)

Musonius Rufus diskutiert die gemeinsamen Fähigkeiten beider Geschlechter
[1] Wenn im Menschengeschlecht die Natur der Männer stärker ist, die der Frauen schwächer, sind jeder Natur die passendsten der Werke zuzuweisen […]. Deswegen wird die Wollspinnerei den Frauen eher als den Männern zukommen […], die Gymnastik eher den Männern als den Frauen. […] Bisweilen werden sich einige Männer einige der leichteren Tätigkeiten und anscheinend weiblicheren ordentlich ausüben, und Frauen wiederum werden einige der schwereren und anscheinend eher Männern zukommenden tun […]. Denn womöglich liegen alle menschlichen Tätigkeiten im Gemeinsamen und sind Männern und Frauen gemeinsam. […]
[2] Was nun einen Bezug zur Tugend aufweist, das wird man gewiss zu Recht in gleichem Maße beiden Naturen zuweisen. […] Wenn mich aber jemand fragt, welche Wissenschaft diese Erziehung anleitet, werde ich ihm sagen, dass ohne Philosophie sowohl kein Mann als auch keine Frau richtig erzogen wird.