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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

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Platon: Theaitetos (Theaetetus) 180c-e

Die Ausgangsfrage von Platons Theaitet: Das Verhältnis von Veränderung und Unveränderlichkeit
Sokrates: Haben wir nun nicht zuerst von den Alten das andersartige Problem empfangen […], dass nichts feststehe? […] Beinah hätte ich vergessen, o Theodoros, dass andere wiederum das genaue Gegenteil davon behauptet haben […], dass alles eins ist und in sich feststeht, ohne einen Raum zu haben, in dem es sich bewegt.

Platon: Theaitetos (Theaetetus) 184d-e

Platon im Theaitet über die Erkenntnisgegenstände für die Seele
Sokrates: Es wäre schlimm, mein Junge, wenn eine ganze Reihe Wahrnehmungen in uns wie in einem hölzernen Pferd nebeneinanderlägen, dies alles aber nicht in irgendeine Form, magst du sie nun Seele oder was immer nennen, zusammenliefen, mittels derer wir durch diese wie durch Werkzeuge all das wahrnehmen, was wahrnehmbar ist. […]. Und sage mir: das, wodurch du Warmes, Hartes, Leichtes und Süßes wahrnimmst, rechnest du all das nicht dem Körper zu? Oder etwas anderem?
Theaitet: Keinem anderen.

Platon: Theaitetos (Theaetetus) 185a-e

Platon im Theaitet über Identität, Differenz und ihre Feststellung
Sokrates: Vom Laut und von der Farbe, denkst du nicht von diesen beiden zuerst das, dass sie zweierlei sind?
Theaitet: Das denke ich.
Sokrates: Nicht auch, dass jedes von beiden vom anderen verschieden, mit sich selbst aber einerlei ist?
Theaitet: Freilich. […]
Sokrates: Wodurch denkst du dies alles über diese beiden? Denn weder durch den Gesichtssinn noch durch das Gehör ist es möglich, über sie das Gemeinsame über sie aufzufassen. […]
Theaitet: Du meinst ihr Etwas-Sein oder Nichtsein, ihre Ähnlichkeit und Unähnlichkeit, das Identisch- und Verschieden sein, ferner ob sie eins sind oder eine andere Zahl. […] Die Seele scheint mir durch selbst das Gemeinsame in allen Dingen zu erforschen.

Platon: Theaitetos (Theaetetus) 208bc, 209bc

Der letzte Definitionsversuch von Wissen im Theaitet
Sokrates: Vielleicht möchte jemand ihn [die wahrhafteste Bedeutung von ,Wissen‘] nicht so definieren, sondern nach der noch übrigen von den drei Möglichkeiten, wovon eine, wie wir sagten, derjenige annehmen, welcher das Wissen als eine richtige Meinung in Verbindung mit einer Begründung definiert.
Theaitet: Richtig erinnerst Du Dich. [...] Was verstehst Du aber unter der dritten Möglichkeit?
Sokrates: Was die Menge sagen würde, dass man ein Merkmal angeben kann, wodurch sich das Gefragte von Allem unterscheide. [...] Wohlan denn, beim Zeus, wie habe ich denn durch so etwas mehr dich gemeint als irgendeinen anderen. [...] Wenn ich mir nicht bloß einen Nase und Augen Habenden denke, sondern auch einen Krummnasigen und Glupschäugigen, werde ich dann mehr Dich denken als mich selbst und wer sonst noch so beschaffen ist?
Theaitet: Um nichts mehr. [...]

Platon: Theaitetos (Theaetetus) 209e-210a

Das endgültige Scheitern der Definition von „Wissen“ in Platons Theaitet
Sokrates: Wenn auf der anderen Seite, Jungchen, mit dem Hinzufügen der Begründung ein Einsehen und nicht nur ein Meinen der Unterschiedlichkeit gemeint wäre, dann wäre es eine herrliche Sache mit dieser Aussage über Wissen. Nicht wahr?
Theaitet: Ja.
Sokrates: Wer also gefragt wird, was Wissen ist, soll, wie es scheint, antworten, wahre Meinung mit einem Wissen über die Unterschiedlichkeit. [...]. Und das ist doch auf alle Weise einfältig, wenn wir das Wissen untersuchen, zu sagen, es sei wahre Meinung verbunden mit Wissen, über den Unterschied oder über sonst etwas. Weder also die Sinneswahrnehmung, o Theaitet, noch die wahre Meinung noch die mit der wahren Meinung verbundene Erklärung kann Wissen sein.

Platon: Der Sophist (Sophista ) 241d

Die Frage nach der Veränderlichkeit von Ideen als Grundfrage von Platons Sophistes
Gast aus Elea: Das Argument des Vaters Parmenides müssen wir, um uns zu verteidigen, prüfen und erzwingen, dass sowohl das Nicht-Seiende in gewisser Hinsicht ist als auch das Seiende wiederum irgendwie nicht ist.

Platon: Der Sophist (Sophista ) 244b-c

Die These der Eleaten/des Parmenides zum Verhältnis von Sein und Einem
Gast aus Elea: Dies also mögen sie uns beantworten: Ihr sagt, es sei nur eins? – Das sagen wir, werden sie sagen. Nicht wahr?
Theaitet: Ja.
Gast aus Elea: Was weiter? Nennt ihr etwas ,seiend‘?
Theaitet: Ja.
Gast aus Elea: Dasselbe wie eins, indem ihr zwei Worte für dasselbe braucht? Oder wie?

Platon: Der Sophist (Sophista ) 244d

Das Verhältnis von Sein und Einem und die Identität der Ideen
Gast aus Elea: Nimmt man die Bezeichnung als etwas von dem Ding verschiedenes, so benennt man eine Zweiheit.
Theaitet: Ja.
Gast aus Elea: Nimmt man aber die Bezeichnung als dasselbe wie jenes, wird man entweder gezwungen sein zu sagen, sie sei die Bezeichnung von nichts, wenn er aber sagen will, sie [sei die Bezeichnung von] etwas, so wird herauskommen, dass die Bezeichnung nur Bezeichnung einer Bezeichnung ist, und von nichts anderem.

Platon: Der Sophist (Sophista ) 254d-e

Der Gast aus Elea entwickelt in Platons Theaitet die fünf höchsten Gattungen des Seienden
Gast aus Elea: Die größten der Gattungen, welche wir vorher durchgegangen sind, sind doch wohl 'seiend' selbst und Ruhe und Bewegung.
Theaitet: Bei weitem.
Gast aus Elea: Und die zwei, sagen wir doch, sind miteinander ganz völlig unvermischbar?
Theaitet: Völlig.
Gast aus Elea: Das Sein aber vermischbar mit beidem. Denn beide sind ja irgendwo.
Theaitet: Wie sollten sie nicht!
Gast aus Elea: Das wären also drei.
Theaitet: Ja, und?
Gast aus Elea: Jedes von ihnen ist also verschieden von den zwei anderen, mit sich selbst aber identisch?
Theaitet: So ist es.
Gast aus Elea: Was haben wir jetzt wieder gesagt? 'Identisch' und 'verschieden'? Sind sie auch wieder zwei Gattungen, die andere sind als die drei genannten, sich aber notwendigerweise mit ihnen immer vermischen, und über fünf, aber nicht über drei ist zu achten, weil sie gegeben sind?

Platon: Timaios (Timaeus) 27d-28a; 28c-29b

Die ontologischen Grundkategorien, die bei der Beschreibung der Weltentstehung zu unterscheiden sind (Antike Philosophie I)<br /> Auch in Platons Timaios wird die Unterscheidung von ewigen Ideen und veränderlicher wahrnehmbarer Welt beibehalten (Judentum und Islam)
a) Zuerst nun haben wir meiner Meinung nach Folgendes zu unterscheiden: Was ist das stets Seiende und kein Werden Habende, und was das stets Werdende, aber niemals Seiende. Das eine kann durch ein Denken mit rationaler Struktur erkannt werden, ist stets sich selbst gleich, das andere dagegen kann durch eine Meinung mit nicht-rationaler Wahrnehmung gemeint werden, ist werdend und vergehend, nie aber wirklich seiend. [...]
b) Den Vater und Hersteller dieses Alls zu finden, ist eine Aufgabe, und es ist, hat man ihn gefunden, unmöglich, ihn allen zu verkünden. Dies ist nun wiederum über ihn zu prüfen, auf welches der Urbilder hin der handwerklich Tätige dies gestaltete [...]. Wenn klarerweise diese Welt schön ist und der Gestalter gut, ist klar, dass er auf das ewige hinblickte. Wenn es aber so ist, wie sich nicht einmal auszusprechen gehört, [hat er] auf das gewordene [hingeblickt]. [...] Dies ist also über das Abbild und über sein Urbild anzugeben.

Platon: Timaios (Timaeus) 29d-30c

Die Beschreibung des guten Herstellers bzw. „Schöpfers“ der Welt (Antike Philosophie I)<br /> Die Güte Gottes als Grund der Weltordnung ist seit Platon ein klassisches Motiv griechischer philosophischer Theologie (Judentum und Islam)
Timaios: a) Geben wir denn an, aus welchem Grund der Gestalter das Werden und das Weltall gestaltete. Er war gut; in einem Guten erwächst niemals und in keiner Beziehung irgendeine Missgunst. […] Weil nämlich der Gott wollte, dass alles gut und nach Möglichkeit nichts schlecht sei, so nahm er also alles, was sichtbar war und keine Ruhe hielt, sondern in ungehöriger und ordnungsloser Bewegung war, und führte es aus der Unordnung zur Ordnung. [...]
b) Durch Überlegung stellte er nun fest, dass von dem der Natur gemäß Sichtbaren kein ganzes Werk ohne Geist schöner sei als etwas Ganzes, das Geist hat, dass aber Geist unmöglich irgendwem ohne Seele zukommen kann. Wegen dieser Überlegung verfertigte er das All so, dass er Geist in Seele, Seele aber in Körper hineinlegte, damit er der Natur gemäß das schönste und beste Werk zustande brächte.
c) So muss man also gemäß der wahrscheinlichen Rede sagen, dass diese Welt als beseeltes, geistbegabtes Lebewesen und in Wahrheit durch göttliche Vorsehung entstanden ist.

Augustinus von Hippo: Bekenntnisse (Confessiones) I 1 p. 1, 10-16

Augustinus (354-430) über das Streben des Menschen zu Gott:
Der Mensch will Dich loben, irgendein Teil Deiner Schöpfung. [...] Denn Du hast uns geschaffen auf Dich hin und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in Dir. Schenke mir, Herr, zu wissen und zu verstehen, was früher ist: [...] Dich zu wissen oder Dich anzurufen? Aber wer wird Dich anrufen, wenn er Dich nicht kennt?

Anselm von Canterbury: Proslogion (Proslogion) I p. 100, 15-19

Anselm von Canterbury (1033-1109) über das Streben des Gläubigen nach Verständnis:
Herr, ich begehre deine Wahrheit ein wenig zu verstehen, die mein Herz glaubt und liebt. Denn ich strebe ja nicht zu verstehen, damit ich glaube, sondern ich glaube, damit ich verstehe. Denn auch dies glaube ich: Wenn ich nicht zuvor geglaubt habe, werde ich nicht verstehen.

Richard von Sankt Viktor: Die Dreifaltigkeit (De trinitate) I, 1 und 3

Richard von Sankt Viktor (gest. 1173) über das Streben des Gläubigen nach Verständnis:
Denn einiges von dem, was uns zu glauben aufgetragen ist, scheint nicht nur über die Vernunft hinauszugehen, sondern auch gegen die menschliche Vernunft zu sein, wenn es nicht in einer tiefen und höchst feinen Untersuchung erörtert wird [...]. Zwar sollen wir durch den Glauben eintreten, aber keineswegs sofort am Eingang stehenbleiben, sondern immer weiter zum Inneren und Tieferen des Verständnisses eilen und mit aller Mühe und höchster Sorgfalt darauf achten, dass wir durch tägliches Wachstum zum Verständnis dessen gelangen können, was wir im Glauben festhalten.

Bernhard von Clairvaux: Brief (Epistula) 190

Bernhard von Clairvaux’ (ca. 1090-1153) Kritik an Abaelards Glaubensbegriff:
Abaelard bezeichnet ganz am Beginn seiner „Theologie“ – oder eher „Dummheits-Logie“ (stultilogia) – den Glauben als eine Meinung. So kann es darin gewissermaßen jedem freistehen zu denken und zu sagen, was ihm beliebt [...]. Aber fern sei es, dass in unserem Glauben [...] irgendetwas aufgrund einer zweifelhaften Meinung auf unsicheren Füßen steht, dass sich nicht vielmehr jeder Glaubensinhalt auf sichere und feste Wahrheit stützt [...]. Diese Ansichten mögen bei den Akademikern [d.h. den skeptischen Philosophen] bleiben, deren Eigenheit es ist, an allem zu zweifeln und nichts zu wissen.

Duns Scotus, Johannes: Autorisierte Mitschrift der Pariser Vorlesung (Reportatio Parisiensis examinata) Buch I, 42. Distinktion, 2. Frage, Nr. 5, 7, 22, 24 und 27

Johannes Duns Scotus (ca. 1265-1308) über eine theologische Anfrage an die Philosophie:
Ich frage: Kann Gott kraft seiner Allmacht alles Mögliche unmittelbar hervorbringen?
Es sieht nicht danach aus. Dann [...] nämlich könnte Gott ein Subjekt ohne die ihm eigentümliche Eigenschaft hervorbringen; und somit könnte es ohne eigentümliche Eigenschaft existieren und gewusst werden. Infolgedessen gäbe es im Bereich des Seienden kein Wissen schlechthin. [...]
Ich antworte und sage, dass sich zwar, wenn wir den Prinzipien der Philosophen folgen, nicht halten lässt, dass Gott auf Grund seiner Allmacht unmittelbar alles Mögliche hervorbringen kann [...]. Dennoch behaupte ich, dass es sich so verhält, und zwar gemäß dem Glauben, durch welchen wir mit den Philosophen über die Prinzipien unterschiedlicher Meinung sind und infolgedessen auch über die Schlussfolgerung. [...] Auch dieser Satz „Was immer Gott durch eine vermittelnde Wirkursache vermag, vermag er auch unmittelbar durch sich“, ist nicht selbstevident, sondern wird nur durch den Glauben besessen. Wenn wir jedoch von absoluten möglichen Seienden sprechen, behaupte ich, dass Gott jedwedes Absolute durch sich hervorbringen kann. [...] Notwendigerweise besitzt jedes Absolute, was real von anderem unterschieden ist, eine unterschiedene Seiendheit, die nicht von anderem wesentlich abhängt. Folglich kann es für sich sein und gemacht werden, ohne irgendeine Beziehung auf ein anderes. [...]
Zum zweiten Argument sage ich: Wer immer weiß, dass eine absolute Eigenschaft ihrem Subjekt zukommt, weiß das zwar sicher, aber nicht immer oder allgemein. Dann nämlich würde er etwas Falsches wissen, weil die Eigenschaft nicht immer unmittelbar ihrem Subjekt als ihrer Ursache zukommt, der sie ihr Entstehen verdankt. Er weiß aber nur, dass es sich meistens so verhält, denn meistens entsteht eine Eigenschaft aus den Prinzipien ihres Subjekts aber nicht immer.