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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

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Priskian aus Lydien [Pseudo-Simplikios]: In De anima/Kommentar zu Aristoteles’ De anima III 4 (p. 217, 29-218, 2; 218, 42-219, 11 und 219, 36-220, 5 Hayduck)

Priskian von Lydien (Ps.-Simplikios) erklärt die Einheit, Mannigfaltigkeit und Erschütterbarkeit der Seele
[1] Denn es gibt für jede rationale Seele einen einzelnen und eigenen Geist, an dem sie Teil hat. Durch ihn wird jede Seele bestimmt, nachdem sie in das Bestimmte […] herabgestiegen ist. […] Die Seele ist aber nicht frei von Teilen, wie ihre entfaltete Aktivität deutlich macht, die zugleich in Trennung und in Zusammenfassung hervorgeht. Wenn sie […] herabgestiegen ist, dann hat sie Teil an […] der Bestimmung und der Form, und zwar jede einzelne an ihrer eigenen Form. Denn es existiert ja auch bei den Komposita eine individuierte Form […], die als ganze kommt und geht sowie im gesamten Leben des Kompositums dasselbe bleibt, auch wenn die verschiedenen Teile zu verschiedenen Zeiten entstehen und vergehen. […]
[2] Zunächst ist also die Vernunft der Seele doppelt, die eine ist abgetrennt [vom Körper] und aus sich heraus voll von den eigenen Erkenntnisgegenständen. Durch sie findet die Rückwendung der Seele zu sich selbst und die Verbindung mit den höheren Dingen statt. Die andere [Vernunft der Seele] ist die, durch die die Seele sich als ganze zu den sekundären Dingen ausdehnt, indem sie aus dem Verharren in sich selbst heraustritt. Dabei entfernt sie sich entweder […] vollständig […] oder sie ist […] vollendet. […] Denn sie hat in den auf ihr Sein bezüglichen Dispositionen die Erkenntnisgegenstände aufgenommen, die von den seinsmäßigen hervorgehen, so wie es beim Wissenden der Fall ist. […]
[3] Aber die primäre Seele geht nicht so ins Äußere hervor, dass sie nicht auch in sich selbst bliebe. […] Es ist also eine Vernunft, die zuerst unberührt bleibt und dann durch das Hervorbringen […] aus sich selbst in das Äußere ihre Unveränderlichkeit lockert. […] Denn im Hervorbringen entfernt sie sich in gewisser Weise von sich selbst, und weder bleibt sie vollständig in sich selbst, noch ist sie unberührt das, was sie ist, da sie in gewisser Weise auch in Bezug auf ihr Sein aufgebrochen wird – nicht so, als würde sie ganz zerstört werden, und auch nicht, als würde sie nicht auch irgendwie unverändert bleiben, wenn sie nach außen geht, sondern auf eine Weise, die der Mittelstellung der Seele angemessen ist.

Priskian aus Lydien [Pseudo-Simplikios]: In De anima/Kommentar zu Aristoteles’ De anima III 7 (p. 272, 36-273, 9; 225, 22-27 Hayduck)

Priskian erklärt die Funktion des praktischen Geistes und die Bedeutung des Vorstellens dafür
[1] Jetzt geht er [= Aristoteles] zum praktischen Geist über, […] wobei er fordert, dass dieser Geist die Objekte des Verfolgens und Vermeidens manchmal anhand der gegenwärtigen Wahrnehmungsobjekte selbst bestimmt, wenn er […] überlegt, […] was man tun muss. Aber meistens trifft es zu, dass der praktische Geist nachdenkt und überlegt, während er in den Vorstellungen die Abdrücke der Wahrnehmungsobjekte sieht. Denn auch wenn einmal die Wahrnehmungsobjekte gegenwärtig sind, weckt die denkende Seele das Nachdenken über die Handlungen, indem sie sich zu sich selbst zurückwendet […] und gebraucht diese als vorhandene Teile des Schlusses […].
[2] Also sind auch dieses Wahre und Falsche im praktischen Denken, das auch dann nicht ohne Vorstellungskraft aktiv ist, weil für es auch allgemeine Betrachtungen von der Art sind, wie allgemeine Betrachtungen über Einzelnes, z. B. wenn es sagt, dass jede Stadt von guten Gesetzen regiert oder dass jeder Mann ordentlich sein soll oder etwas in der Art. Denn wenn jemand die Objekte des Denkens als Objekte des Denkens betrachtet, dann wird er nicht auf Allgemeines aus dem Bereich der Objekte der Wahrnehmung zurückgreifen.

Priskian aus Lydien [Pseudo-Simplikios]: In De anima/Kommentar zu Aristoteles’ De anima III 7 (p. 268, 29-31; 269, 3-13 Hayduck)

Priskian erläutert, ausgehend von Aristoteles’ Aussagen zum Gemeinsinn, die neuplatonische Deutung der Einheit des denkenden Subjekts
Das Thema der vorliegenden Aussagen [des Aristoteles] ist […], uns von der Sinneswahrnehmung, wie von etwas Bekannterem, hinaufzuführen zu einem bestimmten Denken der Seele, das allgemein das irgendwie Gedachte unterscheidet. […] Es fasst auch alle Handlungen zusammen und erkennt sie, und zwar nicht nur die Gegensätze wie gut und schlecht in Liebesdingen oder bei der Ernährung, sondern auch beim Besitz, bei Furchtbarem und Schrecklichem und in ähnlicher Weise bei allem. Denn das Denkende sagt ja und erklärt: "Ich lebe maßvoll, gerecht, tapfer oder frei", und es kennt den Unterschied zwischen den Lebensweisen, die es sagt, und auch ihre Gemeinschaft miteinander, da es ihr Denken in etwas Ungeteiltem und Untrennbarem vollzieht. Gewiss gibt es auch etwas noch allgemeineres Denkendes in der Seele, das zugleich die praktischen und die theoretischen Gedanken zusammenfasst, und dieses wird auch die Unterschiedenheit und Gemeinsamkeit der praktischen und theoretischen Objekte untereinander, da es wiederum eines, dasselbe und ungeteilt ist und eine Mannigfaltigkeit ungeteilt auffasst.

Ibn Sīnā (Avicenna): Die Seele (Buch der Genesung) V 6 (p. 239 und 243f. Rahman)

Ibn Sīnā beschreibt die Struktur und den Status des menschlichen Intellekts in neuplatonischer Weise
[1] Wir sagen nun: Die Seele denkt, indem sie in sich selbst die von der Materie losgelöste Form des Gedachten auffasst. Und das Sein der losgelösten Form besteht entweder dadurch, dass der Intellekt sie loslöst; oder weil diese Form in sich selbst losgelöst von der Materie ist. […] Und die Seele erfasst formend ihr Wesen, indem sie es zum Intellekt, zum Denkenden und zum Gedachten macht. Und im Hinblick darauf, dass sie diese Formen formt, so macht sie sie nicht so. Sie ist ja in ihrer Substanz ewig im Körper ein Intellekt der Möglichkeit nach, auch wenn sie in bestimmten Gegenständen zum Akt übergeht. […]
[2] Und das Auffassen davon ist das denkende Wissen, indem nur eine Vollendung zustande kommt, wenn [die Objekte] zusammengesetzt und geordnet werden. Und die zweite [Stufe] ist das einfache Wissen, dem es nicht zukommt, dass es in der Seele eine Form dafür gibt. Vielmehr ist es eines, von dem die Formen in das für die Formen Empfängliche ausgehen. Und dies ist das schöpferische Wissen für das, was wir denkendes Wissen nennen, und dessen Prinzip. Und dieses liegt in dem Intellektvermögen, das abgelöst von der Seele und den schöpferischen Intellekten ähnlich ist. […]
[3] Und wisse, dass es in dem von diesem beiden reinen Intellekt keinerlei Vielheit gibt und keine Ordnung von Form zu Form. Sondern er ist das Prinzip für jede Form, die von ihm zur Seele hin ausströmt. Und Du musst glauben, dass so das Sein des rein Abgetrennten ist […]. Und unser Intellekt ist der schöpferische Intellekt für die ihm zukommenden Formen, nicht der der die Formen produziert.

Albertus Magnus: Über die Seele (De anima) III 2, 12 (192, 78–82 und 194, 13-25 Stroick)

Albertus Magnus entscheidet sich in dieser Situation für die Lösung Ibn Sīnās
[1] Nachdem all dies festgehalten wurde, scheint man mit den Peripatetikern sagen zu müssen, dass der mögliche Intellekt unvermischt, abgetrennt und leidensunfähig ist. […] Aber damit klarer wird, wie dies so ist, wollen wir Avicennas Worten folgen, die mehr mit Aristoteles übereinstimmen. […]
[2] So wird nun gesagt, der mögliche Intellekt sei abgetrennt. Unvermischt aber wird er genannt, weil er nicht mit dem Körper so wie die Form eines Körpers vermischt ist, oder so wie eine organische Kraft, die in einem Organ des Körpers tätig ist. […] Der Intellekt ist eine Kraft von etwas wahrhaft Vorhandenem, welches die rationale Seele ist, die, obgleich sie nicht auf die beiden genannten Weisen mit dem Körper verbunden ist, doch Kräfte besitzt, die mit dem Körper vermischt sind.
[3] Aber der Intellekt ist nicht insofern eine Kraft von ihr, als sie mit dem Körper vermischt ist, sondern eher, insofern er ein Abbild des ersten wirkenden und eine solche Seele hervorbringenden Intellekts ist. Und daher ist es unmöglich, dass der Intellekt mit dem Körper vermischt ist, und daher kann er auch nicht durch ein körperliches Werkzeug wirken.

Albertus Magnus: Über die Seele (De anima) III 3, 2 (210, 56-69 Stroick)

Albertus Magnus über die Wahrheit und Fehleranfälligkeit des Intellekts
[1] Der Intellekt, der nichts umfasst als eine einfache Auffassung des Geistes, ist immer wahr. Aber als zusammensetzender ist er nicht immer wahr, weil dies dem Intellekt so zukommt wie der Sinneswahrnehmung das akzidentelle Sinnesobjekt. Und daher ist der Intellekt hierin immer anfällig für Fehler. "Alles" aber, "was ohne Materie besteht" so wie die abgetrennten Substanzen, erkennen die Dinge durch die einfachen Washeiten der Dinge. Und deswegen ist ihr Intellekt nicht anfällig für Fehler.
[2] Denn wann immer begriffen wird, dass eines einem anderen wirklich innewohnt, muss dies durch dein Begreifen der Dinge sowie durch ihre Unterschliedlichkeit und Übereinstimmung im Einzelnen geschehen. Und dies kommt dem Intellekt akzidentell durch seine Ausdehnung auf die sinnlichen Vermögen zu, und in einer derartigen Zusammensetzung und Trennung tritt häufig ein Irrtum auf.

Ibn Sīnā (Avicenna): Die Seele (Buch der Genesung) IV 1 (p. 165f. Rahman)

Ibn Sīnā äußert sich im aristotelischen Sinne zum menschlichen Handeln und begründet dies mit der menschlichen Selbstbeobachtung
Wenn die Lebewesen nicht etwas begehren, das sie in ihrem Begehren oder in ihrer Vorstellung auffassen oder nicht auffassen, gelangen sie nicht dazu, dies durch eine Bewegung zu erstreben. […] Sieh, die Leute kommen im Auffassen von etwas, das sie sinnlich wahrnehmen und sich vorstellen, darin überein, dass sie es sinnlich wahrnehmen und sich vorstellen. Aber sie unterscheiden sich darin, dass sie das begehren, was sie sinnlich wahrnehmen. Und die Situation des einzelnen Menschen hierin ist gewiss unterschiedlich. So stellt man sich Nahrung vor, und begehrt sie in einem Moment des Hungers, und begehrt sie nicht in einem Moment der Sättigung. Und auch die Schönheit der Sitten begehrt jemand nicht, wenn er sich schändliche Freuden vorstellt, und der andere begehrt sie. Und diese beiden Zustände [des Begehrens und Nicht-Begehrens] hat nicht der Mensch allein, sondern alle Lebewesen.

Albertus Magnus: Über die Nikomachische Ethik (Super Ethica) III (p. 160, 37-57 Kübel)

Albertus Magnus definiert die freie Entscheidung (liberum arbitrium) als ein zwischen Vernunft und Wille anzusiedelndes Vermögen
Das Wählen ist ein Akt der freien Entscheidung, welche ein mittleres Vermögen zwischen Vernunft und Wille ist, das etwas von beidem aufweist. Aber formal ist darin das, was dem Willen angehört. […] Etwas gegenüber etwas anderem durch ein Urteil und eine Festlegung darüber, dass es zu tun ist, vorzuziehen, kommt der Vernunft zu. Das geschieht nämlich auf die Weise des Wahren und auf die Weise einer Fertigkeit. […] Aber weil es bei der Wahl auch ein Richtig- und Falsch-Liegen gibt, muss sie auf ein Prinzip zurückgeführt werden, das zum Abweichen und zum Beurteilt-Werden geeignet ist. Und das ist die freie Entscheidung. […] Deswegen ist der Gegenstand der Überlegung, der gesucht wird, das von der Vernunft Festgelegte und das Gewählte dem Subjekt nach eines, aber das Wählbare unterscheidet sich gemäß der Form des Begehrten, die es aufweist.

Ibn Sīnā (Avicenna): Die Seele (Buch der Genesung) V 4 (p. 227-229 Rahman)

Ibn Sῖnā erklärt das Verhältnis von Seele und Körper
[1] Im Hinblick darauf, dass die Seele beim Tode des Körpers nicht stirbt, so ist jede Sache, die beim Zugrundegehen einer anderen Sache zugrunde geht, mit ihr auf eine Art des Zusammenhangs verbunden. […] Und wenn die Verbindung der Seele mit dem Körper erforderlich für das Sein und ein wesentlicher Aspekt dafür ist, kein akzidenteller, so steht jedes von beidem [Körper und Seele] in einer wesentlichen Relation zum anderen. […] Und wenn dies ein akzidenteller, nicht wesentlicher Aspekt ist, dann wird, wenn eines der beiden zugrunde geht, das andere Akzidens von seiten der Relation vernichtet, aber das Wesen geht bei dessen Zugrundgehen von seiten dieser Verbindung nicht zugrunde.
[2] Wenn nun die Materie des Körpers neu entsteht, so dass es sich fügt, dass das Werkzeug für die Seele und ihr Königreich da ist, bringen die abgetrennten Ursachen die Einzelseele hervor, und sie wird so von ihnen hervorgebracht. Nun ist ihr Hervorvorbringen ohne spezifizierende Ursache, als Hervorbringen einer ohne die andere, absurd, und die Realität einer Vielheit der Zahl nach unmöglich. […].
[3] Und auch, wenn es möglich wäre, dass eine Einzelseele entsteht und ihr Werkzeug nicht entsteht, durch das sie sich vollendet und tätig ist, so wäre sie nutzlos in ihrem Sein. Aber es gibt nichts Nutzloses in der Natur. Und wenn das unmöglich ist, so gibt es keine Macht dazu.
[4] Und wenn das Neuentstehen einer Sache beim Neuentstehen einer anderen Sache erfolgt, ist es nicht notwendig, dass sie bei deren Zerstörung zerstört wird. Das ist nur der Fall, wenn das Wesen der Sache durch und in dieser Sache liegt. […] Und was das Sein der Seele konstituiert, ist eine unkörperliche Sache und keine Kraft in einem Körper. Vielmehr ist es ein beständiges Wesen, das frei ist von Materie und von Ausdehnung.

Ibn Sīnā (Avicenna): Die Seele (Buch der Genesung) V 4 (p. 231f. Rahman)

Ibn Sῖnā begründet die Unzerstörbarkeit der Seele als solcher
[1] Und ich sage auch, dass keine andere Ursache die Seele gänzlich vernichten kann. […] Wir sagen, dass bei zusammengesetzten Sachen und einfachen Sachen, die nicht dauerhaft in der Zusammensetzung bestehen, ein Akt der Fortdauer zusammen mit einer Möglichkeit des Zugrundegehens bestehen kann. Und bei einfachen, in ihrem Wesen abgetrennten Sachen können diese Aspekte nicht zusammen bestehen. […]
[2] Und wenn die Seele schlechthin einfach ist, so dass sie nicht in Materie und Form geteilt werden kann, und wenn sie [mit einem Körper bzw. anderen Seelenvermögen] zusammengesetzt ist, wollen wir das Zusammengesetzte beiseite lassen und die Substanz betrachten, die ihre Materie ist, und wir wollen die Rede lenken auf die ihre Materie selbst und über diese sprechen. Wir sagen also: Diese Materie ist entweder dauerhaft so teilbar […] – und das ist absurd; oder die Sache, welche die Substanz und Wurzel ist, ist unzerstörbar. […] Und das ist, was wir Seele nennen. […] Und dann ist klar, dass es in der Substanz der Seele nicht die Möglichkeit gibt, dass sie zugrunde geht.

Albertus Magnus: Über die Seele (De anima) III 3, 13 (225, 26-37 Stroick)

Albertus Magnus begründet die Unsterblichkeit der Seele mit ihrer Fähigkeit, ohne Körper zu wirken
Jedes Wesen oder jede Substanz, aus der natürliche Vermögen fließen, die sich selbst und ihren Tätigkeiten entsprechend abgetrennt sind, ist eine abgetrennte Substanz. Der Beweis dafür ist folgender: Wenn etwas durch die Substanz mit dem Körper vermischt wäre, dann wäre sein Vermögen ein Vermögen des Vermischten, und dann wäre es kein abgetrenntes Vermögen. Die Seele ist aber eine derartige Substanz, die potentielle Teile hat, den möglichen und den aktiven Intellekt, die an sich abgetrennte Teile sind. Also ist sie auch selbst abgetrennt. Etwas Abgetrenntes wird in seiner Substanz, seinem Vermögen und seiner Aktivität bei der Zerstörung des Körpers nicht zerstört. Die rationale Seele kann also bei Zerstörung des Körpers nicht zerstört werden.

Albertus Magnus: Über die Natur und den Ursprung der Seele (De natura et origine animae) II 6 (27, 78-28, 25; 29, 2-45 Geyer)

Argumente des Albertus Magnus für die Unsterblichkeit der Seele
[1] Alles, was aus sich heraus Gründe für das an sich Gute und das Fromme, das zur Gottesverehrung und zur Güte an sich gehört, hat, hat keine Abhängigkeit vom Körper. Das wird dadurch bewiesen, dass das, was an sich gut ist, uns durch seine eigene und eigentümliche Kraft anzieht und, und das ist das, was wir um seiner selbst willen erstreben, obwohl es keinen Nutzen oder keine andere Freude bei sich trägt. […] Alles, was aber gemäß dem zum [mit dem Körper] Verbundenen Passenden erstrebt wird, wird gemäß dem Gehalt des Nützlichen oder dem des Freudvollen erstrebt und gesucht. […] Und das widerspricht der Definition des an sich Guten, des Frommen sowie des Nützlichen. […] Und ein Zeichen dafür ist, dass keines der anderen Tiere, vom Menschen abgesehen, jemals etwas an sich Gutes, Frommes oder Religiöses anstrebt oder sucht. […] Was nicht vom Körper abhängt, wird nicht zerstört, wenn er zerstört wird. Die rationale Seele vergeht also nicht, wenn der Körper vergeht.
[2] All das, was ein einziges Bestes seiner Natur nach hat, weist eine Analogie dahingehend auf, an diesem Besten teilzuhaben. Aber das seiner Natur nach Beste für jede Intellektnatur ist das kontemplative Glücklichsein. […] Deswegen sagt Aristoteles, dass der Mensch nur ein Intellekt ist, weil das Gute des Intellekts allein ihm eigentümlich und seiner Natur entsprechend ist. Also besteht eine Analogie Gottes, der göttlichen Intellekte und des Menschen zu diesem Besten. […] Diese Analogie kann es nur gemäß einer wesenhaften und ewigen Fähigkeit und Tätigkeit geben, die nichts mit dem Körper gemeinsam hat. […] Also ist die Intellektseele abgetrennt […] und hat ewiges Sein.

Aristoteles: Metaphysik (Metaphysica) I 1, 980a 21f. 2, 982b 11-21

Aristoteles über Staunen und Erkenntnislust als Ursprung der Philosophie
Alle Menschen streben von Natur danach zu erkennen. Dies erkennt man an der Liebe zu den Sinneswahrnehmungen; denn auch ohne Nutzen werden sie um ihrer selbst willen geliebt. [...] Denn wegen des Staunens haben die Menschen sowohl jetzt als auch ursprünglich zu philosophieren begonnen, weil sie von Anfang an über das nächstliegende Unerklärbare staunten. [...] Wenn sie daher philosophierten, um der Unwissenheit zu entgehen, so suchten sie das Wissen offenbar des Erkennens wegen, nicht um irgendeines Nutzens willen.

Aristoteles: Metaphysik (Metaphysica) VII 1, 1028a 1-22

Aristoteles über die vielfältige, nicht univoke Bedeutung von 'seiend'
,Seiend‘ wird in mehreren Bedeutungen ausgesagt [...]. Denn es bezeichnet einerseits ,was es ist‘ und ,dieses Einzelne‘, andererseits dass es ,wie beschaffen‘, ,wieviel‘ oder jedes Einzelne von dem so Ausgesagten ist. [...] Von ihnen ist das erste Seiende das ,was es ist‘, was die Substanz bezeichnet. [...] Das andere aber wird seiend genannt, insofern es an dem so Seienden entweder Quantitäten, Qualitäten, Affektionen oder etwas anderes der Art ist. Daher könnte man auch [...] in Zweifel sein, ob ein jedes derselben seiend ist oder nicht seiend.

Aristoteles: Metaphysik (Metaphysica) IV 5, 1005b 19-25

Aristoteles formuliert den Satz vom Widerspruch als Grundregel der Analyse von ,seiend‘
Dass dasselbe demselben und in derselben Beziehung […] unmöglich zugleich zukommen und nicht zukommen kann, das ist das sicherste unter allen Prinzipien. […] Es ist nämlich unmöglich, dass jemand annimmt, dasselbe sei irgendwie und sei nicht so, so wie es nach Meinung einiger Heraklit sagen soll.

Aristoteles: Metaphysik (Metaphysica) VII 3, 1028b 33-36

Aristoteles über die verschiedenen Bedeutungen von ,Substanz‘ (οὐσία)
Substanz wird, wenn nicht in mehr, so doch hauptsächlich in vier Bedeutungen ausgesagt. Denn das ,Das-was-es-war-Sein‘, das Allgemeine und die Gattung scheint die Substanz eines jeden zu sein, und dazu viertens das Zugrundeliegende. Das Zugrundeliegende aber ist dasjenige, von dem das Übrige ausgesagt wird, das selbst aber nicht wieder von einem anderen ausgesagt wird.

Aristoteles: Metaphysik (Metaphysica) VII 3, 1029a 20f

Aristoteles’ Definition von Materie als etwas nicht (ohne Verbindung mit einer Form) Seiendes
Ich nenne Materie das, was an sich weder als etwas noch als wie viel noch als irgendein anderes von denen bezeichnet werden kann, durch die ,seiend‘ bestimmt wird.